Rezension von Matthias Hofmann
Endlich liegen sie auf Deutsch vor. In den USA haben die Murderbot-Tagebücher von Martha Wells unter Fans von Science-Fiction-Literatur schon ziemlich für Furore gesorgt. Aber eigentlich handelt es sich hierbei um eine Reihe von vier Kurzromanen von jeweils nicht mehr als 150 Seiten. Der Heyne Verlag hat die vier Einzelbände für die deutschen Leser zusammengefasst, alle Kapitel durchnummeriert und den Sammelband als »Roman« gekennzeichnet. Das kann man machen, muss man aber nicht. Werden die Puristen sagen.
Ebendiese werden sich auch darüber aufregen, dass in der deutschen Übersetzung aus dem »Murderbot« ohne Not ein »Killerbot« wurde. Oder dass andere translatorische Seiltänze stattgefunden haben, besonders wenn es um Anglizismen geht. Im Original lesen sich die Abenteuer der »Sicherheitseinheit« bzw. der sogenannten »SecUnit« stimmig. Auf Deutsch mitunter etwas holprig. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Denn wer vergleicht schon jede deutschsprachige Neuerscheinung mit ihrem englischen Originaltext? Nur die Ungeduldigen, die den ersten Band auf Englisch bereits goutiert haben und denen nun durch den rhetorischen Schlingerkurs der deutschen Übersetzung etwas schwindlig wird.
Schwierig zu übersetzen ist jedenfalls das Geschlecht von Killerbot. Es, bzw. der/die/das »Bot«, hat nämlich keines. Martha Wells hat es geschlechtslos angelegt. Als Leser bekommt man zu Beginn des Buchs das Gefühl, dass die Hauptfigur, verstärkt durch den deutschen Titel, männlich wäre. In den letzten beiden Teilen könnte es eher weiblich sein. Nicht erst seit Ann Leckies preisgekrönter Maschinen-Trilogie wird in der SF-Szene eine interessante Gender-Debatte geführt, und so fügt Martha Wells mit ihrem geschlechtsneutralen Bot der Diskussion eine weitere Facette hinzu.
Aber warum ist das so? Und worum geht es eigentlich im Tagebuch eines Killerbots? Anders als bei herkömmlichen Plots, in denen die Roboter, Androiden oder sonstigen künstlichen Konstrukte lieber menschlich wären und allmählich männliche oder weibliche Züge entwickeln, will Killerbot alles sein, nur kein Mensch. Benimmt sich gedanklich aber zunehmend menschelnd. Es bedient sich klarer und direkter Worte, greift hart und unbarmherzig durch wo nötig, schießt scharf wie es nur ein Mordroboter kann und streamt zum Zeitvertreib am liebsten Endlosunterhaltungsserien, besonders die Endlosserie »Aufstieg und Fall des Waldmonds«. Im persönlichen Umgang mit Menschen, mit denen es in direkten Kontakt kommt, ist es hingegen gar schüchtern. Es hat seine Programmierung gehackt, ist dadurch nicht mehr unter der Kontrolle menschlicher Besitzer und quasi auf der Flucht in ein neues, eigenes Leben, wenn man so will. Und seitdem tickt diese ganz besondere Sicherheitseinheit nicht mehr richtig.
Martha Wells lässt uns in »Tagebuch eines Killerbots« an der neuen Selbstständigkeit teilhaben, in dem sie die Gedanken dieser künstlichen Intelligenz offenlegt. Es beginnt mit dem Abenteuer des SecUnits als Bodyguard für eine Gruppe von Wissenschaftlern auf einem fremden mit feindlichen Organismen bewohnten Planeten und setzt sich fort mit einer Flucht durch die Galaxis. Beide Ebenen, das vordergründige Abenteuer mit Action und Schießereien (schließlich verfügt Killerbot über in die Gliedmaßen integrierte Waffen) und die hintergründige Gedankenwelt des Bots, ergeben eine unterhaltsame Mischung.
In einem Interview mit dem Onlineportal The Verge sagt Martha Wells: »Ich wollte die Trennlinie zwischen Roboter und Mensch so dünn gestalten, dass es offensichtlich wird, dass diese beliebig ist.« Killerbots sarkastischer Charakter, der von den Menschen per se unbeeindruckt ist und eigentlich von ihnen genug hat, wird von außen als bedrohliche, gesichtslose Maschine gesehen, während es von innen, durch seine lebhaften Gedanken eine sogar lustige und engagierte Persönlichkeit besitzt. »Es ist dagegen, Beziehungen mit Menschen einzugehen, weil es ihnen nicht vertrauen kann. Und es ist vorsichtig, wenn es um Beziehungen zu anderen Bots geht, da diese unter menschlicher Kontrolle stehen«, so Wells weiter.
Der erste Teil von »Tagebuch eines Killerbots« hat in der Kategorie »Bester Kurzroman« alle wichtigen SF-Preise gewonnen: Nebula, Hugo, Locus. Der vierte und letzte Teil davon hat ein Jahr später in der gleichen Kategorie erneut den Hugo- und den Locus-Award bekommen. Wegen des großen Erfolgs ist inzwischen der erste lange Roman mit dem doch so menschlichen Killerbot angekündigt. Das ist eine gute Nachricht, denn unter dem Strich hat Martha Wells mit diesem Stoff erfrischende und moderne Science Fiction abgeliefert, die zu den wichtigsten Genretiteln der ausgehenden 2010er-Jahre gezählt werden muss.