Kalte Haut von Marcel Feige
Rezension von Chris Schlicht
Rezension:
Die Kommissarin Sera Muth lebt in zwei Welten: Einerseits mit ihrer sehr traditionsbehafteten türkischen Familie, die nichts lieber sehen würde, als dass sie endlich selbst eine Familie gründen würde, so wie es ihre Geschwister bereits getan haben. Andererseits ist sie eine gestandene Polizistin, der so schnell niemand etwas vormacht. Ihre Arbeit wird durch den Ausländerfeindlichen Innensenator nicht gerade erleichtert, der sich mit seiner harten Politik nicht gerade Freunde macht. Als dann noch ein „Ehrenmord“ an einer jungen Türkin versucht wird, kochen die Gefühle auf beiden Seiten hoch.
Währenddessen versucht die Journalistin Tania Herzberg mit einer Insiderstory über die wahren Gründe für die immer häufigeren Ausfälle bei der S-Bahn zu punkten, die zusätzlich Unfrieden in die Stadt bringen. In dieser aufgepeitschten Stimmung kehrt auch der Polizeipsychologe Robert Babicz aus den USA zurück, wo er half, einen Serienmörder zu stellen.
Doch Herzberg soll nicht mit Pfusch bei der S-Bahn ihre Titelseite bekommen, sondern mit einem grauenvollen Mord. Der Sohn des Innensenators wird zu Tode gefoltert und dabei gefilmt. Das Video erscheint für kurze Zeit im Internet, während ein vermeintlicher Informant Tania zu der Leiche lockt. Sofort wird Rache für die unbarmherzige Politik des Innensenators als Motiv vermutet und sogar Sera verdächtigt Freunde ihrer Verwandten, mit der Sache zu tun zu haben.
Aber Babicz zieht andere Parallelen – zu seinem Fall in den USA. Denn auch der „Knochenmann“ häutete seine Opfer bei lebendigem Leib. Ist der Serienkiller zurückgekehrt – oder wird er kopiert? Lahnsteins Sohn bleibt nicht das einzige Opfer...
Ja wie... kein Kommissar Kalkbrenner? Nach den drei vorangegangenen Thrillern Wut, Gier und Trieb vermisst man den liebgewonnenen Verlierertypen erst einmal. Nun, er taucht auch wieder auf, aber bis dahin hat man sich schon so sehr an Sera Muth gewöhnt, dass sein Fehlen nicht mehr stört. Ganz im Gegenteil ist diese Mittlerin zwischen den Welten in Berlin eine Person, der man gerne folgt und der man ihren Kampf mit den Konventionen und mit sich selbst jederzeit abkauft.
Genauso wie die Hetzkampagne gegen die ach so integrationsunwilligen Menschen mit Migrationshintergrund des Herrn Lahnstein. Sie klingen nur im ersten Moment überspitzt, doch wenn man die Tagespresse verfolgt, ist es doch fast schon wieder alltäglich. Seras Zurechtweisung der Kollegen, nicht von »Ehrenmord« zu sprechen, sondern von »Familiendrama«, ernüchtert und rückt ein wenig die Perspektive gerade.
Mit all diesen Alltagsdramen kommt der eigentliche Thriller nur etwas langsam in die Hufe, dann aber gewaltig. Die kaltblütigen, grausamen Morde sind nichts für schwache Nerven und gewiss nichts für die Bettlektüre vor dem Einschlafen. Und sie sind einmal mehr ein Beweis für Marcel Feiges Fähigkeit, den Leser bis zum letzten Moment und bis zum atemlosen Ende auf die völlig falsche Fährte zu schicken.
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