Die Reise zum Stern der Beschwingten (Autor: Gerhard Branstner)
 
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Die Reise zum Stern der Beschwingten von Gerhard Branstner

Schilderung der galaktischen Erfahrungen etlicher Erdenmenschen, die versehentlich in die Milchstraße geraten sind, nach mancherlei erlittenem Ungemach aber wieder glücklich daheim anlangen

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Ein Raumschiff, das Bommel heißt, dessen Besatzung sich die Bommelanten nennt und in der Milchstraße unterwegs ist, um dort das Exil der Marsmenschen zu finden – ganz klar, dieser Roman hat es in sich. In ganz besonderem Maße aber Heiterkeit.

 

Pilot Schimansky startet in das Unternehmen mit einem Stullenpaket unter dem einen und Filzpantoffeln unter dem anderen Arm. Sein Freund Piccolomini fasst die Situation vor dem Start zusammen: »Ich hatte von Anfang an das Gefühl, daß man sich höhern Orts nicht viel von dieser Expedition verspricht. Daß man uns aber die alte Bommel gibt, ist gerade zu bedenklich.«

Wenn nicht die Hoffnung der Welt in der Expedition liegt, kann man die Sache auch ruhig angehen. Mit von der Partie sind weiterhin Expeditionsleiter Professor Hedderich, natürlich verschusselt, Bierbauchträger Weynreich und der schweigsam haarlose Rinstone, um den sich bald das Geheimnis der Reise entwickelt, war er doch schon einmal am Zielort, der Corinna.

 

Zunächst aber führt sie ihre Suche nach den verschwundenen Marsmenschen in einen Kampf mit Robotern, in die Arme von Menschenfressern, in den Fokus von Vogelmenschen, in das Reich trübsinniger Wasserbewohner und zu den bequemen Schwätzern von Bilbomane, wie Corinna dort heißt.

 

Marsmenschen findet man jedoch keine. Dennoch strotzt eine jede Begegnung vor Ironie, oder besser beschwingter Heiterkeit, wie das Geheimrezept des Lebens am Ende des Buches definiert wird.

 

Dabei gibt sich dieser 1968 erschienene Roman erfreulich unpropagandistisch.

Was im Verlagswesen der DDR nicht ganz einfach war, wurde doch der Sieg des Kommunismus für eine Zukunft vorausgesetzt, genauso wie eine führende Rolle der Sowjetunion und ihrer Menschen. Die Reise zum Stern der Beschwingten entwirft nur im Hintergrund eine Gesellschaft, recht substanzlos und eher in den ironischen Spiegelungen, wie etwa der bereits zitierten Äußerung von Piccolomini.

 

Gerade mal beim einzigen, in einer Klassengesellschaft lebenden Volk, den Wassermenschen von Aquavox, kann man Gesellschaftskritik wahrnehmen: Der Unmut der Bevölkerung äußert sich in einer illegalen politischen Versammlung, die die Bommelanten belauschen. Ein Agitator lässt die Konspiration mit einer grandiosen Rede platzen:

 

»Meine Herren Klassenkämpfer! Wir wollen die Kapitalisten stürzen. Worauf warten wir noch? Der Feind ist bekannt, schlagt ihn wo ihr ihn trefft! Gebt ihm Ohrfeigen von gewaltiger Klebkraft. Benutzt dazu KULLERMANNS ALLESKLEBER und der Sieg wird unser sein. Die Weltrevolution ist eröffnet!«

 

Zwar zieht hier ein kapitalistischer Staatsdiener die revolutionären Bemühungen ins Lächerliche und bleibt somit handlungsformal für den DDR-Leser der Bösewicht. Aber ohne Zweifel wird er sich noch recht oft an den Alleskleber erinnert haben, wenn er ähnliche Phrasen in den DDR-Medien vernahm.

 

Im Interview klärte Branstner 2005 dann auch über die »Kapitalisten« auf. Im Originalmanuskript hießen sie noch Kapitalonen. In der beim Trafo Verlag Berlin erschienen Werkausgabe korrigierte er dies, wie er betonte, die einzige Änderung. Nun heißen die Kapitalisten wieder Kapitalonen.

 

Eine Einordnung des Werkes in die DDR-Science-Fiction findet sich in Angela und Karlheinz Steinmüllers Vorgriff auf das Lichte Morgen:

 

»Der sich abzeichnende Bruch zum Raumfahrtroman wird noch deutlicher mit Gerhard Branstners ›Die Reise zum Stern der Beschwingten‹ (1968). Nach über einem Jahrzehnt prognostischen Ernstes wird der heldenhafte Weg in All von Branstner humoristisch auf die Schippe genommen.«

(Steinmüller, Angela und Karlheinz: Vorgriff auf das Lichte Morgen. Studien zur DDR-Science-Fiction. EDFC 1995, S.24f)

 

Im eigentlichen Sinne ist Branstners Roman eine Space Opera. Sie funktioniert ohne besondere technische Finessen oder physikalische Erklärungen. Doch Branstner, kein Freund der Untertreibung, widerspricht vehement der Behauptung, er schriebe keine Stories um Wissenschaft und Technik.

 

Er beginnt seinen Beweis mit einer Anekdote: Als er mit Günter Krupkat, einem Vertreter der Hard-SF in der DDR, bei einer Veranstaltung war, behauptete Krupkat: »Du verstehst doch nichts von Technik!«

Worauf Branstner konterte: »Nur weil Du nichts davon verstehst, verstehst Du nicht, dass ich etwas davon verstehe!«

 

Gerade in »Die Reise zum Stern der Beschwingten« sei eine Unmenge technischen Wissens eingeflossen. Allein schon die Form einer Kugel mit drei Schalen für das Raumschiff Bommel habe er, als größter Physiker, gewählt, weil die Kugelform die physikalisch sinnvollste und eine perfekte Wahl sei.

 

Dennoch ist wohl allein die Heiterkeit der Brennstoff, der die Bommel durchs All schubst, vielleicht die wichtigste Erklärung, warum der Roman zeitlos ist und seine Leser auch so viele Jahre nach seinem Erscheinen noch zum Lachen bringt.

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Buch:

Die Reise zum Stern der Beschwingten

Autor: Gerhard Branstner

Hinstorff Verlag, 1968

Gebundene Ausgabe, 213 Seiten

Cover: Eberhard Binder

 

ISBN-10: 3356003283


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Erstellt: 03.01.2021, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 19340