Eiskalt Erwischt (Autor: Dan Simmons; Joe Kurtz 1)
 
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Eiskalt Erwischt von Dan Simmons

Reihe: Joe Kurtz 1

 

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Horror, Fantasy, Science Fiction, Historisches: Schubladendenken ist Dan Simmons seit jeher fremd gewesen. Mit der Wandelbarkeit eines Chamäleons erfindet sich der Mann seit gut drei Jahrzehnten stets von neuem – wobei besagte Reptilien gewiss keine World Fantasy, Hugo oder Bram Stoker Awards in ihren Trophäenschränken stehen haben.

Mit Eiskalt Erwischt lernen wir nun eine neue Seite des einstigen Lehrers kennen. Aber: Bereits seine Widmung an den verstorbenen Donald Westlake beziehungsweise dessen Alter Ego Richard Stark (Stephen Kings Antagonist besaß nicht zufällig den gleichen Namen) macht deutlich, dass dies kein normaler Krimi ist. Hardboiled und Noir lauten die Gebote der Stunde; hierzulande leider immer noch Subgattungen, die ganz klar unter Wert verkauft werden. Christa Faust brachte es einst in einem Interview präzise auf den Punkt: »In Noir you’re fucked.« So isses.

Als Protagonist ist man in besagter, von Gewalt, Zynismus und politischer Unkorrektheit definierten Fiktivwelt, nun ja … eben angeschissen. Doch macht gerade dies ein Gros des Hardboiled aus. Wo sich andere Schriftsteller in blutleeren, risikoarmen und mitunter schmerzhaft zähen Elaboraten vergehen, müssen »hart gekochte« Krimis praktisch ab Seite eins aufs Gaspedal drücken, den Leser mitreißen und keine Gefangenen nehmen – im doppelten Sinne. Ferner lebt diese Gattung durch präzise, knappe Dialoge und einer geradlinigen, niemals ausufernden, aber keineswegs schlichten Prosa. Attribute, die Simmons in der Vergangenheit eher in überschaubarem Maße unter Beweis gestellt hat. Erste Zweifel sind demnach durchaus erlaubt.

Sein »angeschissener« Anti-Held hört auf den Namen Joe Kurtz – und der landet erst mal für zwölf Jahre im Bau. Nachdem er den Mörder seiner Partnerin mit gleicher Münze bezahlt hatte. Kaum draußen, wendet sich der frühere Privatschnüffler ausgerechnet an eine der denkbar unseriösesten Adressen: Byron Tatrick Farino, Kopf der Farino-Familie. Ein Mafiaoberhaupt, für alle Laien. Da eine Hand bekanntlich die andere wäscht und Kurtz im Kittchen einen Gefallen für Farino erledigt hatte, erhofft sich der einstige Detektiv im Gegenzug etwas Dankbarkeit von dem alten Mafiosi. Am besten in Form eines neuen Auftrags. Und da gibt es tatsächlich eine Sache, in der Klärungsbedarf besteht. Denn seit kurzem fehlt von Farinos Buchhalter, Buell Richardson, jede Spur. Wurde er ermordet? Hat er sich abgesetzt? Macht er gemeinsame Sache mit dem FBI? Fragen, die dringend beantwortet werden müssen. Kurz, logischerweise alles andere als wählerisch in Bezug auf seine Klienten, willigt ein – ahnt aber nicht, was ihm bevorsteht. Nicht, dass ihm jene moralfreie Zone, in der er sich fortan bewegt, fremd ist. Doch die Woge aus Profikillern, Schmugglern und hinterfotzigem Mafiapersonal ist selbst für ihn ganz schön erdrückend …

 

Erwähnte ich vorhin tatsächlich den Begriff »Zweifel»? Nun ja, allerspätestens nach Beendigung des ersten Kapitels sollten diese obsolet sein. Mit der Präzision eines Scharfschützen schmettert uns Simmons in seinen harten, gewalttätigen und nicht nur von der Jahreszeit her kalten Mikrokosmos. Wie sein besagtes Vorbild kommt der Mann ohne große Umwege stets direkt auf den Punkt. Da ist kein Wort zu viel; nicht mal ein i-Tüpfelchen. Von Anfang an befindet sich »Eiskalt erwischt« auf der Überholspur; werden die Dialoge mit der Feuerkraft eines Maschinengewehrs abgefeuert, ebenso die zahlreichen Actionparts. Es ist absolut beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit, welcher Expertise Simmons auch dieses Genre meistert. Freilich hat man gewisse Anforderungen an solch einen Roman. Die klassische Femme Fatale? Verrückte Albino-Killer? Hinterwäldler mit einer Affinität für Mord? Ja, ja und nochmals ja. Sogar für eine überzeugende, spannende Hommage ans Schweigen der Lämmer reicht’s. Und nichts davon dient dem puren Selbstzweck, selbst die überzeugenden humoristischen Passagen nicht. Trotzdem misst Simmons dennoch nicht die Gelegenheit, den Leser regelmäßig hinters Licht zu führen und/oder mit unerwarteten Wendungen zu überraschen.

 

Fazit:

Lamentieren ist nichts für Joe Kurtz. Der Mann kommt gleich zur Sache. Hart, konsequent, gnadenlos. Mit »Eiskalt erwischt« beweist Dan Simmons, dass er auch im Hardboiled-Genre über jeden Zweifel erhaben ist. Ich bin mir sicher, irgendwo über uns sitzt ein breit grinsender Donald Westlake auf seiner Wolke und nickt zustimmend.

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Buch:

Eiskalt Erwischt

Autor: Dan Simmons

Reihe: Joe Kurtz 1

Originaltitel: Hardcase

Autor: Dan Simmons

Übersetzer: Michael Plogmann

Taschenbuch, 336 Seiten

Festa-Verlag, 14. November 2012

 

ISBN-10: 386552186X

ISBN-13: 978-3865521866

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B009XJR3TU

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

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Erstellt: 09.12.2012, zuletzt aktualisiert: 25.07.2022 18:56, 12876