Lockruf des Goldes von Jack London
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Burning Daylight ist die herausragende Gestalt unter den Goldsuchern in Alaska: Keiner kann wie er die körperlichen Strapazen der Schlittenreisen ertragen; keiner hat seine Kraft, seine unerschöpfliche Energie und seinen Wagemut, der sich verbindet mit Freigebigkeit, Gutmütigkeit und Kameradschaft. Als ihm eines Tages ein großer Goldfund gelingt, ist die Zeit des Spiels mit der Wildnis Alaskas vorbei und er begibt sich in den Finanzdschungel New Yorks, wo allerdings ganz andere Herausforderungen auf ihn warten…
Rezension:
Ein Roman wie Lockruf des Goldes kann man nur schwer zu gängigen Genres zuordnen. Der dtv reiht den Band optisch in seine Reihe Abenteuerklassiker ein und für den ersten Teil kann man dies auch uneingeschränkt bestätigen.
Jack London packt den Leser von Beginn an fest in die harte, aber ehrliche Wildnis Alaskas. Er zeigt uns das Leben dort und lässt uns mitfiebern, wenn Elam Harnish, genannt Burning Daylight sein Postrennen absolviert, oder dem Hungertode nah ein Boot erklimmt. Er steht hier für all die großen Pfadfinder jener Zeit und jenes hohen Nordens, von denen London bei seinem Alaska-Aufenthalt im Klondike-Fieber eine Masse Legenden fand, wenn auch keine Unze Gold.
Das sind die Abenteuer von ganzen Kerlen, der Kampf Mann gegen Natur, das Bezwingen der eisigen Ödnis allein durch eisernen Willen. Daylight stellt dabei, wie Sebastian Domsch im Nachwort erläutert, eine stilisierte Figur dar, ein weißer Übermensch, dem alles gelingt – ja, London hatte Nietzsche gelesen.
London baut das nicht unbedingt narzisstisch auf, sondern definiert Daylight zunächst als vom Glück gesegnet. Auch wenn er ein Spiel verliert, bleibt es ihm hold und spornt ihn zu neuen Taten an. Das Spiel als riskante Zockerei durchzieht den gesamten Roman. Ob er mit dem Leben oder dem Kapital seiner Mitmenschen spielt, Daylight ist sich des Risikos bewusst, das er eingeht. Langsam vergrößert sich der Fokus der Unternehmungen. Aus dem Saloon in die weite Wildnis, vom Pokerabend zur Stadtgründung. Die Ähnlichkeiten sind deutlich markiert, London wechselt schnell zwischen der Totalen und dem Blick in die Gesichter. Aus dieser Positionierung heraus, gelingt es ihm nicht nur, Daylights Weg zu begleiten, er findet dadurch auch immer wieder Gelegenheit, die Zeit lebendig werden zu lassen. Seine Beschreibungen des alltäglichen Lebens, die Einordnung der Menschen in ihr Umfeld, seien es die einfachen Goldsucher oder die Rolle der Frau im Büro - wir erfahren aus vielen Kleinigkeiten, wie sich das Tagesgeschäft dort anfühlte, wie es roch und pulsierte.
Der mittlere Teil stellt den Naturburschen in die Zivilisation. Daylight glaubt zunächst, dass das Spiel gleich sei und nur die Einsätze höher. Doch schon bald beginnt, das Spiel ihn zu verändern, oder besser ihn zu vergiften. Hier spielt London seine sozialistischen und kapitalismuskritischen Ideen ein, wird teilweise auch naiv in seiner plotgetriebenen Erfolgsgeschichte und das hätte auch schief gehen können, aber London bleibt nicht beim Zerfall einer reinen Heldenfigur. Er baut eine Gegenbewegung auf. Daylight ist nicht hoffnungslos verloren und so theatralisch es auch klingen mag, letztlich ist es Liebe, die ihn gesunden lässt. Dabei ist Daylight durchaus erfolgreich, belebt eine ganze Bucht, wird reicher und reicher und doch macht es ihn nicht besser. Sein schöpferisches Wirken wird zum Spielball harter Kalkulation. Die Dimension seiner Überlegungen verliert die Bodenhaftung, Konsequenzen seines Handelns erreichen ihn gar nicht mehr. Eine lässige Spekulation, hier eine grandiose Rache an Konkurrenten dort - erst später wird er erfahren, dass seine Geliebte zu den Opfern der Transaktionen wird, dass sie ihm etwa teurere Kohlen verdankte. Diese Auswirkungen dringen erst allmählich zu ihm durch. Er säuft, verschwendet seine sagenhafte Kraft und eine finstere Härte wird zu seinem Markenzeichen.
Bezeichnenderweise öffnet ihm eine Frau die Augen. Das Finden eines familiären Paradieses in kultivierter Natur, das Überwinden von Alkohol und Stress, die Wiedergewinnung persönlicher Stärke, prägen den letzten Teil des Romanes.
Während Daylight als knallharter Spekulant die Interessen anderer kaum noch wahrnahm, wendet er sich den eigentlichen Werten zu. Seine Kraft schöpfte sich nicht aus dem Gewinn seiner Spiele, sondern aus der Freude am Wettbewerb an sich. Der urwüchsige Lockruf geht nicht von Metall aus, das wahre Gold blitzt in den Augen von Dede Mason auf. Selbst der kurze Rückfall wird durch sie beendet. Der Mann findet zurück zum Herz der menschlichen Urkraft und zum Beherrschen der Natur als Ganzes. Er hat die Macht zu schaffen, zu zerstören, aber auch zu erhalten.
So positiv das Ende auch erscheint, es weist autobiografische Züge auf, so symbolhaft bleibt jedoch die Handlung. London entwirft deutlich ein Ideal, bringt es in Versuchung und richtet es wieder auf. Der besondere Reiz der Lektüre liegt in der unbedingten Lebendigkeit. Londons Werk atmet des vergangene Amerika. Es ist die Goldgräberstimmung ebenso zu spüren, wie das amerikanische Bedürfnis nach Eigeninitiative und Anerkennung durch Leistung. Aber London zeigt auch die Nebenwirkungen. Von Umweltzerstörung bis hin zu persönlichen Auswirkungen auf die kleinen Leute, wenn vom Produktionsprozess abgekoppelte Magnaten herumspielen. Wenn Gier nach Gold die Menschlichkeit vertreibt.
Fazit:
»Lockruf des Goldes« von Jack London ist ein Buch, dass Bankmanager lesen sollten, wenn sie vom Ruf der Börse ereilt werden und so ein bisschen Zahlen herumschieben wollen.
Eingepackt in eine atmosphärische Zeitreise legt London eine Hand auf die menschliche Gier, auf die eiskalten Seiten des Kapitals und zeigt seine Idee von Heilung. Obwohl der Roman voller Abenteuer steckt, stehen sie nicht im Mittelpunkt. Es gibt immer eine Verlockung, der man verfällt und nicht jede bringt Glück.
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