Der Geisterseher (Autor: Friedrich Schiller)
 
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Der Geisterseher von Friedrich Schiller

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Angeregt durch die Geschichten über den italienischen Alchemisten und Hochstapler Alessandro Graf von Cagliostro und dessen betrügerische Geisterbeschwörungen, wird das tragische Schicksal eines jungen Prinzen erzählt.

 

Rezension:

Die von Prof. Dr. Joseph Kiermeier-Debre herausgegebene Reihe dtv Bibliothek der Erstausgaben glänzt seit Jahren mit aufbereiteten Editionen klassischer Werke, die durch die Darstellung ihrer ursprünglichen Form nicht nur Germanisten besondere Aufschlüsse verschaffen, sie vermitteln auch dem normal-interessierten Leser einen Eindruck von den Umständen der Erstveröffentlichung.

Bei einem Werk wie Friedrich Schillers Geisterseher ist eine derartige Präsentation besonders spannend, da das fragmentarische Werk diverse Änderungen erfuhr und auch die Geschichte seiner Veröffentlichung einiges über Schiller berichtet. So finden sich im Anhang nicht nur die Zusätze Schillers zu späteren Ausgaben des Textes, sondern auch eine informative Notiz des Herausgebers zur Textgestalt dieser Ausgabe.

 

Dem modernen Leser präsentiert sich "Der Geisterseher" zweigeteilt. Zunächst begleiten wir mit den Augen des Grafen von O. einen deutschen Prinzen bei seinen ungewöhnlichen Abenteuern in Venedig. Der zunächst mysteriöse unbekannte Armenier liefert dabei den Widerpart zum Verstandesmenschen. Die eigentliche Intrige, oder zumindest ihre oberste Schicht, wird in einer ausführlichen Demaskierung zum eleganten Gegenbeweis von Aberglauben und Geistertum.

Doch genau an diesem triumphalen Punkt ändert sich die Geschichte. Nicht nur stilistisch vom Bericht zur Briefform, verlagert sich nun die Aufmerksamkeit auf eine religiöse und philosophische Hinterfragung von Moral und Bedeutung des Menschen. Und just in dem Augenblick, in dem der Prinz eine für sich funktionierende Weltanschauung gefunden hat, verliebt er sich unsterblich. Vernunft und Glauben weichen der Liebe. Erst im Verlust wird ihm offenbar, worin seine wirkliche Persönlichkeit besteht.

Die dabei um ihn herum ablaufenden Ränke und Betrügereien nimmt der Adlige kaum wahr. In einer eigenen Welt, die nur beiläufig mit der Realität der anderen zusammentrifft, ist wesentlich mehr Platz für intellektuelles Spiel und Gefühl, als für existentielle Fragen.

Der Mittelpunkt dieses zweiten Teils ist ohne Frage der philosophische Exkurs, dessen Argumentationen allerdings nur für jemanden durchschaubar sind, der sich mit Zeit und Hintergrund ihrer Entstehung auskennt, zu sehr reflektiert hier Schiller Ansichten seiner Zeit. Darüber hinaus schreibt Schiller auch hier stets verständlich und bildhaft, sodass eben nur etwas Hintergrundwissen nötig ist, um ihm zu folgen.

Richtig in Fahrt gerät Schiller jedoch, als es um die Beschreibung der Liebenden geht. Hier offenbart sich dem Leser der unsterbliche Klassiker, wohl auch, weil es sich biografisch sehr gut herleiten lässt und man hier Schillers Liaison mit Henriette von Armin als Hintergrund zu erkennen glaubt.

Zwar kann man am Ende des Textes nur vermuten, ob und wie Schiller sich die Fortsetzung dachte, aber eigentlich erwartet man sie gar nicht. Wahrscheinlich, weil wir es heute gewohnt sind, Opfer von Verschwörungen kennen zu lernen. Mag sein, dass uns dadurch die Blick für eine andere Interpretation versagt bleibt, aber solange wir Schillers Absichten nicht wirklich kennen, ist eine Vermutung so gut wie die andere.

 

Die Ausgabe wird komplettiert durch eine Zeittafel, einem sehr ausführlichen Glossar und einem tiefgründigen Nachwort des Herausgebers.

 

Fazit:

Friedrich Schiller mag für viele nur noch der Dichter neben Goethe sein. Sein "Geisterseher" ist ein überraschendes und unterhaltsames Fragment, dessen Sprache in einer sorgfältigen Edition der Erstausgabe überzeugen kann. Vielleicht ein Anlass, den deutschen Klassiker neu zu entdecken.

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Buch:

Der Geisterseher

Autor: Friedrich Schiller

aus den Papieren des Grafen von O., 1787-1789

Hrsg: Joseph Kiermeier-Debre

Reihe: dtv Bibliothek der Erstausgaben

Taschenbuch: 254 Seiten

Deutscher Taschenbuch Verlag, 1. Mai 2009

Titelbild: Pietro Longhi

 

ISBN-10: 3423026839

ISBN-13: 978-3423026833

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 29.06.2009, zuletzt aktualisiert: 18.04.2024 09:19, 8928