Rezension von Christian Endres
Poe interessiert ihn schon seit Langem. Jetzt hat sich der Literaturprofessor und freie Autor Hans-Dieter Gelfert daran gemacht, eine fachkundige Biografie von Edgar Allan Poe zu schreiben. Damit leiten Gelfert und der Münchner C. H. Beck Verlag gewissermaßen die literarischen Geburtstagsgeschenke und Feierlichkeiten zu Poes 200. Geburtstag am 19. Januar 2009 ein, der den Fans des Meisters des Makaberen einige Buch-Präsente beschert.
Auch Poe-Biografien gibt es nicht wenige oder erst seit gestern, und Gelfert ist auch nicht der erste, der sich an das Leben des glücklosen Literaten und schwierigen Menschen Poe heran wagt. Diese Vorstellung wird aber auch gar nicht erst erzeugt: Schon im Vorwort zu seiner lesenswerten Betrachtung der Wechselbeziehung von Leben und Werk der tragischen Mensch/Dichter-Figur Edgar Allan Poe lobt Gelfert die Arbeiten seiner Vorgänger als wegweisend und erwähnt er sie als hervorragende Quellen. Damit – und spätestens mit dem Interview – wird dann auch klar, worum es dem neuzeitlichen Poe-Biografen aus Deutschland letztlich ging: Poe in einen historischen bzw. zeitlichen Kontext rücken – und die Umstände von Poes schwierigem, entbehrungsreichen, tendenziell selbstzerstörerischen und von Hunger, Verlust und Wahn geprägten Leben mit seinem schriftstellerischen Werk in Verbindung setzen.
Das Abhandeln der historischen Rahmenbedingungen gelingt Gelfert auf wenigen Seiten und wird zu einem stimmigen Exkurs in die Geschichte der jungen Demokratie der Vereinigten Staaten, gegen die Poe, in seinem Herzen Südstaatler durch und durch, in seinen Satiren und Grotesken so gerne gewettert hat. Nachdem somit erst einmal definiert ist, vor welchem Hintergrund das Drama seinen Lauf nahm, nimmt sich Gelfert in klassischer Chronologie Poes Leben vor: Von der Kindheit bei Pflegeeltern bis zu seinem viel zu frühen Tod mit nur 40 Jahren, als der modernste der amerikanischen Schriftsteller in Baltimore ins Delirium fiel und nicht mehr erwachte – die prägenden und wichtigen Stationen in Poes Leben werden informativ abgehandelt und durch die Aussagen von Zeitzeugen oder Briefkorrespondenzen verdeutlicht.
Die große Stärke von »Edgar Allan Poe – Am Rande des Malstroms« ist die Schärfe des Skalpells, mit der Gelfert Poes Leben seziert und in einem Zusammenhang mit Poes Wirken als Autor bringt. Alles wirkt sehr akkurat und gut recherchiert – und so muss das für eine wirklich gute Biografie eines so bedeutungsvollen Schriftstellers wie Poe natürlich auch sein. Wenn die Lebensschau dann noch so flüssig geschrieben ist wie in diesem Fall und die Sachbuch-Lektüre wirklich durchgehend Spaß macht, gibt es nicht viel zu meckern – Infotainment mit wissenschaftlichem Anspruch, so wie es sein sollte.
Hans-Dieter Gelferts Poe-Biografie ist also ein sehr präziser Blick – sowohl auf Poes von mehr Tiefen als Höhen geprägtes Leben im Einflüsterungsbereich seines ganz persönlichen Kobold des Perversen, als auch auf die Art und Weise, wie Poes Lebensgeschichte bzw. -umstände mit seinem Schaffen zusammen hingen.