Fantastische Welten von Philipp Schulze und Oliver Noelle
Die Geschichte des Fantasy-Films und des Science-Fiction-Genres
Rezension von Ingo Gatzer
Fantasy und Science Fiction zählen rein visuell wahrscheinlich zu den spannendsten Genres, die das Medium Film zu bieten hat. Durch oft völlig andersartige Umgebungen und Settings entführen sie das Publikum häufig in ganz neue, aber auch in erschreckend nahe dystopische Zukunftsentwürfe . Mit Fantastische Welten – Die Geschichte des Fantasy-Films und des Science-Fiction-Genres widmet sich ein Buch genau diesen beiden Filmgenres. Da als Autoren gleich mehrere Fachleute der Filmzeitschrift cinema agieren, dürfte das Know-how kein Problem sein.
Das Buch stellt zunächst die Geschichte des Fantasy- und danach die Historie des Science-Fiction-Films vor. Dabei gehen die Autoren chronologisch vor und beleuchten immer wieder sehr anschaulich Filme, Techniken und Entwicklungen, die das jeweilige Genre geprägt haben. Danach folgt jeweils eine Top 50 mit kurzen oder längeren Artikeln zum jeweiligen Film. Immer wenn es um den Themenkomplex Film geht, sind die Texte sehr kenntnisreich geschrieben. Als Auflockerung dienen dabei oft kleine Anekdoten. Terminator beruht beispielsweise auf einem Fiebertraum von James Cameron und das Drehbuch zu Zurück in die Zukunft wurde zuvor 44-mal abgelehnt. Am Rande finden sich zudem kurze Artikel zu bedeutenden Autoren, Filmschaffenden oder cineastischen Themen.
Positiv zu bewerten ist die Tatsache, dass auch mehrere Anime-Meilensteine – etwa Chihiros Reise ins Zauberland oder Akira – in den Bestenlisten enthalten sind. Denn andere Veröffentlichungen zum Thema Film vernachlässigen diesen Bereich teilweise noch immer sträflich. Zahlreiche – oft großformartige – Bilder sorgen zudem dafür, dass Leserinnen und Leser einen Eindruck über den jeweiligen Film erhalten. Beachtung finden sowohl Klassiker (Metropolis) als auch aktuelle Verfilmungen (Dune). Neben Blockbustern (Avatar) sind auch weniger bekannte Streifen (Tides) enthalten. Bei der Mehrheit der Einstufungen in die Top 50 dürften Filmfans zustimmen.
Allerdings ist auch etwas Kritik am Buch angebracht. So erschließt sich bei der Lektüre die Entscheidung, Fantasy und Science Fiction in einem einzigen Buch zu behandeln, nicht ganz. Beide Bereiche behandeln die Autoren dann auch säuberlich getrennt. Dass es sich um benachbarte Genres behandelt, überzeugt da nicht. Denn das gilt ja etwa auch für andere Genres – etwa »Horror«. Zwei getrennte Veröffentlichungen wären hier die bessere Wahl gewesen. Das hätte auch den Vorteil, dass der Titel nicht so sperrig daherkommt und alle Filme die gebührende Behandlung bekommen könnten. Denn leider ist der Raum, den die einzelnen Werke in den Top 50 erhalten, sehr unterschiedlich. Während die Macher einigen Filmen Doppelseiten zubilligen (Der Zauberer von Oz) erhalten andere nur einen einzigen Satz (Die Insel der besonderen Kinder). Überhaupt ist nicht immer klar, was die Top 50 eigentlich aussagen soll. Mal scheinen es die besten und dann wieder die einflussreichsten Filme zu sein – was ja nicht das gleiche sein muss. Vielleicht verwundern auch deswegen einzelne Platzierungen in der Bestenliste – etwa Willow, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, Erik, der Wikinger oder Independence Day. Dafür finden sich einige bekannte Werke – wie Die Ritter der Kokosnuss oder Uhrwerk Orange – nicht in den Top-Listen. Überhaupt ist auch der Versuch einer gewisse Ausgewogenheit sichtbar. So taucht von bekannten Reihen immer nur genau ein Film in den Bestenlisten auf. Bezüglich Einfluss und Filmqualität wären da sicherlich oft mehr gerechtfertigt. Dementsprechend ist zwar das Finale, aber nicht der Anfang der Herr der Ringe-Trilogie enthalten.
Am Rande sei noch erwähnt, dass die Autoren manchmal auf Abwege geraten, wenn sie den Bereich des Films verlassen und etwa zur Literatur kommen – die ja oft als Filmvorlage dient. So ist es – anders als behauptet – sicherlich nicht der Fall, dass das Genre der (literarischen) Fantasy allgemein in »Lovecraftian Fantasy« und »High Fantasy« zweigeteilt wird. Leider fehlt am Ende des Buches auch ein Register.
Fazit:
Trotz einiger Schwächen ist »Fantastische Welten – Die Geschichte des Fantasy-Films und des Science-Fiction-Genres« eine höchst unterhaltsames Buch, in dem nicht nur eingefleischte Filmfans mit Genuss und Gewinn schmökern können.
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