Interview: Will Elliott
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Zwischen Outback und Hölle

Im Gespräch mit Will Elliott

Redaktion: Christian Endres

 

Fantasyguide: Der Klappentext des deutschen Paperbacks sagt nicht viel über deinen persönlichen Werdegang. Magst du uns zum Einstieg ein bisschen etwas über dich erzählen?

 

Will Elliott: Es ist kein Geheimnis, dass ich wegen eines kognitiven Nervenzusammenbruchs das College geschmissen habe und danach mit dem Schreiben anfing: Kurzgeschichten, die ich Zuhause bei meinen Eltern schrieb – zumeist Variationen meiner Jesus/Rockstar-Fantasien, die Teil meiner Wahnvorstellungen waren. Medikamente haben diese Wahnvorstellungen Stück für Stück zurückgedrängt – das Schreiben dagegen blieb. Dennoch hat die Krankheit das Schreiben immer wieder unterbrochen, etwa durch Krankenhausaufenthalte oder langsame Rekonvaleszenzzeiten, bis elementare Fertigkeiten wiederhergestellt waren. Von den Zeiten, wo ich mich in Selbstmitleid gesuhlt habe, ganz zu schweigen. 2002 habe ich dann mein erstes Roman-Manuskript binnen vier Wochen niedergeschrieben. Danach ging alles etwas ernster von statten. Die nächsten vier Jahre waren eine intensive Phase des Planens und Schreibens von Romanen und Kurzgeschichten, häufig 3.000 bis 4.000 Wörter am Tag, manchmal sogar mehr. Hölle war das sechste Manuskript.

 

Fantasyguide: Hattest du vorher schon Interesse am Schreiben und Fantasy?

 

Will Elliott: Mein Vater hat mir als Kind Tolkien vorgelesen. Wahrscheinlich hat es da angefangen. In der Schule ließ mich der Lehrer abseits der anderen Kinder sitzen und Geschichten schreiben, die oft von Zwergen und Ringgeistern inspiriert waren (die Tolkien-Imitation hab ich dennoch schnell abgelegt). Das Schreiben schien damals keine besondere Bedeutung zu haben, nicht mehr als ein Bild malen oder irgendein anderer Zeitvertreib. Als ich mit 15 aber von der Gormenghast-Trilogie förmlich besessen war, waren die gedanklichen Grundlagen fürs Schreiben geschaffen, auch wenn ich das damals noch nicht wusste. Meine Art der Charakterisierung und des Plottens sind durch solche Lektüren beeinflusst worden. Es überrascht mich, dass mir Schreiben als Karrieremöglichkeit erst so spät in den Sinn gekommen ist, obwohl so viele kleine Dinge schon lange vorher darauf hingedeutet haben.

 

Fantasyguide: Wie bist du auf die Idee zu Hölle gekommen?

 

Will Elliott: Das Setting mag womöglich von den Jahrmärkten beeinflusst worden sein, die wir als Kinder gesehen haben – etwa eine jährliche Show-Veranstaltung namens Ekka. Letztlich war das Setting aber nur eine Erweiterung der Hintergründe, die ich bis dahin genutzt habe – immer die Intention vor Augen, Slipstream-Dark-Fantasy zu schaffen, die es mir erlauben würde, seltsame Charaktere zu nutzen sowie eine kleine, abgeschirmte Alternativwelt, die nahe der unseren existiert. Ein Zirkus war da einfach nur einer von mehreren Punkten auf der Liste an möglichen Kandidaten. Ein paar Bilder von Clowns und Freaks hatten angedeutet, dass hier Potential für schräge Charaktere liegt. Von da an ist die Sache selbst weiter gewachsen.

 

Fantasyguide: Welches Genre-Etikett würdest du Hölle geben?

 

Will Elliott: Der Redakteur der britischen Ausgabe, John Berlyne, hat mir gesagt, dass Dark Fantasy eine bessere Beschreibung anstelle von Horror sei, vor allem da das Buch zum Teil in einer anderen Welt spielt. Ehrlich gesagt bin ich mit jedem Etikett zufrieden. Ich habe das Buch immer als unorthodoxe Fantasy gesehen – was eine bessere Beschreibung für Slipstream ist. Aber Genre-Beschreibungen sind eh nichts, womit ich mich großartig aufhalte. So lange niemand Mist sagt, bin ich zufrieden.

 

Fantasyguide: Du hast einmal gesagt, dass Hölle nicht autobiografisch sei. Haben dir deine persönlichen Erfahrungen mit Schizophrenie dennoch dabei geholfen, das Verhältnis von Jamie und JJ zu beschreiben?

 

Will Elliott: Da diese Erfahrung mein gesamtes Erwachsenendasein geprägt hat, gibt es wahrscheinlich keinen Zweifel daran, dass sie auch Einfluss auf meine Entwicklung als Autor genommen hat. Aber schon vor der Krankheit hatte ich eine Vorliebe für Fantasy, insbesondere Weird Fantay. Finstere Anderswelten und Charaktere, die plötzlich mit einer anderen Realität konfrontiert werden, sickern tendenziell immer in mein Schaffen, selbst wenn ich etwas völlig anderes schreibe.

 

Die Geschichten, die durch den geistigen Filter jedes Autors gelangen, sind auf vielerlei Art und Weise davon beeinflusst, was der Autor bisher erlebt hat. Bei mir war es eben die Krankheit. Ich bin mir sicher, dass es nicht das einzige ist, das meine Arbeit beeinflusst, und ich hatte auch nie vor, die Krankheit ständig zu symbolisieren (heute denke ich nicht mal mehr oft an sie – es ist eher etwas, das im Hintergrund da ist. Vergangenheit).

 

Es hatte keinen großen Einfluss auf Jamies Wechsel zu JJ dem Clown – der Jeckyll/Hyde-Effekt ist keine akkurate Beschreibung der Krankheit und was sie mit einem tut. Vielleicht hat es sich darin geäußert, wie Jamie sich mit JJs bösen Taten herumärgern muss, als ihn sein Gewissen plagt – noch mehr aber durch Jamies Reise in eine andere, weit weniger angenehme Realität, in der sich die Regeln drastisch verändert haben.

 

Fantasyguide: Ist es leichter, über ein Thema zu schreiben, zu dem du eine persönliche Beziehung hast? Oder findest du dich lieber über Recherche von außen in eine Angelegenheit ein?

 

Will Elliott: Heutzutage spielt Recherche eine größere Rolle in meinem Schaffen, gerade in Bezug auf historische und aktuelle Ereignisse. Diese Sachen nimmt man wohl über Bücher am besten auf – oder indem man Orte wie Berlin besucht und an den alten Gebäuden vorbei läuft (wie es mir kürzlich vergönnt war). So etwas ist stimulierender als alles andere ... etwas, das du einfach nur in den Filter wirfst, den deine Geschichten passieren müssen, und das seinen Weg leicht auf die niedergeschriebenen Seiten findet. Vielleicht ist es leichter, aus persönlicher Erfahrung zu schreiben. Wenn du jedoch zu autobiografisch bist, kann das schnell deine Vorstellungskraft dämpfen.

 

Fantasyguide: Heath Ledger spielt in THE DARK KNIGHT einen monströs guten Joker – einen psychopatischen, seelisch zerstörten, anarchistischen Clownprinzen des Terrors. Was denkst du, wenn du deinen Landsmann so siehst?

 

Will Elliott: Ich hab den Film immer noch nicht gesehen! Meine Freundin denkt, dass ich zu viel Angst habe, also werde ich mich irgendwann aus dem Haus schleichen müssen. Aber Heath Ledger ist wirklich beängstigend.

 

Fantasyguide: Kannst du uns etwas über deinen nächsten Roman Nightfall erzählen?

 

Will Elliott: Ich bin mir nicht sicher, ob das der nächste Roman ist, der veröffentlicht werden wird ...

 

Das Problem ist, dass ich mich wohl etwas zu weit von Hölle fortbewegt habe – was bei einem Nachfolger für einen Debütroman nicht sonderlich wünschenswert ist. Nightfall wird eines Tages seinen Weg in den Druck machen, aber wohl nicht als nächster Roman.

 

Fantasyguide: Ist berühmt und bekannt werden für einen australischen Autor schwieriger als für einen aus England oder den USA?

 

Will Elliott: Ja und nein, schätze ich. Australien ist keine so gute Umgebung, wenn man schreiben möchte. Ich denke, dass unsere junge Landesgeschichte damit zu tun hat. Weniger alte Gebäude und was weiß ich nicht alles – eine weniger entwickelte nationale Identität eben. Andererseits ist der Wettkampf zwischen den unveröffentlichten Autoren in den USA und England größer, da es dort mehr von ihnen gibt. Da es in Australien also weniger Autoren gibt, scheint es leichter, aufzustehen und entsprechend hervorzutreten – und dann kann Australien ja als Startbahn für einen Erfolg in anderen Ländern herhalten. Auch wenn es in der Regel nicht der Fall ist, dass jeder, der in Australien veröffentlicht wird, sich auch in Übersee einen Namen macht. Letztlich ist es überall schwer, veröffentlicht zu werden. Du musst ziemlich blauäugig sein, wenn du es versuchen willst – und bis schließlich alles gesagt und getan ist. Glücklicherweise war ich das.

 

Fantasyguide: Im Moment bist du auf PR-Tour durch Deutschland. Was gefällt dir neben Berlin noch? Die Leute, das Essen, die Gebäude...?

 

Will Elliott: Ich mag es sehr – alles davon. Die Landschaft ist sehr schön, saftig und grün. Die Städte sind lebendig, pulsieren zwischen Kultur und historischem Bewusstsein. Und die Leute, die zu meinen Lesungen kommen, sind fantastisch. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, um die Dinge überall richtig aufzunehmen. Ich kann’s nicht erwarten, noch einmal her zu kommen.

 

Fantasyguide: Hölle ist ein eher ungewöhnlicher Roman, egal in welches Genre man ihn packt. Wie sind die Reaktionen der deutschen Leser – vielleicht auch im Vergleich zu denen in Australien?

 

Will Elliott: Der Hauptunterschied ist die Begeisterung für Live-Lesungen und Hörbücher – das kennt man hier in Australien in dem Ausmaß nicht. In Australien ist das Buch dafür auch außerhalb des Genres aufgenommen worden, während in Deutschland vor allem Genre-Leser dazu kommen. Andererseits ist die Reaktion auf die Geschichte selbst in etwa die gleiche.

 

 

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404171237106fa0a753
Platzhalter

Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 23.09.2008, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 7410