Projekt Babylon (Autor: Andreas Wilhelm; Projekte-Trilogie 1)
 
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Projekt: Babylon von Andreas Wilhelm

Reihe: Projekte-Trilogie Band 1

 

Rezension von Martin Weber

 

Im südfranzösischen Languedoc, einer ländlichen Gegend, hütet ein Schäfer seine Herde. Als ein Unwetter niedergeht, entdeckt der Mann auf der Suche nach einem Unterstand eine abgelegene Höhle. Die ist mehr als ein bloßes Loch im Fels, denn ihre Wände sind über und über mit einem grandiosen Sammelsurium von Schriftzeichen in allen möglichen Alphabeten und Sprachen übersät. Und als wäre das noch nicht mysteriös genug, befindet sich dort außerdem eine schwarze Wolke, die mit keinem modernen Messgerät durchdrungen werden kann und jeden, der sie betritt, in den Wahnsinn reißt. So ergeht es auch dem Schäfer, doch nach seiner Rückkehr in die Zivilisation schenkt man seinen wirren Aussagen trotzdem so viel Glauben, dass sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden.

 

So erfahren höhere Stellen von der Existenz dieses Ortes. Die UN will den Geheimnissen der Entdeckung auf den Grund gehen, wozu sie den renommierten englischen Historiker Peter Lavell und den französischen Abenteurer Patrick Nevreux engagiert. Diese beiden wissen zunächst noch nicht, worum es geht, doch sobald sie die Höhle in Augenschein genommen haben, sind sie von ihr fasziniert und streben begeistert danach, das dahinter stehende Rätsel zu lösen. Allerdings ist das nicht einfach, denn die vorliegenden Anhaltspunkte sind kryptisch und daher vielfältig deutbar. Die beiden Forscher ermitteln in verschiedene Richtungen, unter anderem nehmen sie aufgrund eines vorgefundenen Symbols, das Rose und Kreuz vereint, Kontakt mit einer einflussreichen Loge der Freimaurer auf. Aber es gibt auch andere Gruppierungen, die brennendes Interesse an der Entdeckung haben, und manche von ihnen sind bereit, über Leichen zu gehen, um das Geheimnis zu wahren bzw. um es für ihre Zwecke zu nutzen. So mischen des Weiteren größenwahnsinnige Politiker, die sich selbst als messianische Lichtgestalten inszenieren, Satanistenjünger und Rüstungskonzerne mit. Das Forscherteam, mittlerweile verstärkt durch eine (natürlich unwahrscheinlich intelligente und attraktive) Sprachwissenschafterin, steht im Brennpunkt der brandgefährlichen Ereignisse.

 

Kommentar:

Die Ausgangssituation ist klassisch: ein altes Artefakt wird entdeckt, das wegen seiner ungeklärten Herkunft Rätsel aufgibt und zudem noch über geheimnisvolle und gefährliche Kräfte verfügt. Natürlich gibt es diverse Interessensgruppen, die keine rein wissenschaftlichen Absichten verfolgen und die sich das Relikt aus maliziösen Gründen unter den Nagel reißen wollen. Neben die Schwierigkeit, die wahre Natur des Artefakts zu entschlüsseln, treten daher auch Machtkämpfe und Intrigen, die den Fortgang der Untersuchung behindern.

 

Dementsprechend hätte ich mir eigentlich einen Science Fiction- bzw. Wissenschaftsthriller im Stil von Lincoln/Child, James Rollins und Konsorten erwartet und musste dann feststellen, dass das Buch auch in eine andere Richtung tendiert, denn Andreas Wilhelm greift vorwiegend auf dieselben Versatzstücke aus dem esoterisch-okkulten Fundus zurück, die seit geraumer Zeit immer öfter verwurstet werden: Templer, Freimaurer, Katharer, der Heilige Gral, Jesu´ Blutlinie, der Graf von St. Germain etc. Alle spielen sie hier eine Rolle oder sind zumindest einer Erwähnung wert (nur Atlantis, UFOs und die Hohlwelttheorie bleiben ausgespart). Um all die Unterhaltungsromane zu zählen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe und in denen dieselben Versatzstücke verarbeitet wurden, müsste man über mehr als zehn Finger und zehn Zehen verfügen. Schön langsam sollten sich Autoren und Verlage mal überlegen, ob sich dieser Trend wegen Marktübersättigung nicht bald totläuft …

 

Aber solange es sich verkauft, wird es produziert werden. Und Andreas Wilhelms Beitrag ist ungeachtet des ausufernden Mystizismus gut genug, um eine Diskussion über seine Existenzberechtigung nicht aufkommen zu lassen. Allerdings würde die erzählte Geschichte grundsätzlich auch funktionieren, wenn nicht beinahe jede gängige abstruse Theorie Erwähnung finden würde. Die grundlegende Idee wäre nämlich tragfähig genug gewesen, um auf diese „Anbiederung“ an den Massengeschmack verzichten zu können. Vielleicht spielt bei dieser Ausrichtung des Plots eine Rolle, dass der Schriftsteller mit seinem Debüt im Genre des phantastischen Thrillers auf Nummer sicher gehen wollte (oder hat das Lektorat aus Marketinggründen in diese Richtung gedrängt?).

 

Einige Merkwürdigkeiten, die zunächst befremdlich erscheinen - wie die Zusammensetzung des Untersuchungsteams (nur zwei Leute? Und einer davon ein moralisch fragwürdiger, konstant gegen Autoritäten und Regeln rebellierender Abenteuer?) – machen schließlich dann doch einigermaßen Sinn. Hingehen verlieren die an sich interessanten Subplots um den französischen Präsidenten und um den Bürgermeister mit fortschreitender Handlung an Bedeutung und werden abrupt und in wenigen Sätzen zu Ende gebracht. Darin und im Hang zu ausschweifenden Dialogen merkt man, dass sich Wilhelm noch ein wenig Routine aneignen muss.

Lob verdient sich der Autor hingegen wegen seines sorgfältigen Stils, der angenehm zu lesen ist und keine unnötigen Wiederholungen aufweist. Ein anderer erwähnenswerter Pluspunkt hat mit der wunderhübschen und ach so gescheiten Linguistin zu tun, denn als sie auf der Bildfläche erschien, quälte mich schon die Befürchtung, dass die Schilderung einer unsäglichen Romanze bevorsteht. Gott sei Dank entwickeln sich die Dinge letztlich in eine andere Richtung.

 

Nach mehreren irreführenden Spuren, einer Entführung, einer satanistischen Messe samt Menschenopfer und einem (etwas knapp ausgefallenem) Actionfinale bleiben am Ende einige wesentliche Fragen ungeklärt und Andreas Wilhelm ist für meinen Geschmack ins allzu Abgehobene abgedriftet. Den Realitätsgehalt eines solchen Buches zu hinterfragen, wäre allerdings angesichts der dahinter stehenden Absicht, pure Unterhaltung phantastischer Natur zu bieten, ohnehin verfehlt. Und unterhaltsam ist der Roman allemal.

 

 

Fazit:

 

»Projekt Babylon« ist ein ordentlich geschriebener Phantastik-Thriller, der etwas zu penetrant den Fundus der esoterischen Mythen plündert, was der Originalität seines Grundgedankens abträglich ist.

Um in der ersten Liga der deutschsprachigen Schriftsteller aus diesem Genre (Andreas Eschbach oder Kai Meyer) mitzumischen, reicht es noch nicht. Doch mit den Romanen aus der Feder eines Wolfgang Hohlbeins, Jörg Kastners oder Thomas Thiemeyers vermag »Projekt Babylon« locker mitzuhalten. Wer sich für deren Bücher begeistert, kann auch hier ohne Bedenken zugreifen.

 

P.S.: Zu diesem Roman gibt es eine eigene Website, die unter dem Link

www.projekt-babylon.de

erreichbar ist. Ein weiterer Band um das Duo Lavell & Nevreux ist übrigens bereits in Arbeit.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404270309577f38e75b
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Buch:

Projekt: Babylon

Reihe: Projekte-Trilogie Band 1

Autor: Andreas Wilhelm

gebunden, 448 Seiten

Limes Verlag, 1. Februar 2006

 

ISBN-10: 3809024899

ISBN-13: 978-3809024897

 

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 25.05.2006, zuletzt aktualisiert: 05.06.2023 19:35, 2266