Rezension von Cronn
Ich steige auf meinen Gleiter und sause los. Unter mir braust die Sand-, Wasser, und Grasoberfläche des Planeten hinweg. Ich begegne anderen Gleiterpiloten. Händler, die ihre zu großen Ballen verpackten Waren auf dem Rücksitz festgezurrt haben. Andere benutzen Snowspeeder wie auf Tatooine, was im Vergleich zu meinem Einsitzer regelrecht luxuriös wirkt.
Daneben grasen ganze Herden von Büffel-artigen Tieren. Am Himmel ziehen Tie-Fighter und imperiale Truppentransporter vorbei, erschrecken dabei vogelartige Tiere.
Schließlich höre ich per Com-Link, dass Piraten eine imperialen Händler überfallen und seine Waren geklaut haben. Ich beeile mich, den Stormtrooper zuvorzukommen und den Piraten ihr Diebesgut seinerseits zu stehlen.
Ein kurzer Schwenk nach links und hinein in ein Flusstal, das in den Bergen endet. Dort haben die Piraten ihren Unterschlupf in einer Höhle. Davor stehen die Kisten, ein paar Gleiter und einige der Halunken.
Sofort zischen mir rote Laserstrahl-Salven entgegen. Ich steige vom Gleiter und gehe hinter einer Kiste in Deckung. Gekonnt nehme ich die Kerle ins Visier meines Blasters. Einer nach dem anderen fällt unter meinen Schüssen.
Doch plötzlich fällt eine von den Piraten geworfene Granate hinter mir zu Boden. Ich muss meine Deckung schnell verlassen, hetze nach rechts zum nächsten Kistenstapel. Damit bin ich außer Sichtweite und kann mich von der Flanke her nähern.
Da steht ein Pirat mit dem Rücken zu mir. Er hört mich nicht, da ich mich anschleiche. Und – zack – schon verpasse ich ihn mit einem Handkantenschlag ins Reich der Träume. Aber die anderen haben es gesehen und schon wieder geht der Shootout weiter …
Star Wars: Outlaws heißt der neueste Titel im Programm von Ubisoft. Entwickelt wurde das AAA-Abenteuer von Massive Entertainment, die bereit mit The Devision und Avatar: Frontiers of Pandora von sich Reden gemacht haben.
Doch wie gelungen ist der Versuch geworden, im Star-Wars-Universum eine Open-World anzusiedeln? Die nachfolgende Rezension soll dies aufzeigen.
»Star Wars: Outlaws« hat im Vorfeld diverse Zweifel aufgerührt. Einige Kritiker äußerten sich besorgt über die Open-World-Komponente, befürchteten eine Überfrachtung des Games mit der sogenannten »Ubisoft-Formel«, einer Vielzahl von Icons auf der Karte und sinnlosen Beschäftigungs- und Sammelquests. Diesem Fallstrick ist »Star Wars: Outlaws« bravourös entkommen.
Das Journal des Games gibt sich aufgeräumt. Stets ist klar, was Haupt-, Neben- und Fraktionsquests sind. Man kann das Spiel durchspielen, indem man sich auf die Hauptquests fokussiert und muss nicht zwangsläufig alles in der Open-World abgrasen. Das macht »Star Wars: Outlaws« zu einem klar strukturierten Game. Für die Hauptquest kann man 15 – 20 Stunden ansetzen, bis ca. 30 Stunden für alle anderen Inhalte.
Die Gameplay-Mechaniken von »Star Wars: Outlaws« setzen sich aus Erkunden, Schießereien und Schleichpassagen zusammen. Das Erkunden der Open-World ist deutlich interessanter als bei so manch anderen Open-World-Games, da die Welten liebevoll mit Details designt wurden.
Es gibt immer etwas zu entdecken auf den Welten und sie sind auch nicht so übermäßig groß, dass man mit viel Leerlauf rechnen muss. Die Erkundungspassagen sind dabei ähnlich wie bei Uncharted oder der neuen Tomb Raider-Reihe mit Klettern und kleinen Rätseln aufgepeppt, wie dem Hacking-Spiel oder dem Datenstick-Türöffnen. Diverse Nebenbeschäftigungen wie das Casino-Spiel »Sabbac« gibt es obendrein auch noch.
Die Schießereien spielen sich erstaunlich flott und hier wirkt »Star Wars: Outlaws« fast wie ein Deckungsshooter, obgleich es keine Taste für das Anlehnen gibt. Die KI der Sturmtruppler ist recht ordentlich fordernd, wobei mit komplexen Manövern nicht zu rechnen ist. Der Standardblaster ist aufrüstbar und sogar vom Design her veränderbar. Erobert man andere Waffen wie Sturm- oder Snipergewehre (natürlich keine realen Vorbilder, sondern passend designt im Star Wars Universum) kann man diese aufheben, verliert sie aber beim Klettern über Leitern, was sehr schade und nicht nachvollziehbar ist. Mit Granaten kann man die Gegner ebenfalls beharken.
Die Schleichpassagen sind durchaus anspruchsvoll. Die Gegner sehen einen über größere Distanzen hinweg oder nehmen auch wahr, wenn ihre Kameraden zu Boden gehen. Das kann zu einigen Frustmomenten führen. Inzwischen ist ein Patch erschienen, der das Schleichmoment anpasst.
Ein Highlight ist Nix, der tierische Sidekick von Kay Vess. Das possierliche Tierchen war schon in mehreren Trailern zu sehen und bietet auch im Spiel selbst einen Mehrwert. Kay Vess kann Nix Befehle erteilen, sodass der Sidekick Gegner ablenken, angreifen kann oder Türen öffnen, Notrufpanele sabotieren kann u. s. w. Das macht Spaß und erweitert die Möglichkeiten des Spielers, seine Erfahrung dem individuellen Spielstil anzupassen.
Geht es in den Weltraum, so ist das Spiel mit einer Zwischensequenz bei der Hand, die geschickt die Ladezeit überbrückt. Man kann also nicht selbst nahtlos ins Weltall fliegen, wie bei No Man’s Sky. Doch das ist stellte sich als nicht negativ heraus. Im All selbst düst man in der Draufsicht mit dem Raumschiff von Planet zu Planet und kann dabei andere Gegnerschiffe abschießen und entdeckt in Wrackfeldern Geheimnisse. Der Anspruch der Gefechte kann dabei angepasst werden und sollte niemanden überfordern. Diese Passagen im All stellen aber die schwächsten des Spiels dar und bieten kaum Innovationen.
Unter der Haube von »Star Wars: Outlaws« arbeitet die Snowdrop-Engine, die von Massive Entertainment entwickelt wurde. Dementsprechend gut kennen sich die Macher von »Star Wars: Outlaws« damit aus und haben wunderschön designte Welten entworfen. Dabei ist von Vorteil, dass das Game nicht geleckt aussieht, sondern greifbar haptisch und »gebraucht«. Die Oberflächen sind hochtexturiert und damit kommen Rost, Kratzer und dergleichen sehr gut sichtbar raus. Auch Partikel- und Shadereffekte sowie Raytracing sind auf entsprechender Hardware ein Augenschmaus. Leider geht das einher mit hohen Anforderungen an die Power der Grafikkarte. Aber »Star Wars: Outlaws« ist tadellos in den Optionen anpassbar. Hier kann man sich durch mehrere Menüs arbeiten und die Grafik anpassen.
Löblicherweise gilt das auch für andere Bereiche des Spiels. Sehr viel kann hier in den Optionsmenüs verändert werden. So viele Möglichkeiten der Anpassung des Spielerlebnisses sollte jeder Entwickler den Gamern bieten, super!
Auch der Sound und die Musik sind auf höchstem Niveau. Die Musik hat klare Star-Wars-Anklänge, ohne dabei die bekannten Themen zu kopieren. Die Sounds sind knackscharf und erkennbar übernommen von den Filmen. Die zischenden Laserschüsse und das Tie-Fighter-Heulen lassen Star-Wars-Feeling aufkommen.
»Star Wars: Outlaws« bietet eine Han-Solo-Erfahrung mit einer weiblichen Heldin, die sympathisch rüberkommt und einen tierischen Begleiter hat, der einen nicht zu bestreitenden Knuddelfaktor besitzt. Die Story ist toll, das Gameplay fluffig und mit den unterschiedlichen Fraktionen interessant besetzt. Einzig die Weltraumabschnitte waren durchschnittlich und wenig inspirierend.
Abgesehen davon ist »Star Wars: Outlaws« aber ein Titel, der nichts gravierend falsch macht und die besten Zutaten in ein Spielerlebnis packt, das Lust macht, noch mehr davon zu haben.
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