Der Netzwerk-Effekt (Autorin: Martha Wells)
 
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Der Netzwerk-Effekt von Martha Wells

Rezension von Matthias Hofmann

 

Als sie im Oktober 2019 endlich auf Deutsch vorlagen, setzten die Murderbot-Tagebücher von Martha Wells auch hier zu Lande ihren Siegeszug fort. Bei Heyne packte man die vier Kurzromane von jeweils knapp 150 Seiten als Sammelband unter dem Label »Roman« zusammen. Und verpasste »Murderbot« den »deutschen« (haha) Namen »Killerbot«. Klingt tödlicher und trotzdem Englisch. Oder was auch immer.

 

Das Ganze spiegelt eigentlich nur wider, dass sich diese eigenwilligen Geschichten nicht ganz so leicht übersetzen lassen. Fängt bei dem ganzen Tech-Sprech an und hört bei dem nicht definierten Geschlecht der Hauptfigur auf. Hier hat Frank Böhmert, der Übersetzer, mit dem zweiten Killerbot-Buch inzwischen die passende Sprache und den adäquaten Stil gefunden, nachdem die ersten Abenteuer von Killerbot in Tagebuch eines Killerbots etwas holprig daher kamen.

 

An der Übersetzung liegt es also nicht, dass mich dieser zweite Band nicht so überzeugt hat wie der erste Teil. Der Netzwerk-Effekt ist der erste lange Roman von Martha Wells mit Killerbot. Nach der Lektüre der ersten vier Kurzromane, den »Tagebüchern«, hat man hier jedoch permanent das Gefühl, alles schon mal so oder so ähnlich gelesen zu haben.

 

Die vermeintlich defekte Sicherheitseinheit, bestehend aus organisch-menschlichen und maschinenartigen Teilen, ist immer noch zynisch bis zum Abwinken. Und auch quengelig bis übel gelaunt. Die sympathisch-schrullige SecUnit kann Menschen immer noch nicht ausstehen und ähnelt ihnen trotzdem immer stärker. Auch streamt sie weiterhin irgendwelche Endlosunterhaltungsserien mit Titeln wie Aufstieg und Fall des Waldmonds oder Häuser der Sonne, auch gerne während Action-Sequenzen. Weil, ja, weil sie es kann. Und ihr öfters langweilig zu sein scheint. Früher war sie nur eine normale SecUnit, aber sie hat sich selbst gehackt und dann begann das artifizielle Lotterleben so richtig.

 

In »Der Netzwerk-Effekt« arbeitet Killerbot weiterhin als eine Art Leibwächter für Menschen. Es macht dies aus freiem Willen. Manche davon könnte es sogar als Freunde bezeichnen, auch wenn schon alleine dieser Gedanke für mentale Kapriolen sorgt. (Sein Vertrag hat eine No-Hugs-Klausel. Keine Umarmungen.)

 

So geht es mit seinem zu bewachenden Team auf eine Forschungsmission. Teil des Teams ist Amena, die junge Tochter von Dr. Mensah, der ersten Person, für die Killerbot in den vorigen Abenteuern eine emotionale Anziehung gespürt hat. Das Team wird Opfer eines Anschlags und gekidnappt. Dabei stellt sich heraus, dass die Kidnapper für den Tod eines ehemaligen Freundes Killerbots, eine Künstliche Intelligenz, verantwortlich sind. Das gefällt der extravaganten SecUnit gar nicht …

 

Die Stärken der Tagebücher finden sich auch in diesem langen Roman wieder. Wer dieses grenzwertige Sci-Fi-Ambiente kennen und lieben gelernt hat, wird auch hier begeistert sein. Mir ging das Stilmittel des inneren Monologs zunehmend auf den Geist. Es wird einfach zu viel monologisiert und die flapsigen Sprüche häuften sich zu stark, dass es irgendwann langweilig wurde.

 

Der Roman lebt nicht von der Handlung, sondern vom (inneren) Gelaber. Irgendwann hat man es kapiert, dass Killerbot die Menschen dämlich und nervig findet. Man hat nicht das Gefühl, dass viel passiert. Dies mag daran liegen, dass es keine richtigen Antagonisten gibt, sondern nur eine Ansammlung von gefährlichen und bedrohlichen Situationen und Zuständen.

 

So bekommt man den Eindruck, dass sich Wells mit dem langen Format nicht wohlgefühlt hat. Was auf 150 Seiten wie aus einem Guss gewirkt hat, und als Tagebuch-Sammler noch überzeugen konnte, wirkt hier wie ein Ritt auf einem toten Pferd. Oder zumindest auf einem, welches etwas mehr Futter benötigt, um frisch zu wirken.

 

Das hätte Wells erreichen könnten, wenn sie etwas Charakterentwicklung betrieben hätte. Hat sie aber nicht. Killerbot ist genauso wie zuletzt. Und das ist die hauptsächliche Enttäuschung.

 

Der nächste Teil ist in den USA bereits für Ende April 2021 angekündigt. Der sechste Murderbot-Roman heißt Fugitive Telemetry. Und ratet mal, wie viele Seiten dieser haben wird?

Lediglich 176 Seiten. »Say no more. Nudge. Nudge«, um es mit Monty Python zu sagen.

 

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Buch:

Der Netzwerk-Effekt

Originaltitel: Network Effect, 2020

Autorin: Martha Wells

Taschenbuch, 580 Seiten

Heyne, 8. Februar 2021

Übersetzung: Frank Böhmert

Titelillustration: Jaime Jones

 

ISBN-10: 3453321235

ISBN-13: 978-3453321236

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B086VSM3SN

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 17.04.2021, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 19627