Im Gespräch mit Terry Pratchett
 
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Im Gespräch mit Terry Pratchett

Redakteur: Ralf Steinberg

 

FantasyGuide: Hallo Herr Pratchett. In Deutschland sind Sie alles andere als unbekannt. Gibt es trotzdem immer noch etwas, das Ihre deutschen Fans unbedingt über Sie wissen sollten?

 

Terry Pratchett: Gott bewahre, ich gebe doch schon genug Interviews! Ich denke, dass es da nichts mehr zu wissen gibt.

 

FantasyGuide: Ich frage mich immer wieder, wie Sie auf die Idee gekommen sind, eine Welt mit der Form einer Scheibe zu erschaffen. Wann passierte das, und wo hielten Sie sich zu der Zeit auf?

 

Terry Pratchett: Anscheinend wird eine ganze Reihe der Interviews doch nicht gelesen. Sieh, die Idee, dass die Welt eine Scheibe – eine Platte – ist, ist nun wirklich keine neue und viel mehr sogar eine altertümliche Vorstellung, und auch die Schildkröte und die Elefanten stammen direkt aus der Mythologie. Zum ersten Mal kam ich mit dieser Idee in Berührung, als ich neun Jahre alt war und gerade ein Buch über Astronomie las. Diese Idee als Ausgangspunkt für Fantasy zu benutzen ... hmm, das hat sich irgendwann während der 70er entwickelt.

 

FantasyGuide: Was sind Ihre zukünftigen Pläne für Rincewind?

 

Terry Pratchett: Er wird möglicherweise eine Hauptrolle in dem nächsten Scheibenwelt-Roman für Erwachsene nach „Thud“ spielen, welcher dann wieder ein wenig heiterer als die letzten Bücher sein wird. Ich vermeide es zwar tunlichst, zu viele Bücher nach dem Schema „Was würde passieren, wenn X auf der Scheibenwelt eingeführt werden würde“ anzugehen, doch denke ich, dass es sicherlich interessant zu sehen sein dürfte, wie sie Fußball aufnehmen ...

 

FantasyGuide: Viele Deutsch-Englisch Wörterbücher versagen, wenn Fans Ihre Bücher im Original lesen wollen. Denken Sie, dass es überall auf der Welt möglich ist, den „wirklichen Terry Pratchett“ zu genießen, oder fürchten Sie, dass es meistens wahrscheinlich eher ein fahler Abklatsch des Originals ist und viel durch die Übersetzung verloren geht?

 

Terry Pratchett: Englisch ist eine tolle Sprache für Unsinn und Klamauk – Deutsch ist eine gute Sprache für das Bauen von Autos! Wir haben wirklich eine große, schlampige Sprache, die gegenüber allerhand Wortspielereien und Wortwitz ziemlich tolerant ist. Alles was ich zum Thema Übersetzungen in andere Sprachen sagen kann, ist, dass ich eine große Leserschaft in Deutschland habe, Security-Leute zum Schutz vor den begeisterten Mengen in Polen brauche und eine große Zahl Fans in Tschechen habe – also müssen die Übersetzer irgendetwas richtig machen.

 

FantasyGuide: Andreas Brandhorst, der deutsche Übersetzer Ihrer Scheibenwelt-Romane, spricht in einem Interview von einem sehr engen Kontakt mit Ihnen. Können Sie die Qualität der deutschen Übersetzung beurteilen?

 

Terry Pratchett: Ich würde eher regelmäßig als eng sagen, doch helfe ich, wann immer ich gefragt werde! Nein, meine Deutschkenntnisse reichen nicht aus, um mir ein gerechtes Urteil zu bilden, doch bietet mir die Größe der Leserschaft Grund zu Optimismus.

 

FantasyGuide: Ist Ihr Vokabular wirklich dermaßen riesig?

 

Terry Pratchett: Nun – ja. Aber ich habe ihm nie großartig Aufmerksamkeit geschenkt.

 

FantasyGuide: Gibt es etwas über angedachte Filme oder neue Spiele, die im Scheibenwelt-Universum angesiedelt sind, zu berichten? Planen Sie in dieser Hinsicht irgendetwas Neues?

 

Terry Pratchett: Spiele sind keine geplant. Filme? Nun, es gibt da ein paar Fanprojekte, sowie ein Fernseh-Projekt, das ziemlich gut aussieht (über das ich im Moment aber wirklich nicht sprechen kann). Ich kriege andauernd Angebote und Vorschläge für Filme, doch kommen sie meistens von Leuten, die lediglich Ideen und kein Geld haben – oder von Leuten, die nur die Rechte und Lizenzen kaufen möchten, so dass sie diese wiederum eines Tages an jemand anderen verkaufen können.

 

FantasyGuide: Lesen Sie Scheibenwelt-Fanfiction im Internet?

 

Terry Pratchett: Nein! Ich interessiere mich nicht für Fanfic, mache aber stets deutlich, dass ich Sie nicht lese. Es wäre sonst lediglich eine Frage der Zeit, bis ich beschuldigt werden würde, Ideen zu klauen. Irgendjemand da draußen wäre sicherlich dreist genug, das zu versuchen.

 

FantasyGuide: Erarbeiten Sie Ihre Handlungsbögen, indem Sie sich an einem zuvor ersonnenen, groben Gerüst orientieren und während des Schreibens daran entlanghangeln, oder planen Sie im Vorfeld auch schon ganz bestimmte Details? Womit ich meine – wissen Sie bereits im Vorfeld, was beispielsweise Vetinari sagen wird, oder lassen Sie sich und damit ihm während des Schreibens genügend Raum, um einem Umstand entsprechend zu reagieren?

 

Terry Pratchett: Ich fange immer mit einem ersten Entwurf an, der auf einem kleinen Zettel Zettel Platz finden würde. Vieles, das sich in den Büchern entwickelt, ist genau das, was Wissenschaftler als „Emergence“ bezeichnen – also Dinge, die sich aus dem (weiter-)entwickeln, was ich mir zu Anfang gedacht und bis dahin umgesetzt habe, und Dinge, an die ich zuvor nicht gedacht habe, die nun aber offensichtlich und nahe liegend sind. Du kannst es als eine kontrollierte Folge von glücklichen Unfällen bezeichnen. Oder schlicht als Glück, möglicherweise. Und je härter ich arbeite, desto mehr Glück habe ich ...

 

FantasyGuide: Gerade heraus gesagt, ist mir jemand, der imstande ist, wie Vetinari zu denken, ein bisschen gruselig. Sie sind sein Schöpfer – sind Sie so clever oder was? ;-)

 

Terry Pratchett: Wahrscheinlich was.

 

FantasyGuide: Die Heiterkeit wurde als Evolutionssprung der Ästhetik bezeichnet. Welche Rolle hat der Humor in der Phantastik für Sie?

 

Terry Pratchett: Ich kann mir nicht vorstellen, einen Roman ohne Humor zu schreiben. Ich meine nun nicht explizit Gags und Späße, sondern den natürlichen Humor, der sich aus einer Situation oder bestimmten Charakteren heraus zwangsläufig ergibt. Die späteren Scheibenwelt-Bücher und die Bücher für Kinder sind ernster, denke ich, doch meint das ja nicht gleich das Gegenteil von lustig und witzig. Selbst in der dunkelsten Situation gibt es eine Nische für Humor.

 

FantasyGuide: Kennen Sie sich in der Szene aus und haben Sie Favoriten unter den Werken anderer Satiriker?

 

Terry Pratchett: Ich lese momentan nicht viel Satire – dafür aber einiges von außerhalb des Genres (Carl Hiassen sei hier einmal als ein Favorit genannt). Wenn ich zum Lesen komme, dann ist es nicht viel Fantasy; ein Großteil dessen, was ich lese, stammt aus den Bereichen Wissenschaft und Geschichte.

 

FantasyGuide: Welche Figur/en mögen Sie heute überhaupt nicht mehr? Und welcher würden Sie unter keinen Umständen begegnen wollen?

 

Terry Pratchett: Allen. Erinnerst du dich? Ich schreibe sie immerhin. Wenn ich sie auf der Straße treffen würde, würde das bedeuten, dass ich verrückt geworden bin. Würde ich eine von ihnen treffen, könnte das natürlich auch bedeuten, dass ich zu Leben aufgehört habe ...

 

FantasyGuide: Können Sie sich einen Scheibenwelt-Roman vorstellen, der Ihnen gefällt, aber Ihren Fans nicht?

 

Terry Pratchett: Nein. Zumindest hoffe ich das.

 

FantasyGuide: Wie nehmen Sie Rincewind wahr? Ist er der Idiot, für den jedermann ihn hält, ist er lediglich eine vernünftige Person oder ist er irgendetwas dazwischen (und wenn das der Fall sein sollte – wie würden Sie ihn definieren?)

 

Terry Pratchett: Rincewind ist vernünftig. Er möchte nicht sterben. Doch ich denke auch, dass er verstanden hat, dass er eben nicht stirbt, wenn er seine Zeit darauf verwendet, fast zu sterben. Er ist nicht der, für den es sich am einfachsten schreiben ließe, aber ich kann mir nicht helfen, ich mag ihn.

 

FantasyGuide: Was wurde aus dem Film zu „Mort“ („Gevatter Tod“)?

 

Terry Pratchett: Es zuckt gelegentlich, sieht aber tot aus. Es ist erstaunlich, oder? Wen ich rüber zum Club Berühmter Fantasy-Autoren gehe, lachen sie mich aus und sorgen dafür, dass ich den Abwasch mache.

 

FantasyGuide: Wenn sie das volle Mitspracherecht für einen Scheibenwelt-Film hätten – welche (Haupt-)Rollen würden Sie wie besetzen?

 

Terry Pratchett: Christopher Lee als die Stimme des Todes, Peter Postlethwaite als Vimes (obwohl er langsam zu alt für die Rolle wird.) Ich habe meine Überlegungen zu Granny Weatherwax immer wieder geändert. Chris Langham würde einen grandiosen Rincewind abgegeben.

 

FantasyGuide: Was wurde aus Ihrer Science Fiction Roman-Serie?

 

Terry Pratchett: Die Sache sieht so aus: Ich schreibe schon zwei Bücher pro Jahr. Wenn es nicht mehr sind, hatte ich einfach keine Zeit.

 

FantasyGuide: Werden Sie in Zukunft weitere Nicht-Scheibenwelt-Romane schreiben? Und können Sie uns vielleicht schon etwas über ein solches Buch erzählen?

 

Terry Pratchett: Da sind ein Fantasy- und ein SciFi-Buch in Planung, doch möchte ich darüber im Moment noch nichts sagen. Momentan erwähne ich lieber die Bücher, für die Amazon schon Vorbestellungen annimmt! Doch ich weiß schon in etwa, wie die oben erwähnen Bücher aussehen sollen, und mit etwas Glück werden sie eines Tages auch noch geschrieben. Zwischenzeitlich gilt, dass die Scheibenwelt ein großer Ort ist. Es gibt immer noch viele Geschichten zu erzählen ...

 

FantasyGuide: Herr Pratchett, wir danken Ihnen und Ihrem Agenten für die kooperative Zusammenarbeit und wünschen Ihnen viel Erfolg für die Zukunft.

 

Terry Pratchett: Alles Gute!

 

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Erstellt: 28.10.2005, zuletzt aktualisiert: 23.10.2018 22:06, 1453