Rezension von Ramona Schroller
Schattenreich feiert das offizielle zweite Heft - naja, Bastei hat es zumindest herausgebracht. Und das Cover sieht schon einmal vielversprechend aus ... eine junge Frau mit blutigem Mund und einem etwas anderem Kopf- und Halsschmuck. Sieht doch schon stimmungsvoll aus, die Gute. Sehen wir mal, was das Innenleben zu bieten hat.
Nun ja, dort erwartet, zumindest mich, die erste Enttäuschung in Form der Kurzgeschichte „Jäger und Berserker“ von Christian Lukas. Ein bekehrter Vampir trifft auf seinen Widersacher. Von der ersten Seite an durchschau- und vorhersehbar. Kurzzeitig hatte ich den Autor im Verdacht, eine meiner eigenen Kurzgeschichten als Sequel genommen zu haben, doch der Verdacht zerstreute sich schnell.
„Jäger und Berserker“ ist der Erstling von Christian Lukas. Wer mich kennt, der weiß, daß ich eigentlich recht wohlwollend mit solchen Geschichten umgehe und die Stärken vielleicht ein bißchen stärker hervorhebe als nötig. Hier gelingt mir das leider nicht. Die Geschichte hat einen Bart, über den der gute alte Vlad stolpern würde. Was der Autor schon nicht mit Neuem füllen konnte, versuchte er über den Stil und viel „Action“ reinzuholen. Leider wirkt das ganze auf mich, als würde Arni versuchen, „from Dust till Dawn“ als „Terminator“ nachzuspielen und dabei noch seine Rolle in „Predator“ auszufüllen.
„Jäger und Berserker“ mag einige Freunde finden, ich gehöre definitiv nicht dazu.
Dafür würde ich nur allzu gern wissen, wer sich hinter dem Pseudonym Luc Bahl verbirgt. „Blutiges Strandgut“ sollte mit dem Prädikat „sehr gut“ versehen und versilbert werden. Die Geschichte eines Schiffsjungen, der nach dem Untergang seines Schiffes herausfindet, was tatsächlich zu dessen Untergang geführt hat. Hervorragender Spannungsbogen, phantastischer Stil, gute Bilder. Kurz, in der Geschichte paßt so ziemlich alles.
Hier kann man Autor und Verlag wirklich nur gratulieren. Das kleine Tüpfelchen, das ich glaube gefunden zu haben, bringt dem ganzen keinen Abbruch, im Gegenteil. Mir war es allerdings neu, daß die Kelten Runen verwendeten, von einem Meeresgott mit einem solchen Namen habe ich auch noch nichts gehört, dennoch.
„Blutiges Strandgut“ ist eindeutig das Highlight des zweiten Heftes.
Und dann war da auch noch Charlotte Engmann, die ihren Zyklus um den Vampir Lukas fortsetzt. Diesmal hat es ihren Probanten nach Wien verschlagen, an seiner Seite kämpft die junge Vampirin und ehemalige Einbrecherin Perdita. Und gemeinsam gelingt ihnen ein kleiner Sieg gegen den Nekromanten Waidinger - wenn dieser Lukas auch eine Menge kostet.
Etwas, was mir schon eher bei Engmanns Geschichten aufgefallen ist, trifft auch hier wieder zu: Obgleich sie eindeutig weiblich ist, gelingt es ihr besser, sich in die Psyche eines Mannes einzufinden. Ihre Schilderungen durch Perdita sind nicht ganz so gelungen wie Lukas' eigenes Erleben im ersten Teil des Sechsteilers. Dennoch auch hier wieder: Lesen!!!
Bastei steigert sich langsam und kommt offensichtlich von seinen Stammautoren los. Jedenfalls, bis auf das eine Pseudonym, welches nicht gelöst wird, gibt es in Schattenreich 2 keine Autoren/innen, die man aus anderen Serien kennt. Eindeutig ein Fortschritt, denn immerhin will der Verlag mit „Schattenreich“ auch den Nachwuchs fördern. Im Falle von Heft 2 ist das zu zwei Dritteln gelungen. Hoffen wir auf die Zukunft und was sie noch bringen mag. Die Vorschau auf Heft 3 läßt hoffen.
Was ich im ersten Heft unterschlagen habe, man möge mir verzeihen, ich hielt es für Werbung, werde ich jetzt noch nachholen. Denn Schattenreich hat sich vom reinen Magazin-Roman-Heft gelöst und bietet auf der letzten Seite einen kurzen Comic. Mimikri heißt die etwas ... abwegige Probantin, und sie stammt aus der Feder von Frank Kahlfus. Die kleine Gothic-Lady erlebt auf einer Seite haarsträubende Abenteuer, so wie in Heft 2, in dem sie offenbar für einen Hamlet-Auftritt übt.
Morbid-witzig, anders kann ich diesen Kurz-Comic nicht beschreiben. Meine erste Reaktion war ein amüsiertes Kichern bei der Auflösung. Herrlich! Bastei und Herr Kahlfus, bitte, macht mit diesem Mädel weiter!
Als letztes kommen wir wieder zum Magazin-Teil, in dem einige Cd-Tips gegeben werden. Ebenso wird ein Club in München vorgestellt, der sich recht interessant anhört - nur ziemlih weit weg von mir, sonst könnte ich mich vielleicht sogar erwärmen. Morpheus schließlich, zuständiger Lektor für Schattenreich, bringt einen kurzen Einblick in die Herstellung eines Romanheftes. Interessant zu wissen.
Alles in allem dürfte inzwischen, zumindest von den Geschichten her, von einem gelungenen Start zu sprechen sein. Bisher hat sich die Qualität von Heft zu Heft ein wenig gesteigert, die Namen werden unbekannter, was jedoch dem ganzen Bild keinen Abbruch tut, sondern, ganz im Gegenteil, ein gutes Gefühl zurückläßt.
Mein Fazit:
Auch wenn man sich nicht für die Gothic-Szene interessiert, die Geschichten lohnen sich allemal. Kaufen!
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