Detektivgeschichten (Autor: Edgar Allan Poe)
 
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Detektivgeschichten von Edgar Allen Poe

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Edgar Allan Poes genialer Detektiv Auguste Dupin klärt mysteriöse Vorfälle und deckt düstere Geheimnisse auf. Als Stammvater aller berühmten Ermittler in der Literatur entwickelt er ausgeklügelte Verfahren zur Verbrechensaufklärung und verlässt sich auf sein logisches Kalkül und eine rationale Herangehensweise. In den Erzählungen »Die Morde in der Rue Morgue«, »Das Geheimnis um Marie Rogêt« und »Der entwendete Brief« beweist Dupin Scharfsinn und analytische Kraft.

Edgar Allen Poe schuf durch den Ermittler und den ihm assistierenden Ich-Erzähler eine Konstellation, die später Vorbild für nahezu alle folgenden Detektivgeschichten werden sollte. Nicht das Verbrechen selbst steht im Vordergrund, sondern das Rätsel, dessen Aufklärung nur mit dem Einsatz eines wachen Verstandes gelöst werden kann. Ein solches wird auch in der Erzählung »Der Goldkäfer« thematisiert, in der die Dechiffrierung einer Geheimschrift im Mittelpunkt steht. Poe beweist in den rätselhaften Geschichten sein unvergleichliches Talent für die Entwicklung mysteriöser Verstrickungen und deren kunstvolle Entwirrung - vier zeitlose Meisterstücke der Weltliteratur.

 

Rezension:

Zum 200. Geburtstag Edgar Allan Poes veröffentlicht der dtv eine Neuübersetzung seiner berühmtesten Kriminalgeschichten, die unter anderem ein ganzes Genre begründeten: Die inzwischen klassische Detektivgeschichte mit einem ungleichen Ermittlerpärchen.

In ihrem Nachwort erläutert Übersetzerin Sophie Zeitz kurz, aber prägnant, worin sie das Besondere und Neue der poe'schen Kriminalgeschichten sieht. Die Konzentration auf die Ermittlung, die sorgfältige Analyse aller Spuren, Aussagen und Fakten bringt einen ganz anderen Reiz, als das reine Beschreiben des Verbrechens oder die Suche nach Motiven. Poe lässt seinem Leser an der Lösung von unlösbar scheinenden Rätseln teilhaben – eine Methodik, die aus dem modernen Krimi nicht wegzudenken ist.

 

Die Morde in der Rue Morgue

Die erste Geschichte um C. Auguste Dupin beginnt zunächst mit einem längeren Traktat zum Wesen der Analyse, der Leser wird auf das Kommende eingestimmt und darauf vorbereitet, wie wichtig die genaue Beobachtung und Schlussfolgerungen sind. Die folgende Aufklärung des Doppelmords dienen hierfür quasi als Beispiel.

Die befreundeten Protagonisten leben in Paris das gelassene Leben von Bohèmiens. Dupin konnte dem Erzähler bereits ein gutes Beispiel seiner Fähigkeit zur Deduktion liefern, als sie von den Morden an den beiden Frauen in der Rue Morgue erfahren. Dabei reizt nicht nur die Brutalität des Verbrechens, sondern auch dessen Rätsel. So etwa das Entkommen des Täters aus der verschlossenen Wohnung oder die geheimnisvolle Sprache, die die Zeugen vernahmen.

Die Auflösung und die trickreiche Überführung des Täters in einer Art gentlemanliken Noblesse sind unbestritten der Ursprung ähnlicher Fälle von Holmes bis Columbo.

Wie auch bei den anderen Stories glänzt Poe nicht durch eine wirklich fehlerfreie Logikkette, sondern vielmehr dadurch, dass er dem Leser glauben macht, sie sei lückenlos und wissenschaftlich korrekt.

 

Das Geheimnis der Marie Rogêt

Erneut dürfen Dupin und sein Freund das Geheimnis um ein skandalöses Verbrechen auflösen. Die Ermordung eines beliebten Pariser Mädchens wird durch die Medien zum Politikum. Dupin klärt den Fall anhand einer sachlichen Analyse der vorhandenen Presseberichte und entlarvt nebenbei die verschiedenen Interessen, die hinter den jeweiligen Berichten stecken. Der mehrmals wiederholte Hinweis auf die Ähnlichkeiten zu einem realen Fall aus New York dürfte die Aufmerksamkeit von Poes Lesern erhöht haben. Diese künstliche Vermischung der Erzählebene mit einer journalistischen Investigation, führt zu einer erhöhten Glaubwürdigkeit der Auflösung. Das besondere, und heute kaum durchsetzbare, Stilmittel aber bietet der Schluss. Ähnlich wie bei Poes einzigem längeren Prosa-Werk, den Abenteuern des Gorden Pym reizt Poe damit nicht den gesamten dramatischen Umfang seiner Geschichte aus. Damit verstärkt er natürlich die anderen Intentionen und legt das Augenmerk ausschließlich auf die Analyse. Das Ergebnis, also die Benennung des Täters ist hierfür unwichtig. Mögen auch viele Puzzle-Teile aus heutiger Sicht eher trivial sein – der bissige Verriss journalistischer Umtriebe liest sich dennoch mit großem Vergnügen.

 

Der Goldkäfer

Eine zum Teil atemlose Mischung aus Schauermähr und Schatzsuche ist »Der Goldkäfer«. Der Höhepunkt ist ohne Zweifel die Decodierung des geheimnisvollen Textes der zu einem vergrabenen Piratenschatz führt.

Poe führt die Handlung zunächst schnell und unheimlich zum Auffinden des Schatzes. Der getriebene Einsiedler Legrand verfällt nach dem Besuch seines Freundes in eine merkwürdige Zerrüttung, die sich erst nach der vermeintlich dem Fieberwahn entsprungenen Schatzsuche aufklärt. Das dämonische seines Verhaltens, die Wildheit seines Benehmens, sind letztlich nur Interpretationen oder bewusste Reizung und ironisieren damit die gruselige Stimmung. Poe wird ja immer wieder unterstellt, in erster Linie ein Scherzbold gewesen zu sein, im Goldkäfer zumindest ist davon eine ganze Menge zu spüren.

Vom Biss des Käfers, bis hin zum mysteriösen geografischen Fingerzeig bietet die Story etliche Punkte, die einer genauen Betrachtung nicht unbeschadet standhalten würden, jedoch ändert das nichts daran, dass Poe hier nicht nur ganz großes Abenteuer-Theater präsentiert, sondern zudem auch mit der effektiven Herangehensweise an das Knacken des Codes unwahrscheinlich inspiriert. Ein Kind, dass nach dieser Erzählung nicht beginnt, Geheimschriften auszutüfteln und Schätze zu suchen, sollte schleunigst das Ganze noch einmal lesen!

 

Der entwendete Brief

In seiner dritten Dupin-Geschichte beschäftigt sich Poe mit der Unsichtbarkeit des Offensichtlichen.

Die missliche Lage, in die eine hochgestellte Persönlichkeit durch die Diebstahl eines Briefes geriet, kann die Pariser Polizei nicht beenden. Obwohl der Dieb bekannt ist und die Gewissheit zu bestehen scheint, dass der Brief sich im Haus des Täters befinden müsse, wird der Brief selbst nach mehrmaliger akribischer Suche nicht gefunden. Bis Dupin sich der Sache annimmt, natürlich.

Die Brillanz, mit der der Ermittler das offensichtliche aufdeckt und mit der er den Dieb wiederum bestiehlt, mag aufgesetzt wirken, ist aber wiederum amüsant und unvergesslich. Der Beweis für die Notwendigkeit, sich in seinen Kontrahenten hinein zu versetzen, seine Denkweise zu analysieren und in einem geschickten Plan gegen ihn zu verwenden, begründete jene Art der meisterlichen Konfrontation auf geistiger Ebene, die sich völlig durch das Fehlen von Gewalt auszeichnet.

 

Fazit:

Wer noch keine von Poes »Tales of Ratiocination« gelesen hat, oder sie wiederlesen wollte, kann bei dieser Taschenbuchausgabe nichts falsch machen. Die dtv Klassiker Ausgaben zeichnen sich durch profunde Übersetzungen, eine passende Zeittafel zur Werksgeschichte sowie kurze, aber prägnante Nachwörter aus, die auch hier in Verbindung mit einem günstigen Preis zu einer makellosen Edition führen. Hinzu kommt, dass Poes Detektivgeschichten zeitlos sind und ihre Faszination in all den Jahren nicht verloren. Sie setzen sich im Gedächtnis fest, und sei es auch nur als dezente Ahnung, auf keinen Fall aber wird man sie vergessen können – und das ist der wahre Trick an Poe, er kontrolliert unser Denken, unser Fühlen und erschafft damit Welten jenseits des Bekannten.

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Buch:

Detektivgeschichten

Autor: Edgar Allan Poe

Neuübersetzung

Übersetzerin: Sophie Zeitz

Dtv, Januar 2009

Taschenbuch, 223 Seiten

Titelbild: Andrea Ventura

 

ISBN-10: 3423137258

ISBN-13: 978-3423137256

 

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 19.01.2009, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 17:30, 8129