Saat der Zerstörung (Hellboy Bd. 1)
 
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Saat der Zerstörung

Reihe: Hellboy Bd. 1

Rezension von Christian Endres

 

Der Zauberer Rasputin, die außerirdischen Gottheiten eines H. P. Lovecrafts, ein altes Herrenhaus, das stark an Edgar Allan Poe erinnert, und ein dämonischer Ermittler, der im wahrsten Sinne des Wortes höllisch gut ist, demonstrieren bereits im ersten Band von Mike Mignolas Hellboy-Reihe, wieso Comicgrößen wie – um nur ein Beispiel heraus zu picken, das auch einen der Buchrücken der deutschen Ausgabe ziert – Alan Moore (Watchmen, From Hell, V for Vendetta) sich in Sachen Lob für diese Serie nicht zurückhalten, und wieso Hellboy ein in mehrerlei Hinsicht ziemlich abgefahrener Comic-Trip ist, den man nicht so schnell wieder vergisst ...

 

In Saat der Zerstörung begeben wir uns mit Hellboy, einem rothäutigen Dämon aus der Hölle, der in Diensten der Behörde zur Untersuchung und Abwehr panaromaler Erscheinungen – kurz, der B.U.A.P. – steht, auf die Suche nach den übersinnlichen Mördern seines menschlichen Ziehvaters, der ihn nach seiner Beschwörung durch die Nazis am Vorweihnachtsabend 1944 unter seine Fittiche genommen hat, aber auch auf die Suche nach seiner eigenen Bestimmung auf der Welt. Dass der hartgesottene Ermittler aus der Hölle sich dabei mit dem Zauberer Rasputin, der bei seiner Beschwörung damals ebenfalls schon eine Rolle gespielt hat, dem Gottwesen Sadu-Hem und dessen froschartigen Kreaturen sowie einem uralten Familienfluch anlegen muss, ist für jemanden von Hellboys Kaliber wirklich nichts Neues. Außerdem stehen ihm während der panaromalen Erlebnisse und Gefahren in dem alten Herrenhaus über dem dunklen, leblosen See Kollegen wie der Amphibienmensch Abe und die pyrokenetisch veranlagte Liz zur Seite. Schließlich werden diese beiden jedoch vorläufig außer Gefecht gesetzt, so dass es Hellboy alleine mit dem wahnsinnigen Magier Rasputin und den Geschöpfen des tentakelbewehrten Gottes aus der Tiefe aufnehmen muss, der die Jahrhunderte davor im ewigen Eis geschlummert hat und nun auf seine Freiheit sinnt. Plötzlich sieht es gar nicht gut für unseren Höllenjungen aus – zumindest bis ein weiterer Anwohner des Hauses, der bis dahin gleichsam in den dunklen Tiefen geruht hat, ebenfalls erwacht und den grauenhaften Gott zum Tanz auffordert ...

 

Betrachtet man die einzelnen Bestandteile von Saat der Zerstörung (Seed of Destruction im Original) mit etwas Abstand, dann beschleicht einen ein mulmiges Gefühl: Nazis und magische Ragnarök-Projekte? Tentakelgötter und Froschmonster? Alte Häuser und geheimnisvolle Familienflüche? Zugegeben, das alles lässt wirklich ein ziemlich trashiges, bei Zeiten kitschiges Pulp-Erlebnis vermuten, das höchstens den älteren – und damit in gewisser Weise abgehärteten – Lesern von phantastischer (Pulp-)Literatur gefallen und bei modernen Lesern aller Wahrscheinlichkeit nach auf Befremdung stoßen wird. Erstaunlicherweise ist dem aber nicht so. Viel mehr wirkt Hellboy, allen Anleihen aus den Pulps zum Trotz, eher zynisch und ernsthaft, oftmals auch dunkel und grauenvoll – aber niemals lächerlich. Mignola, der in diesem Band Schützenhilfe von Texter-Altmeister John Byrne bekommen hat, gelingt in dieser Geschichte einfach alles, so dass er sogar den bunten Klischees der Pulpsgeschichten und der überspitzten Darstellung des dritten Reichs noch etwas abgewinnen kann.

 

Sein Artwork macht dabei, obwohl es im Grunde eher schlicht und einfach, ja nahezu reduziert gehalten ist, nach kurzer Eingewöhnungs- und Umorientierungsphase großen Spaß und vermittelt trotz seiner Einfachheit auf eindrucksvolle Art und Weise eine herrlich düstere Atmosphäre, die wie die rechte Hand des Schicksals ... pardon, die wie die Faust aufs Auge passt. Wahrscheinlich braucht es aber auch genau diesen schlichten Stil, um phantastische Geschichten mit Anlehnung an die nicht immer ganz so seriöse Vergangenheit der Fantasy- und Horrorliteratur nicht ins Lächerliche abdriften zu lassen und ihnen etwas Bodenständiges zu geben. Sicherlich gewöhnungsbedürftig, birgt Mignolas Stil letztlich also genau die Portion an nüchternen Realismus, die eine Serie wie Hellboy auch unter dem kritischen Auge der Fans bunter (Superhelden-) Comichefte bestehen lässt.

 

Die Aufmachung von Cross Cult lässt ein jedes (Comic-)Sammlerherz höher schlagen. Ein Hardcover im A5-Format mit einer ungemein stabilen Bindung und so vielen Extras und grafischen Finessen, dass man sie gar nicht in einem Satz erwähnen kann. Egal ob Typographie, Redaktionsseiten, Deckblätter oder auch nur die Rückseite – in, oder besser gesagt an diesem Band stimmt einfach alles; das Styling ist perfekt und hochwertig verarbeitet, so dass selbst die Eigenwerbung am Ende des Buches edel aussieht und nicht im geringsten stört. Wer nun also immer noch glauben sollte, dass man eine gute Gestaltung nur in Hochschul-Ausstellungen oder abgehobenen Branchenmagazinen findet, der soll doch bitte einmal in diese Comic-Publikation schauen und sich eines besseren belehren lassen – denn ein solches Produkt beweist, dass Leser und Verleger im stillen Einvernehmen darüber entschieden haben, dass man auch hierzulande endlich auf qualitative und bibliophil ansprechende Ausgaben wert legt, für die man dann – im Vergleich zu anderen Veröffentlichungen mit geringerem Anspruch an diese Kriterien – auch gerne mal ein paar Euro mehr hinlegt.

 

Neben der gelungenen Aufmachung bietet der Band noch ein schönes Vorwort von Pulp- und Horror-Autor Robert Bloch, der auf knapp zwei Seiten schon richtig Appetit auf die folgende Miniserie macht, und in dem sich Bloch mit Lob für Mignola und seinen robusten Höllenjungen ebenfalls nicht zurück hält. Abrundend gibt es in Anschluss an die längere Story Hellboys ersten Auftritt in einer Kurzgeschichte aus dem San Diego Comic Con Comics #2 aus dem Jahre 1993 sowie eine weitere Story aus dem Comic Buyer´s Guide, in der sich Hellboy erstmals mit dem dritten Reich anlegt, sowie ein informatives Nachwort und eine Pin-Up-Galerie bekannter internationaler Künstler wie Frank Miller, Art Adams oder Gary Gianni, aber auch nationaler Zeichner.

 

Einen Wehmutstropfen hat jedoch auch der erste deutsche Hellboy-Sammelband, auch wenn er eigentlich nichts dafür kann und man hier eher bei den übereifrigen Sittenwächtern oder dem allgegenwärtigen Vergangenheitskomplex ansetzen müsste: Alle Szenen und Panels, in denen Hakenkreuze (darf ich das überhaupt schreiben, ohne verklagt zu werden ...?) vorkommen, wurden zensiert, was im Endeffekt bedeutet, dass wir an besagten Stellen rautenartige Gebilde, die irgendwie an Fenster erinnern, ertragen müssen. Natürlich ist das – um einmal Robert Bloch aus dem Vorwort zu zitieren – nicht mehr als Fliegendreck an der Kuppel der Sixtinischen Kapelle, doch hinterlässt es für mich als aufgeschlossenen Menschen einen mehr als faden Beigeschmack, wenn sich ein Verlag aus Angst vor rechtlichen Schritten oder negativer Publicity dazu gezwungen sieht, in das ursprüngliche Artwork des Künstlers einzugreifen. Ein verständlicher Vorgang sicherlich, der für mich aber aus einer unverständlichen Sachlage heraus resultiert, unter der schon die ein oder andere Publikation zu leiden gehabt hatte, und die schon das ein oder andere Mal Grund zur Diskussion geliefert hat. Doch Hellboy ist nun mal kein Indiana Jones, so dass sich der Höllenjunge mit einer Zensur abfinden muss. Schade, aber wirklich nur eine Bemerkung – und sicherlich kein Minus! – wert.

 

Fazit: Saat der Zerstörung ist das rundum gelungenes Debüt einer zurecht hochgelobten Serie, die es einfach verdient hat, in eine Comicsammlung aufgenommen zu werden – egal ob wegen der Story, der Zeichnungen oder einfach nur der Aufmachung halber. Mike Mignola beweist, dass altbewährte Rezepte, wenn man sie etwas durchrührt und würzt, durchaus noch ihren Reiz haben.

 

Wer also ein Faible für außergewöhnliche Mischungen hat oder sich für gut gemachte Comics begeistern kann, und wer deren Lektüre dann auch in einer schönen Ausgabe genießen möchte, der kann hier bedenkenlos zugreifen.

 

Beware of Fogs!

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032822505612427939
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Comic:

Saat der Zerstörung

Reihe: Hellboy Bd. 1

Autor: Mike Mignola (m. John Byrne)

Verlag: Cross Cult

Format: Hardcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 393648001X

Anzahl Seiten: 148

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 08.10.2005, zuletzt aktualisiert: 20.02.2023 19:18, 1328