Der Schrecken der Ozeane von Leuw von Katzenstein
Rezension von Heike Rau
Das Leben des Raben beginnt dramatisch. Beinahe wäre er als vermeintlich frisches Ei in einer Pfanne oben in der Küche der finsteren Burg des Raubritters Kuno von Ullrichstein gelandet. Zwar fällt die Köchin in Ohnmacht, angesichts des frisch geschlüpften Vogels, aber Friedrich macht das Beste draus. Er kann nicht widerstehen und nascht vom schon fertigen Rührei. Die Köchin, wieder zur Besinnung gekommen, spült das kleine Vögelchen den Ausguss hinunter. Friedrich landet draußen in einem Gewässer im Gelege einer Entenmutter, die das kleine Sorgenkind sofort ins Herz schließt.
Eines Tages gibt der Ritter ein Gastmahl. Auf dem Speiseplan stehen die Entenmutter und Friedrichs Stiefgeschwister. Friedrich revanchiert sich für die Pflege und lässt die Entenfamilie frei. Der Ritter und seine Spießgesellen staunen nicht schlecht, als sie den Deckel der Schüssel anheben und ein Rabe mit gewetzten Krallen hervorschießt. Dass Friedrich fliehen muss, ist klar. Er begibt sich auf Wanderschaft und kommt so nach Hamburg. Der Anblick von Rührei lässt ihn mit einem alten Mann Kontakt aufnehmen. Doch der nimmt ihn gefangen. Die Sache hat aber auch etwas Gutes. Friedrich lernt Hamburgisch, Französisch, Polnisch und Latein. Allerdings kommt er nun in eine Vogelhandlung zum Verkauf.
Buckelbert Hansen, der Schrecken der Ozeane und Herrscher der Weltmeere, nun ja, jedenfalls war er das einmal, will sich nach einem gepfefferten Erlebnis mit einem riesigen Meerestier eine neue Existenz aufbauen. Dafür braucht er auch einen neuen Papagei. Den bekommt man aber nun mal nicht für einen Hosenknopf. So muss Buckelbert mit einem schwatzhaften Raben vorlieb nehmen. Und da er kein richtiger Pirat mehr ist und Friedrich kein richtiger Papagei, passen die beiden ganz gut zusammen. Die Lage ist nicht ganz hoffnungslos. Zwar hat Buckelbert absolut nichts in der Tasche. Doch Piraten haben immer einen Schatz auf einer kleinen Insel unter einem großen Baum vergraben. Fehlt nur ein Schiff, um dahin zu kommen. Buckelbert ist einfallsreich. Ganz nach Seeräubermanier wird er auch dieses Problem lösen.
Rabe Friedrich hat die Geschichte dem Autor direkt erzählt. Viele Male kam er vorbei, um Rührei zu fressen. Und der Autor hat dafür, alles was der Rabe erzählt hat, aufgeschrieben. Friedrich hat unermüdlich Seemannsgarn gesponnen und dabei kilometerdick aufgetragen und schamlos übertrieben. Dafür ist das Buch sehr fantasievoll und lustig. Die Abenteuer, die Rabe und Pirat erlebt haben, sind wirklich sensationell. Es geht über alle Maßen turbulent zu. Friedrich und Buckelbert passen wunderbar zusammen. Die guten Ratschläge des Raben Friedrich sorgen dabei immer wieder dafür, dass die Situation noch verfahrener wird und der Leser bald gar nicht mehr aus dem Staunen herauskommt. („Jungejunge, Donnerschock!“, würde Buckelbert sagen.)
Zwischendurch gibt es immer wieder deftige Seemannslieder. Und wer Labskaus und Hamburger erfunden hat, wird nun auch endlich klar. Die Originalrezepte stehen mit im Buch. Wer einen guten Magen hat und es schafft, die teilweise sehr außergewöhnlichen Zutaten zu besorgen, die man garantiert oder besser gesagt hoffentlich in keinem Kühlschrank findet, kann die Rezepte nachkochen. Das wird garantiert ein kulinarisches Erlebnis der ganz besonderen Art. (Vorher unbedingt Magentropfen besorgen oder Eimer bereitstellen!) Auch ein paar Zeichnungen gibt es im Buch. Die sind genauso frech wie die Geschichte.