Die bösen Dritten: »Wir sind viele!«
 
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Die bösen Dritten: »Wir sind viele!«

Artikel von Karin Reddemann

 

Quint ist ein rauer Kerl. Seebär. Jäger. Marine-Kriegsveteran, der seine Kameraden im Meer hat sterben sehen. Zerrissen, gefressen. Todesangst. Todeskampf. Sinnlos. Aus. Scheußliche Bilder spuken in seinem Kopf. Er will den Killer töten.

Er sagt: »Es war nicht die Schiffschraube. Es war nicht Jack the Ripper. Es war ein Hai.«

Und er sieht Dich scharf an und spricht heiser:

 

»Da ist etwas Eigenartiges an ihm: Er hat leblose Augen, böse dunkle Totenaugen. Wenn du ihm in die Augen siehst, dann denkst du, er lebt nicht, bis er dich beißt. Diese bösen, dunklen Augen rollen herum, bis sie ganz weiß sind, und dann hörst du dieses furchtbar schrille Gebrüll. Und die See färbt sich rot.«

Im Schaurigen flegeln

So war das … Gut? Aber sowas von gut. Großes Kino. Echter Horror. Mächtig Angst. Der weiße Hai ist 1970er Trauma pur plus phantastisch par excellence. Ein dritter Film. Einer von den absoluten.

 

Es waren die phantastischen 80er. Drei Filme für den Video-Abend hatten wir, dazu Flips, Cola, Dosenbier, Rotwein im Tetrapack, Schokolade. Duplos, Hanutas, Mars und Milka. Wolldecken auf dem Boden verteilt, wir wollten nicht wie die Hühner auf der Stange sitzen, wir wollten gemütlich im Schaurigen flegeln. Und diese drei Filme gucken: Komödie. Action. Böses, blutiges Zeug. Immer in dieser Reihenfolge. Zuletzt kamen die Schauer-Highlights als Ehrensache. Nervensache. Wir wollten Horror. Richtigen. Bekamen ihn, wenn Körper gefressen wurden und Matthew Bennell doch noch schrie.

Wenn Regan MacNeil fluchte und schwebte, sich verrenkte und bekannte:

 

»Wir sind viele.«

 

Wenn Jack Torrance diabolisch grinste und zum Beil griff. Und Dr. Loomis sagte:

 

»Ich traf auf ein 6-jähriges Kind, mit einem blassen, farblosen, emotionslosen Blick und den schwärzesten Augen. Teuflischen Augen. (…) Ich wusste zu gut, was sich hinter diesen Augen verbirgt … das absolut Böse.«

 

Es gab auch dritte Filme, die waren weniger magisch. Das gehörte dazu. Wir suchten nach Propaganda aus bitterböse begeistertem Munde, manchmal aus nicht so finster bewanderter Quelle, da wurde dann dreimal über die linke Schulter gespuckt: Bitte jetzt bloß nicht blödester Billig-Horror!

Schnappen nach den »Hundemarken«

Kino-Kritiken studierten wir nachlässiger, Cover-Texte wurden mit fester Stimme vorgelesen. Und achselzuckend nahmen wir denn auch schon mal, was übriggeblieben war. Wo in der Horror-Ecke noch die »Hundemarken« hingen, die uns sagten, dass Die fliegende Guillotine und Die weiße Göttin der Kannibalen noch ausgeliehen werden können. Gab, gibt Schlimmeres, ist immer eine(r) in der Runde dabei, der panisch gellt und mitzucken lässt. Kläfft ein wildgemachter Pinscher, werden alle Riesenschnauzer und bellen. Oder winseln zitternd in der Ecke. So läuft, lief das. Show-Time für die Truppe. Der dritte Film: Immer gegen Mitternacht. Wenn die Party am schönsten und die Studentenbude vollgequalmt ist, schlägt die Turmuhr, rauscht der Wind, färbt sich die Pupille, blitzt das Messer.

 

Die Mega-Schocker bestellten wir vor. Der solariengebräunte Ex-Schalker hinter’m Ladentresen, der mit »Mannis Videos« den Zeitgeist pulsieren ließ, bunkerte für die Stammkundschaft. Da gehörten wir zu, auch als Nur-Wochenend-Gucker. Denn wir wussten, dass Jason ihr Sohn war, der heute Geburtstag hat und sich wünscht:

»Töte sie, Mami, töte sie!« Auch das. Auch er. Natürlich. Freitag, der 13.

»Wird wohl widerlich sein!«

Gut war/ist das. Böses. Absolut. Kein Wühlen in Innereien. Kein Rädern im Penthouse. Kein Zersäbeln, Zersägen, Zerschneiden. Durchbohren. Durchbeißen. Romero war da außen vor. Ansonsten liebten wir herumirrende Leichen auf Schiffen, Spinnen, Monsterechsen und Durchgeknallte ohne Drang zum extrem Abartigen. Grusel vom Feineren. Irgendwie.

 

Den Schlitzer wollte Psychologiestudent Bosse auf keinen Fall sehen. Allein der Titel … »Wird wohl widerlich sein«, sagte er und schüttelte sich. »Ganz furchtbar.« Er guckte dann gequält, aber kooperationsbereit doch mit, es war Videoabend, da waren Chips, gut Tequila, die besten Freunde und jede Menge Kissen, die man sich vor die Augen, am besten vor das ganze Gesicht drücken konnte. Im Original klingt »Der Schlitzer« zwar geheimnisvoller, aber müder – House on the Edge of the Park –, und den Titel hätte man zwar getrost für die Sensiblen lassen können, aber das Blutversprechen nannten wir gern beim Namen.

 

Aus einfach nur Bees wurde Operation Todesstachel, das schrie sofort natürlich nach bissig bester Panik. Die sollte sein. Wir warfen den Film rein und zogen ihn durch, er war unantastbar einer von ihnen. Es war nach Mitternacht. Die Käuzchen schrien, die Wölfe heulten, die Kellertreppe wartete. Es roch nach Moder, Blut und Schweiß und sehr viel Spaß dabei.

 

Horror stand immer an dritter Stelle. An der letzten. Ungekrönt, aber unverrückbar. Highlight eines jeden Videoabends, den nur den seufzen lässt, der so etwas mitgemacht hat. Die 1990er komplett verpasst? Einwandfrei zu spät geboren. Manchmal ist so etwas bedauerlich. Tröstend aber, wenn trotzdem auch zukünftig noch stirnrunzelnd sinniert wird:

 

»Ist alles, was wir sehen oder scheinen, nichts als ein Traum im Traum?«

Poe, The Fog, 1980

 

Wir Oldies kennen die Antwort. Lange schon.

Aus Bosse, der nicht Psychologe, sondern Musikmanager wurde und Jaws als aktuellen Handy-Klingelton hat, machte der geisteskranke Max aus dem »Schlitzer« einen harten Kerl. Er besorgte uns Cannibal Holocaust, Muttertag, den The Boogey Man, Man Eater, das Death Ship, Ein Zombie hing am Glockenseil, den Bohrmaschinenkiller und, ganz großes Kino, Tanz der Teufel mit Griff in die verbotene Zone nebst Nightmare on Elmstreet.

 

»Sein Name ist Freddy Krueger. Er liebt Kinder und besonders kleine Mädchen. Freddy kommt wieder. Er wird schon bald stark genug dafür sein. Du darfst ruhig Angst haben. Wir hatten alle Angst. Warn’ deine Freunde! Warn’ alle Menschen!«

Mark :Brendan Fletcher

 

War’n gute Zeiten. War’n gute dritte Filme. Einprägsames Zeug. Wird heute noch von gezehrt, trotz phantastischer Meilen American Horror-Story, die lange Nächte für sich allein brauchen. Auch schon irgendwie wieder schmutzig-sauberer Schauderschnee von gestern. Was soll’s? Wir speichern ALLES, und wir sind VIELE!

»Schlaf nicht ein bei Nacht!«

Und ohne Reue traumatisiert flüstern, reimen, rufen wir das hier aus einem unserer sensationellen, unvergessenen dritten Filme immer noch und weiterhin, bis wir nichts mehr wissen wollen:

 

Eins, zwei – Freddy kommt vorbei.

Drei, vier – schließ ab deine Tür.

Fünf, sechs – nimm dein Kruzifix.

Sieben, acht – schlaf nicht ein bei Nacht.

Neun, zehn – du sollst nicht schlafen geh’n!

 

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Erstellt: 24.07.2023, zuletzt aktualisiert: 09.04.2024 19:17, 22063