I Saw the Devil (BR; Horror; FSK 18)
 
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I Saw the Devil (DVD; Horror; FSK 18)

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Eine verlassene Straße inmitten einer kalten Schneenacht: Ausgerechnet an solch einem freundlosen Ort und zu solch einer ungünstigen Zeit muss Ju-yeons (San-ha Oh) Wagen eine Panne haben. Doch zum Glück hat die junge Frau ja ihr Handy dabei. Also rasch den Abschleppdienst verständigt und ihren Verlobten, den Geheimagenten Kim Soo-hyeon (Byung-hun Lee). Von letzterem weiß Ju-yeon zweifellos, dass freundliche Mitmenschen, die freiwillig anbieten, nach dem Rechten zu sehen, durchaus mit Skepsis betrachtet werden sollen. Schließlich ist die Welt nicht nur von normalen Zeitgenossen bevölkert – und schon gar nicht mitten in der Nacht. Kein Wunder also, dass der unbekannte Fahrer eines Schulbusses bei Ju-yeon auf Granit beißt, was etwaige Hilfe betrifft. Durch die Blume, aber dennoch bestimmt gibt sie dem Fremden zu verstehen, dass sie lieber auf den Pannendienst warten möchte. Doch damit gibt sich der Namenlose nicht zufrieden – er hat sein neuestes Opfer gefunden und sorgt dafür, dass es ihm nicht durch die Finger schlüpft.

Was folgt, ist ein Martyrium des Unvorstellbaren. Ein Sammelsurium aus Demütigungen, Misshandlungen, Gewaltakten und letztlich einem unfassbar brutalen Mord.

Für den nüchternen, ruhigen und grundsympathischen Kim bricht daraufhin die Welt zusammen und irgendwo in seinen grauen Windungen passiert ein Kurzschluss. Darauf warten, dass die Polizei den Mörder seiner Verlobten schnappt; irgendwann, falls überhaupt? Zusehen wie der Irre für den Rest seiner Tage hinter Gittern verschwindet? Für Kim sind beide Möglichkeiten keine Optionen. Nein, der Mistkerl muss leiden; er soll ein Vielfaches von jenen Qualen erleiden, die er seiner Verlobten angetan hat!

Unter dem Vorwand, zwei Wochen Urlaub anzutreten und wieder einen klaren Kopf zu kriegen, tritt Kim unmittelbar nach Verlassen seiner Arbeitsstelle den präzise kalkulierten Rachefeldzug an. Mit chirurgischer Genauigkeit macht er sich auf die Suche nach dem Mörder seiner Verlobten – und hinterlässt dabei mehr als nur ein bisschen verbrannte Erde. Die Pädophilen, die Mörder, die Vergewaltiger – er stattet ihnen allen einen Besuch ab; einem nach dem anderen. Allerdings nicht, um mit dem vermeintlichen Ziel gepflegten Smalltalk zu betreiben. Mit jedem weiteren Namen, den er von seiner Liste abhaken kann, werden auch seine Methoden zusehends brutaler. Bis er sich schließlich Kyung-chul (Choi Min-sik) zuwendet und fündig wird. Hinter der Fassade des naiv-gutgläubigen Eremiten entdeckt der Geheimagent neben Spuren anderer Vermisster auch eine Folterkammer von ungeahnten Dimensionen. Nicht lange, und Jäger und Gejagter stehen sich Auge in Auge gegenüber. Was folgt, ist ein Kampf um Leben und Tod; ein erbittertes Gefecht, in dem letzten Endes Kim die Oberhand gewinnt. Allerdings tötet er den Serienmörder nicht. Das wäre zu einfach. Streng dem selbst auferlegten Gesetz folgend, implantiert ihm Kim einen Mikrosender und verschwindet. Wieder in der Freiheit, erlebt Kyung-chul die Hölle auf Erden – und kann scheinbar nichts gegen seinen aus dem Schatten agierenden Peiniger tun. Doch je länger sich Kim mit ihm beschäftigt, desto mehr übernehmen die dunklen Seiten seines Ichs sein Tun und Handeln. Eine fatale Schwäche, die Kyung-chul für sich zu nutzen weiß …

 

Nach zwei Abstechern in die koreanische Unterwelt (Bittersweet Life, 2005) und den – asiatisch angehauchten – Wilden Westen (The Good, the Bad, the Weird, 2008) besinnt sich der gefragte südkoreanische Regisseur Kim Jee-woon wieder auf seine Wurzeln und drehte mit I saw the Devil einen Film, der irgendwo zwischen Sieben (1995) und der Saw-Reihe (2004-2010) schwimmt, aber dennoch vollkommen autark geworden ist.

Wo Finchers Meisterwerk eher gemäßigt daherkam, legt Jee-woon kurz nach dem verträumten Einstieg gleich mal den dritten Gang ein und spielt gekonnt mit den Erwartungen des Zuschauers. Denn anders als bei so vielen Kollegen aus den Vereinigten Staaten kommt der nächste blutige Abschnitt nicht mit wehenden Fahnen daher, sondern schleicht sich oftmals völlig überraschend ins Geschehen ein und wirkt deshalb umso intensiver. Doch was besagte, »intensive« (also blutrünstigen) Passagen betrifft, so ufert »I saw the Devil« niemals zu reißerisch sinnlosem Torture-Porn aus. Viele der Gräueltaten finden nämlich im Verstand des geneigten Zuschauers statt, nachdem sich die Kamera entweder abgedreht hat oder etwa eine Person die grausigen Anblicke verdeckt. Besagte Person ist zumeist der, besonders seit Old Boy (2003) bekannte und geschätzte Mime Choi Min-sik, der ein weiteres Mal sein Ausnahmetalent genauso unter Beweis stellt wie sein Hang für extrem ausgeprägte Rollen. Sein Alter Ego, der Psychopath Kyung-chul ist in seinen besten Momenten unglaublich ambivalent – zumeist dann, wenn er sich kurz darauf am nächsten Opfer vergreift. Doch hinter dieser Maske lugt bisweilen eine verborgene Traurigkeit hervor, die unweigerlich die Frage aufwirft, was diesen Mann zu solch einer entarteten menschlichen Bestie hat werden lassen. Sein chaosartiges Treiben wird mit dem Profi Kim Soo-hyeon zwar – anfänglich – konterkariert, doch gleitet der junge Geheimagent und frühzeitige Witwer während seiner Vendetta immer mehr in jene Tiefen hinab, die von seinem Gegenstück bereits mit Leben erfüllt werden. Was bleibt, ist letztlich pure, nackte und mitunter sinnlose Gewalt bar jeglicher Moralvorstellungen, die sich auch nach dem konsequenten Finale wohl kaum in Wohlgefallen auflösen wird. An dieser Stelle muss man auch Min-siks Gegenpart, Lee Byung-hun ein großes Kompliment machen. Glaubhaft und intensiv lässt er uns am Verfall eines Individuums teilnehmen, für den letztlich keine Regeln mehr gelten und erst recht kein Ethos. Irgendwann ist er einfach nur ein Ungetüm unter Gleichgesinnten. Zusammen mit dem einzigartigen Stil Kim Jee-woons entsteht dadurch ein kleines Meisterwerk, bei dem sich viele US-Kollegen am besten beschämt abwenden sollten. Passend dazu sollte demnach auch die Qualität der Blu Ray ausfallen, doch leider sind hier – kleinere – Abstriche zu machen. So scharf das Bild in den Nahaufnahmen ausfallen mag, so unscharf wirkt es bei manchen der Totalen. In klanglicher Hinsicht gibt es nichts zu beanstanden. Der Sound ist exakt so, wie man es von einer blauen Scheibe zu erwarten hat. Was das Zusatzmaterial anbelangt, so muss man sich mit den üblichen Verdächtigen zufrieden geben: Fernsehspots, einem Making-of sowie mehreren Interviews. Allerdings sind die beiden letzten Features wirklich interessant und bieten stellenweise gelungene Einblicke.

 

Fazit:

»I saw the Devil« – der Titel ist Programm. Regisseur Kim Jee-woons konsequentes und originelles Rachedrama ist definitiv nichts für Zartbesaitete. Die sollten besser einen Bogen um diese kleine Perle machen und auf das verwässerte US-Remake warten.

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240328104641fcdac303
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BR:

I Saw the Devil

Originaltitel: Akmareul boatda

Südkorea, 2010

Regisseur: Kim Jee-woon

Sprache: Koreanisch (DTS-HD 5.1), Deutsch (DTS-HD 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1

FSK: 18

Splendid Film/WVG, 15. April 2011

Spieldauer: 131 Minuten

 

ASIN: B004JQJFGG

 

Erhältlich bei Amazon

 

Darsteller:

Choi Min-sik

Lee Byung-Hun

Oh San-Ha

Jeon Gook-Hwan


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Erstellt: 27.08.2011, zuletzt aktualisiert: 10.09.2023 10:58, 12080