science-fiction (Autor: Sascha Mamczak)
 
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science-fiction von Sascha Mamczak

Rezension von Matthias Hofmann

 

Der Reclam Verlag, bekannt durch seine knallgelben Heftchen, die Millionen von Schülern preisgünstig Literaturklassiker nahebrachten, hat seit einiger Zeit eine Reihe mit dem Titel 100 Seiten im Portfolio.

 

Dieser Name ist Programm. Auf exakt 100 Seiten will man Wissen vermitteln, zu aktuellen und relevanten Themen aus Kultur und Geschichte, Naturwissenschaft und Gesellschaft. Laut Verlag haben die Autoren jeweils einen besonderen Bezug zu ihrem Thema und würde es verstehen, den Leser dafür zu begeistern. Abbildungen, Rankings und Infografiken lockern den Text auf. Wer sich nicht bei der Lektüre stören lässt und ein schneller Leser ist, dem bieten die Bände ideale Lektüre für Zwischendurch: 100 Seiten für 100 Minuten.

 

Bis Mitte 2021 sind stolze 71 Titel erschienen. Die Bandbreite der Themen ist enorm. Von Alfred Hitchcock über Feminismus, Katzen, Monty Python zu Vampiren, Wasser und Zen. Aber auch Game of Thrones, Ikea, Langeweile, Rammstein, Peanuts, Sex, Star Wars, Superhelden und Trash-TV haben ihr eigenes Büchlein bekommen.

 

Und nun science-fiction. Auf dem Umschlag klein und Duden-konform mit Bindestrich geschrieben, obwohl das falsch ist, wie jeder Anhänger von Science Fiction seit der Prägung des Begriffs weiß. Aber die deutschen Duden-Behüterinnen und -Behüter sind ja keine echten SF-Fans.

 

Geschrieben wurde »science-fiction« von keinem geringeren als Sascha Mamczak. Das ist der Nachfolger von Wolfgang Jeschke beim Heyne Verlag, der nie so richtig aus dessen Schatten heraustreten konnte. Nicht unbedingt, weil Jeschkes Fußstapfen zu groß wären (sie sind es), sondern, weil sich das einstmals renommierte und wegweisende Science-Fiction-Programm bei Heyne seit dem Abgang von Jeschke auf Grund der äußeren Umstände nie mehr erholen konnte. Da kann sich jeder Nachfolger noch so abmühen, diese glorreichen Zeiten, wird man nie mehr toppen können.

Nichts desto trotz gilt Sascha Mamczak unbestritten als Kenner des Genres und ist daher eine sehr gute Wahl für ein 100-Seiten-Reclam-Büchlein zum Thema Science Fiction. Neben seiner Tätigkeit als Lektor und Herausgeber hat er auch schon das ein oder andere Sekundärbuch zum Thema verfasst. So erschien bei Heyne 2014 das Werk Die Zukunft. Eine Einführung, oder 2015 das Buch Der Weg zum Mars: Aufbruch in eine neue Welt, mit welchem er, zusammen mit Sebastian Pirling, ein anschauliches, gut zu lesendes Sachbuch über den Stand von Forschung und Technik und den Visionen für die Reise des Menschen zum roten Planeten vorlegte.

 

Mamczak beschreibt die Science Fiction als »Genre, das es gar nicht gibt« und erklärt die Funktionsweise von SF durch einen Vergleich mit Origami. Das ist ein Begriff aus Japan und er steht für die Kunst des Papierfaltens. Aus einem flachen Blatt Papier entstehen durch Origami zwei- oder dreidimensionale Objekte. Ein Origami-Klassiker ist z. B. ein Vogel, wie der Kranich.

 

Laut Mamczak funktioniert die Kunst der Science Fiction so: »Sie falten einen Punkt A im Hier und Jetzt, auf dem Planeten Erde, in der Gegenwart, mit einem Punkt B im Dort und Dann, der räumlich oder zeitlich oder räumlich und zeitlich denkbar weit vom Hier und Jetzt entfernt ist, zu einer Geschichte, die weder im Hier und Jetzt noch im Dort und Dann spielt, sondern in einer höheren Dimension: in einem Imaginationsraum, in dem das Dort und Dann mit dem Hier und Jetzt verschmilzt«.

 

Eine spannende These, die Mamczak auch mit Beispielen belegt, u. a. mit Isaac Asimovs Kurzgeschichte Nightfall, unbestritten eines der absoluten Meisterwerke der SF.

Mamczak gibt nicht nur Erklärungen und Thesen zum besten, die SF begreifbar machen, sondern arbeitet sich auch durch die Geschichte der SF. Hier werden Kenner des Genres viele bekannte Informationen vorfinden, aber in dieser Konzentration ist das Ganze dennoch brauchbar zum Auffrischen von SF-Wissen.

 

Für meinen Geschmack vertändelt der Autor zu viel Zeit und Seiten mit den Ursprüngen und versucht die Anfänge der SF-Literatur stärker vor Mary W. Shelleys Frankenstein anzusiedeln.

Das kann man machen, aber Brian W. Aldiss hat bereits 1973 in seinem Sekundärwerk The Billion Year Spree sehr schön erklärt, warum das Shelleys Werk aus dem Jahre 1818 nicht nur ein Schauerroman, sondern der erste echte SF-Roman ist.

 

Durch diesen leichten Schwerpunkt auf der alten Literatur wird das 20. Jahrhundert recht flott abgehandelt und für einen Blick auf die neusten Strömungen des 21. Jahrhunderts ist dann zu wenig Platz. Es durften ja nur 100 Seiten gefüllt werden.

 

So wundert es nicht, dass Mamczak bereits an einem weiteren Buch zum Thema schreibt, welches eventuell einige Inhalte des Reclam-Buchs recycelt. Bei Heyne ist für den 11. Juli 2022 das Buch Die Kunst der Science-Fiction angekündigt. Das soll ca. 220 Seiten haben, also mehr als doppelt so viele.

 

Insgesamt ist das Reclam-Büchlein von Sascha Mamczak eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich für das Thema interessieren. Es bietet einen schönen Überblick und zeigt viele Facetten, die beweisen, dass die SF mit ihrem Ideenreichtum und visionärer Kraft nicht nur unterhalten kann, sondern viel Raum für Gedankenspiele bietet.

 

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Buch:

science-fiction

Autor: Sascha Mamczak

Taschenbuch, 100 Seiten

Reclam 16. Juli 2021

 

ISBN-10: 3150205743

ISBN-13: 978-3150205747

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B099BQSGZW

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 18.09.2021, zuletzt aktualisiert: 08.03.2024 15:06, 20114