Golem (Autor: Matthew Delaney)
 
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Golem von Matthew Delaney

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Matthew wer? Delaney? Ja, da klingelt was … Und tatsächlich: Es war vor fast genau fünf Jahren, als Delaneys Romandebüt, Dämon, hierzulande veröffentlicht wurde. Mit Versatzstücken aus Der Soldat James Ryan, einer Prise Alien und diversen Horrorstandards gab der fast 800 Seiten dicke Wälzer im Großen und Ganzen eine reichlich souveräne Figur ab, wenngleich Kenner der Materie seine durchaus reichlich offensichtlichen Inspirationsquellen nicht unbedingt guthießen – seinen sehr lebendigen, filmreifen Stil dagegen schon. Kein Wunder also, dass die Rechte an „Dämon“ damals flugs gen Hollywood wanderten und dort noch immer verweilen. Offenbar arbeitet eben auch dort so manche Mühle nur sehr langsam.

 

Ähnliches lässt sich auch über Delaney sagen. Denn statt einen würdigen „Dämon“ – Nachfolger zu präsentieren, verschwand der Nachwuchsautor praktisch umgehend vom öffentlichen Raster. Und einen genauen Grund bringen auch die endlosen Weiten des Internets nicht hervor. Anders als so mache Autoren, scheint Delaney ein sehr zurückgezogenes Leben zu führen – und ferner eines, das weniger vom Schreiben, sondern von der Hauptberufstätigkeit als New Yorker Polizeibeamter dominiert zu sein scheint. Womöglich also deswegen dieses virtuelle Nichtvorhandensein … oder schlichtweg, weil sich Delaney sehr viel Zeit genommen und jedwede Form von Ablenkung einfach ignoriert hat, um seinen Lesern ein würdiges Zweitwerk präsentieren zu können.

Und ebendieses ist nun da, nennt sich Golem und ist – ein Science-Fiction-Thriller.

Ja, richtig gelesen. Wer also aufgrund des, zugegebenermaßen, leicht irreführenden (aber trotzdem konsequenten) Titels auf böswillige oder rachsüchtige Kunstgestalten aus Lehm und Ton aus war, der kann sich nun entweder enttäuscht zurückziehen oder für die bessere Variante entscheiden: das Buch in die Hand zu nehmen.

Denn auch wenn uns Delaney in die Mitte des 21. Jahrhunderts verschleppt, so wirkt jene erdachte Welt, trotz diverser nachvollziehender Änderungen, logisch und konsequent. So mag sich die Menschheit mittlerweile zwar von den fossilen Brennstoffen abgekoppelt und alternative Lösungen gefunden haben – die Sucht nach (Profit-)Gier und Kriegen lodert weiterhin unvermittelt. Stellvertretend ist dafür das New Yorker Unternehmen Genico, welches nicht nur Heilmittel für praktische jede Krankheit parat hält (sofern man es sich leisten kann, natürlich), sondern der Erfinder der Transkriptoren ist – künstlicher Menschen ohne Seele beziehungsweise futuristische Sklaven und Haustiere in menschlicher Form (moderne Golems, sozusagen). Dabei kümmert es deren Herren herzlich wenig, wie und wo die Transkriptoren eingesetzt werden. Ob bei tödlichen Gladiatorkämpfen in berstend vollen Arenen oder bei bizarren Sexpartys; es spielt keine Rolle.

Schon gar nicht für Roosevelt, seines Zeichens Sprössling des Genico-Gründers. Ganz nach dem Motto eines Filmklassikers aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lebt er nach der Maxime „Gier ist gut.“ Oder anders ausgedrückt: schöne Frauen, schnelles Geld, Drogen, Dekadenz.

Sein Stiefbruder Saxton ist dagegen aus einem gänzlich anderen Holz geschnitzt. Seine Welt ist die Welt – und deren Sorgen und Nöte. Die Wall Street ist für ihn der Vorhof zur Hölle und Geld etwas, mit dem man Gutes bewirken kann. Kein Konkurrent für Roosevelt also, der für seinen rückgratlosen Hippiebrüder ohnehin kaum mehr als Verachtung übrig hat und nach dem Platz an der Sonne strebt – Präsident von Genico Incorporated!

Doch dann kommt es anders. Denn entgegen Roosevelts Erwartungen, benennt sein Vater ausgerechnet Saxton zum neuen Vorstandsvorsitzenden! Für den jungen Mann bricht eine Welt zusammen – und Hass in ihm aus.

Kurz darauf der nächste Schicksalsschlag: Die Ermordung des Genico-Gründers! Allerdings erweist sich die Suche nach dem Täter leichter als angenommen. Denn es war niemand Geringeres als Saxton! Saxton, der verhasste Stiefbruder und in Wahrheit ein Transkriptor!

Doch einer weiß, dass er unschuldig ist und reingelegt wurde: Saxton selbst. Und so tritt er die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit an; eine Suche, die ihn mehr als einmal mit dem sicheren Tode konfrontiert …

 

Kommt einem teilweise schon ein bisschen bekannt vor, nicht wahr? Und es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass sich Delaney auch diesmal wieder mehr als nur ein bisschen an diversen großen filmischen Vorbildern orientiert hat. Wall Street, Bladerunner, Der Graf von Monte Christo … diesmal muss man kein Fachmann sein, um die Quellen zu deuten; eine gute Allgemeinbildung reicht vollkommen. Doch trotz dieser recht eindeutigen Inspirationsquellen verzeiht man Delaney diese Offensichtlichkeit. Aus zwei Gründen: Erstens – der Mann kann wirklich schreiben. Sehr gut sogar. Trotz 560 Seiten (im Kino wäre es wohl bereits Überlänge) liest sich Golem sehr flott und routiniert geschrieben; sind die Dialoge stets nachvollziehbar und logisch. Ferner hat Delaney zusätzlich noch das eine oder andere Ass im Ärmel, was die eigentliche Story betrifft. Eine Story, welche zweifellos vom globalen Börsencrash des Jahres 2008 inspiriert wurde und zusätzliche Kohlen ins Feuer wirft – und damit der zweite große Pluspunkt des Romans ist. Sicher, „Golem“ mag in der Zukunft spielen, doch nicht selten wird man sich beim Lesen zustimmend nickend wieder finden. Im Grunde hat Delaney eine Reflexion des Heute mit den Mitteln eines Zukunftsthrillers entworfen – und macht dabei eine alles andere als schlechte Figur. Da verzeiht man auch die bereits erwähnten Offensichtlichkeiten gerne und darf gespannt sein, wohin der Weg des Autors als nächstes führen wird.

 

Fazit:

„Golem“ ist ein spannender Zukunftsthriller der trotz fast 600 Seiten zu keiner Sekunde langweilt – und gerne auch mal von Nicht-SciFi-Lesern in die Hand genommen werden darf.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024041712273834396fff
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Buch:

Golem

Original: Genome, Inc.

Autor: Matthew Delaney

Paperback, 560 Seiten

Bastei Lübbe, 27. September 2010

 

ISBN-10: 378576037X

ISBN-13: 978-3785760376

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 03.11.2010, zuletzt aktualisiert: 03.12.2021 16:09, 11207