Leider bin ich tot (Autor: Dietmar Dath)
 
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Leider bin ich tot von Dietmar Dath

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Vielleicht gibt es Gott doch. Was, wenn er uns nicht mag?

Ein deutscher Filmregisseur flieht vor einer anstrengenden Liebe. Seine Schwester wird vom Staat verdächtigt, als radikale Islamistin einen Anschlag zu planen. Sein bester Freund aus Kindertagen kämpft als Pfarrer mit dem Teufel. Und eine Frau, die alle drei kennt, aber mehr ist als ein Mensch, öffnet die Tür zum Schlimmsten, was Menschen sich vorstellen können …

 

Rezension:

In London arbeitet der Arthouse-Regisseur Abel Reinhardt an einen Film über denkendes Gras. Bei ihm seine Freundin und Geldbeschafferin Ceecee, ein hippes It-Girl mit wechselndem Äußeren.

Abels Schwester Nasrin forscht mit ihrem Freund Kassim an Wetterdaten, die auf ein Bewusstsein in den Winden schließen lassen.

Ihr gemeinsamer Schulfreund Wolf Schulte, inzwischen Pfarrer, will von Frankfurt nach London zu Abel fliegen und stößt auf den Flughafen ein krankes Mädchen im Rollstuhl um, und tötet es im Affekt …

 

Dietmar Daths Roman Leider bin ich tot befasst sich mit Dingen, die denken und den Dingen, die sie tun.

Komplexe Systeme wie Gras in einem Wald, der Wind oder das Kapital entwickeln sich, verändern ihre Strukturen, werden zu Bewusstsein. Sind es vielleicht schon lange. Sind vielleicht besser im Denken als wir Menschen. Sind sie vielleicht sogar das Göttliche unserer Religionen? Beeinflussen sie uns schon lange?

 

Dath geht diesen Fragen in einer hochkomplexen Handlung nach. Seine Figuren sind eng miteinander verknüpft, Nebenfiguren werden zu tragenden Charakteren, vieles wandelt sich, Sichtweisen verdrehen sich, Zeitlinien finden zueinander, Vergangenheit wird Gegenwart oder Zukunft – linear ist nur ganz wenig in Daths Erzählstil.

 

Das führt zunächst zu Verwirrung. Wir folgen den verschiedenen Figuren in ihrem Leben, das sich sehr dicht an unserer Gegenwart bewegt. Wie schon in Deutsche Demokratische Rechnung beweist sich Dath als aufmerksamer Chronist. Er seziert Obdachlosigkeit genauso feinfühlig wie die Arbeit als Journalist, das Innenleben einer betrügerischen Sekte, die Einsamkeit eines verbitterten Altnazis oder das musikalische Erwachen einer Metal-Band.

 

Das Figuren-Ensemble breitet sich immer weiter aus. Während der Bereich um Abel und Ceecee zunächst stabil zu bleiben scheint, weitet er sich um Wolf Schulte herum beständig aus. Sein desaströser Unfall auf dem Flughafen schlägt diverse Wellen. Dath macht das sehr kurzweilig und mit hochfokussierten Biographien, die er ganz nebenbei in deutsche Alltagswelten und Geschichte einbettet. Da ist immer Butter dran. Jede Nebenfigur, die plötzlich im Scheinwerferlicht steht, bildet ihre eigenen Kontraste und Schlagschatten. Das war in Pulsarnacht schon grandios, hier übertrifft sich Dath noch einmal.

Jeder dieser Lebensläufe ist für sich eine spannende Geschichte, der man teilweise atemlos folgt, da sie sich echt anfühlen in ihrer schonungslosen Zwangsläufigkeit.

 

Aber erst spät werden die Verbindungen offensichtlich. Dann wird aus der Zwangsläufigkeit eine philosophische Frage nach dem freien Willen der Figuren.

Um diese Willkür hinter dem Plan zu verdeutlichen, bringt Dath sich selbst ebenfalls ins Spiel. Auch er als Autor gibt sich eher als Chronist der Ereignisse aus, denn als ihr Schöpfer.

Er scheut sich auch nicht, immer wieder persische und englische Sätze unübersetzt in den Text einfließen zu lassen, so als würde man beim Lesen wie im realen Leben durch die Straßen streifen und an jeder Ecke beliebige Sprachfetzen hören, die zur Kulisse der Großstadt gehören als Sound des Lebens. Rätsel, deren Lösungen ausleiben dürfen.

Das sind die Gewürze für Daths soziologischen und politischen Beobachtungen.

 

So spannend es auch ist, Dath bei seinem komplizierten Handlungsverknotereien zuzuschauen, so schwer ist es, ihm gedanklich in seinen philosophischen Kapiteln zu folgen, da sie ihre Zielrichtung immer wieder wechseln und man sich selbst Bezüge zum Plot denken muss.

Die zentrale Kain und Abel Story bildet zwar Kreise, aber irgendwie keinen Sinn. Biblische Namen in einer Art Naturreligion, wo jeder alles sein kann, aber alles von einem großen unbekannten Plan abhängig ist. Was Dath nun eigentlich über Religion zu sagen hat, versteckt er hinter einem ganzen Haufen phantastischer Pirouetten und liefert ein krachendes Ende, das exakt so wenig erklärt, wie im Picknick am Wegesrand.

 

Ist es tröstlich, eine Figur in einer Geschichte zu sein, die keinen Erzähler hat, aber jemanden, der sie geradebiegen will, oder krümmen, ganz nach dem Geschmack des Windes vielleicht?

 

Fazit:

Was kann ein Atheist über Glauben schreiben? Dietmar Dath denkt in »Leider bin ich tot« gründlich darüber nach, was das Göttliche sein könnte, welche Sprache es spricht und was es vom Menschen hält. Rundherum strickt er ein enggeknüpftes Netz aus tragischen Gegenwartsgeschichten in seiner ganz eigenen, großartigen Mischung. Wenn beides nur ein wenig verständlicher zusammenspielen würde!

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Buch:

Leider bin ich tot

Autor: Dietmar Dath

Taschenbuch, 463 Seiten

Suhrkamp Verlag, 10. Januar 2016

Cover: Oliver Scheibler

 

ISBN-10: 3518466542

ISBN-13: 978-3518466544

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B019FYF7R2

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042517060245bdbbb8
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Erstellt: 30.03.2016, zuletzt aktualisiert: 25.01.2021 19:05, 14389