Der Meister des Jüngsten Tages (Autor: Leo Perutz)
 
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Der Meister des Jüngsten Tages von Leo Perutz

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Nur wenige Autoren vermögen es, Bücher zu verfassen, von denen behauptet wird, sie seien Meisterwerke der Weltliteratur und im Allgemeinen stehen derartige Werke in jedem Kanon ihrer Gattung als unvergessener Bestandteil des kulturellen Erbes.

Leo Perutz ist solch ein Meisterwerk gelungen, jedoch gehört es zu den Missgeschicken seines Jahrhunderts, dass die außerordentliche Beachtung seines Romans Krieg und kulturelle Unterdrückung in das Vergessen geraten ließen, sodass erst nach seinem Tod das Wiederentdecken dieses schaurigen Romans begann.

 

Vorweg muss gesagt werden, dass sich der Verlag entschied, kommentarlos auf die „Schlussbemerkungen des Herausgebers“ zu verzichten. Dieser eigentlich wichtige Teil des Rahmens, mit dem Perutz seinen Erzähler in ambivalentes Licht stellt, gehört eigentlich zum Roman - warum er hier fehlt ist nicht nach zu vollziehen.

 

Die Handlung des Romans beruht nämlich zu einem sehr großen Teil auf die Glaubwürdigkeit seines Erzählers und Protagonisten, Gottfried Adalbert Freiherr von Yosch und Klettenfeld, Rittmeister der k.u.k. Armee. In seinem Vorwort zu dem Bericht der merkwürdigen Tage, weist der Herr Rittmeister nicht nur auf sein erstaunliches Gedächtnis hin, er fordert auch absolute Glaubwürdigkeit für sich ein, da er ja von einer Verfälschung der Ereignisse nichts hätte. So eingestimmt, verfolgt der Leser einen Kammerspielabend bei einem alternden Schauspieler, der nicht nur kurz vor dem ende seiner Karriere steht, sondern auch vor dem finanziellen Ruin. Gattin und Freunde konnte den Bankrott seiner Bank bisher vor ihm verheimlichen und der Abend soll der Zerstreuung dienen.

Doch von Yosch wird magisch von einem Fettnäpfchen ins Nächste gezogen, was er auch sagt, alles scheint Anspielung auf die Tragödie zu sein, sodass ihn Gattin und Schwager des Schauspielers bereits böse Absicht unterstellen - da begeht dieser Selbstmord. Sterbend findet ihn die Gesellschaft - mit tiefem Hass auf Yosch in den Augen.

Nun haben wir bereits erfahren, dass Yosch dereinst mit Dina, der Gattin des Toten, eine leidenschaftliche Affäre hatte, die für ihn noch nicht ganz ausgestanden ist, auch wenn Dina ihn seit ihrer Heirat deutlich zurückweist. Was liegt daher für Dinas Bruder Felix näher, als Yosch zu verdächtigen, den Hofschauspieler Eugen Bischoff mit Absicht und aus Eifersucht in den Freitod getrieben zu haben? Der Rittmeister weist bei seinem Ehrenwort den Verdacht von sich, er sei zum Todeszeitpunkt gar nicht in der Nähe von Bischoff gewesen - da präsentiert Felix ihm die rittmeisterliche Pfeife - ein schlagendes Indiz. Yosh sieht sich plötzlich im Geiste tatsächlich dem Schauspieler alles erzählen, doch da greift ein anderer abendliche Gast in die Szene ein. Der Ingenieur Solgrub vermutet eher einen Zusammenhang mit anderen unerklärlichen Selbstmorden in Wien und mit manischer Leidenschaft beginnen entsprechende Untersuchungen.

 

Das Faszinierende an der Geschichte sind zum einen die sich ständig widersprechenden Sichten auf die Selbstmorde. Zwar wechselt Perutz die Charaktersicht nicht, aber Yosch selbst liefert immer wieder Anzeichen von Gedächtnislücken und verdrängten Momenten. Nebenher erfahren wir mehr über seinen wahren Charakter, der immer stärker auf selbstsüchtige Motive schließen lässt. Und obwohl wir als Leser die ganze Zeit bei Yosch sind, können wir uns seiner und auch der Handlung nie sicher sein.

Auf der anderen Seite ist die Geschichte um den Meister des Jüngsten Gerichts selbst spannend und vor allem in genau dem Sinne phantastisch, dass nicht nur die Fantasie angeregt wird, auch das wohlige Schauern, der Hauch des unfassbar Mysteriösen, jene geheimnisvolle Kraft, die aus den Tiefen unseres Geistes aufsteigt ergreift uns mit erstaunlicher Kraft auch noch fast hundert Jahre nach der Erstveröffentlichung.

 

Fazit:

Zu Recht als Meisterwerk gefeiert, stellt Perutz großer Roman mehr dar als nur eine Kriminalgeschichte. Auch wenn uns dtv das Schlusswort vorenthält, können alle Freunde genussvoller Phantastik bedenkenlos zugreifen.

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Buch:

Der Meister des Jüngsten Tages

Autor: Leo Perutz

dtv, Februar 2008

Broschiert: 205 Seiten

ISBN-10: 3423191198

ISBN-13: 978-3423191197

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 23.02.2008, zuletzt aktualisiert: 18.04.2024 09:19, 5885