Die geheimnisvolle Insel (Autor: Jules Verne)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Die geheimnisvolle Insel von Jules Verne

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Der amerikanische Bürgerkrieg: Cyrus Smith und einigen Mithäftlingen gelingt die Flucht in einem Ballon aus einem Gefangenenlager. Nach einem langen Irrflug stranden sie auf einer scheinbar verlassenen Pazifikinsel. Cyrus und seine Gefährten richten sich auf dem Eiland ein. Doch sie sind nicht alleine. Ein Unbekannter rettet ihnen mehrfach das Leben. Wer ist dieser Fremde, und was führt er im Schilde? Wird Cyrus und seinen Freunden jemals die Flucht von der Insel gelingen?

 

Rezension:

"Die geheimnisvolle Insel" zählt vielleicht nicht zu den bekanntesten Romanen Jules Vernes, jedoch ohne Zweifel zu den reizvollsten.

Der amerikanische Bürgerkrieg (1861 bis 1865) bildet den geschichtlichen Hintergrund. Aus der belagerten Hauptstadt der Konföderation, Richmond, gibt es für fünf Männer keinen anderen Ausweg als ein Ballon, der jedoch während eines fürchterlichen Sturmes nicht in die Freiheit fliegt, sondern weit darüber hinaus, was sie aufgrund des schlechten Wetters erst bemerken, als es zu spät ist. Knapp erreichen sie Land, bevor der leckende Ballon endgültig den Geist aufgibt. Mit Betrübnis müssen die Gestrandeten jedoch feststellen, dass ihr klügstes Mitglied, der Ingenieur Cyrus Smith nicht unter ihnen weilt. So gut es geht, richten sie sich am Strand ein und stellen schon bald fest, dass sie sich auf einer Insel befinden.

Nun aber beginnt eine Reihe erstaunlicher Ereignisse. Der auf wundersame Art und Weise gerettete Smith wird gefunden und nachdem er wieder zu Kräften gekommen ist, beginnt er seine Kenntnisse dafür zu nutzen, die komplett mittellosen und nur mit der Kleidung am Leib ausgestatteten Männer für das Inselleben auszurüsten.

Verne legt dabei seinen Figuren jede Menge natürliche Ressourcen in den Schoß, die sie nur unter fachkundiger Anleitung ausbeuten müssen. Von Ton für Ziegelsteine über Steinkohle und Eisenerz bis hin zu Heilpflanzen steht den sich nun Kolonisten nennenden Flüchtlingen alles Notwendige zur Verfügung, um mit Fleiß und Schweiß alles Nötige herzustellen. Immer wieder wird der zivilisationsgeprägte Leser damit verblüfft, wie einfach doch manche Sachen anzufertigen sind, wenn man die nötigen Kenntnisse in Chemie, Biologie und Physik besitzt.

Selbst Nitroglyzerin mischen sich die Männer schon bald und sie formen das Antlitz der Insel nach ihren Wünschen um.

Besonders die vielen anschaulichen Beispiele, in denen sich der Ingenieur die Natur zum Diener macht und somit die Überlegenheit des Geistes demonstriert, bilden den interessantesten Teil des Romans. Der Zeitgeist der industriellen Revolution spricht aus jedem Kapitel. Der Mensch ist Imstande, mit fast nichts Großartiges zu vollbringen.

Allerdings ist Vernes Technikenthusiasmus nicht grenzenlos.

Der unbekannte Förderer der Kolonie hat ja keinen geringen Anteil daran, dass sich für die Männer alles zum Guten wendet. Im Prinzip spielt er über den Großteil des Romans die Rolle eines Gottes, der seine Schöpfung behütet und ihnen aus der Not hilft. Vernes Auftrag, Bücher für die gebildete Jugend zu schreiben, verlangte von ihm zwar, dem Fortschritt und der Technik breiten Raum zu bieten, seine eigene Gläubigkeit blitzt aber immer wieder auf.

So ist es denn auch eine unkontrollierbare Macht, die die Arbeit des Menschen vernichtet.

Zwar bauen die Geretteten später in einem Nachkriegsamerika ihre Kolonie neu auf, aber dieses Ende ist eher ein Trost für den Leser und verblasst angesichts der vorhergehenden gewaltigen Katastrophe.

 

Mit Kapitän Nemo und dem auf der Insel Tabor ausgesetzten Verbrecher Ayrton tauchen in "Der geheimnisvollen Insel" Figuren aus zwei anderen Werken Vernes auf. "Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer" und "Die Kinder des Kapitän Grant" erhalten somit eine Fortsetzung und erstaunliche Verknüpfung, in der es um Buße und Vergebung geht. Verne beweist damit vielleicht finanzielles Kalkül, indem er zwei seiner berühmtesten Figuren wieder verwendet, er hat allerdings hier nun auch die Möglichkeit, diese Figuren abzurunden, ihre Kanten zu glätten. Vielleicht in christlichem Harmoniebegehren, vielleicht um seinem Publikum eine Lektion zu erteilen. Niemandem, sei er noch so schuldig, ist die Chance verweht, sich zu ändern und durch gute Taten Buße zu leisten.

 

Nicht ganz chancengleich geht es im Übrigen für den einzigen Schwarzen der Gruppe zu. Zwar kann Nab als Koch seinen Anteil zum Überleben beitragen, aber stets bleibt er der Diener, sowohl intellektuell, aber auch was den aktiven Anteil an der Handlung betrifft unterliegt die Figur der zeitgenössischen Diskriminierung. Das wird umso deutlicher, als mit Jup ein Menschenaffe zu den Kolonisten stößt und besonders mit Nab Freundschaft schließt. Selbst die einsilbigen Namen verdeutlichen hier eine Art Verwandtschaft, die aus heutiger Zeit geschmacklos wirkt, zu Vernes Lebzeiten wohl eher als köstlicher Einfall galt.

 

Bei Neuausgaben von Jules Vernes Werken verwenden viele Verlage klassische Illustrationen früherer Ausgaben, Lübbe bietet leider nicht einmal eine Karte der Insel, was wirklich schade ist. Vielleicht konnte so ein niedrigerer Preis für das doch recht umfangreiche Taschenbuch erzielt werden, und es gibt ja auch sehr viele Leser, die sich nicht durch Zeichnungen in ihrer Fantasie einschränken lassen wollen, jedoch hier hätte man nicht sparen sollen. Lübbe hat für die Einbandgestaltung zwar eine ansprechende Form gefunden, leider passt das Bild nicht zum Buch.

 

Fazit:

Die geheimnisvolle Insel ist eine lehrreiche und spannende Robinsonade, die weder Staub noch Patina angesetzt hat. Jules Vernes Werke werden wohl nie aus den Programmen der Verlage verschwinden und wer wissen will warum, könnte mit dieser Ausgabe preiswert herausfinden, warum das so ist.

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042509381415930341
Platzhalter

Buch:

Die geheimnisvolle Insel

Autor: Jules Verne

Original: L' Ile mysterieuse, 3 Bände 1874/75

Lübbe, 12.06.2007

Neubearbeitung der Ausgabe von A. Hartleben, Wien/Pest/Leipzig, Collection Verne, 1900

Taschenbuch, 668 Seiten

ISBN-10: 3404157095

ISBN-13: 978-3404157099

Erhältlich bei: Amazon

 


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 28.08.2007, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 4767