Totendämmerung (Autor: Laurent Botti)
 
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Totendämmerung von Laurent Botti

Rezension von Carina Schöning

 

Eines Tages werden schreckliche Dinge geschehen, und von diesem Tag an wird nichts je wieder so sein wie zuvor…

 

Knapp drei Jahre sind nach dem schrecklichen Unfall vergangen. Damals ist Bastien Moreaus kleiner Bruder Jules aus seinem Kinderbuggy gekrabbelt und wurde von einem vorbeifahrenden Mercedes tödlich erwischt. Seine Mutter Caroline hat sich selbst die Schuld an dieser Tragödie gegeben und die ehemals so fröhliche und schöne Kunststudentin verfiel immer mehr in tiefen Depressionen. Bastiens Vater Daniel Moreau sah die einzige Rettung in einen sauberen Schlussstrich und begann sich nach anderen Wohnungen umzusehen. Nun ist es soweit. Die Kosmetikfirma Hecticon hat ihm einen lukrativen Job in ihren Labors angeboten und die Moreaus ziehen in die malerische Kleinstadt Laville-Saint-Jour mitten in der Bourgogne. Die Stadt in der Nähe von Dijon liegt etwas versteckt und wird regelmäßig durch einen dicken Nebel verhüllt. Bastien muss seinen besten Freund Patoche verlassen und erlebt den „normalen“ Schulterror von Neulingen. In die angesehne Privatschule Saint-Exupéry kommt man nur durch besondere Empfehlungen oder geerbten Reichtum. Natürlich gibt es auch die eingeschworenen Cliquen und Bastien fühlt sich vom ersten Schultag an unwohl zwischen den dekadenten und arroganten Laviller. Zudem quälen ihn nachts Albträume und er erhält scheinbar unsinnige Emails von seinem toten Bruder Jules.

 

Zur gleichen Zeit ermittelt der Kommissar Claudio Bertegui in einem seltsamen Todesfall. Die alte Witwe Odile Le Garrec wurde mit Herzversagen tot in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. In ihrer Hand hielt sie ihren Telefonhörer, doch anscheinend wurde die Leitung vorab durchgeschnitten. Der ehrgeizige Claudio tappt bei seinen Ermittlungen im Dunklen. Seit er vor ein paar Jahren von Paris in die Kleinstadt Laville-Saint-Jour versetzt wurde, kämpft er mit der Verschwiegenheit der verschrobenen Bürger. Kriminelle Handlungen werden einfach so gedeckt und über das große Geheimnis der Vergangenheit spricht man nicht. Selbst die Akten zu den früheren Verbrechen sind einfach so verschwunden, doch bald schon geschieht der nächste Mord.

 

Währenddessen kämpft die junge und engagierte Französisch-Lehrerin Audrey Miller gegen ihren Exmann, der sie betrogen hat und nur durch einen Trick das Sorgerecht für ihren gemeinsamen Sohn erhalten hat. Sie ist ihm hinterher nach Laville-Saint-Jour gezogen und arbeitet in der Privatschule Saint-Exupéry. Auch sie muss mit den arroganten Laviller zurecht kommen und stößt auf so manche Blockade. Als sie bei einer Lesung des eigenbrötlerischen Schriftstellers Nicolas Le Garrec bemerkt wie sich der neue Schüler Bastien Moreau urplötzlich die Seele aus dem Leib schreit, fängt sie an unangenehme Fragen zu stellen.

 

„Totendämmerung“ ist der vierte Roman des französischen Autors Laurent Botti, der in seinem Heimatland sehr erfolgreich ist. Der bekennende Stephen-King-Fan mixt hier die verschiedensten Horror-Elemente und Versatzstücke zusammen. Einige Ideen sind dabei schon recht abgedroschen, aber die eigenwillige Mischung ist einfach spannend und mitreißend: der gewöhnliche Schulterror von Außenseitern gemischt mit Coming-of-Age Drama und den Gefühlen der ersten Liebe. Dazu ein schreckliches Familenerbe, düstere Kellergewölbe unterhalb der Stadt, dunkle Machenschaften der reichen Industriellen und ihre verschrobenen Eigenheiten, Arroganz und Dekadenz der verschiedenen Cliquen, brutale Misshandlungen und Folterung von Tieren, satanische Rituale und widerliche Kinderschänder … und über alldem Ganzen liegt der geheimnisvolle weiße Nebel, die rachsüchtigen Geister der getöteten Kinder. Das ist starker Tobak und vor allem sehr vielschichtig und ausführlich. Erst nach und nach erschließt sich der ganze Sinn und man begreift als Leser die Zusammenhänge zwischen den drei Nebenhandlungen. Dabei gelingt es Laurent Botti trotz seines anfangs eher holprigen Stils zu fesseln. Geschickt spielt er mit der Erwartungshaltung des Lesers und baut die eine und andere überraschende Wendung ein. Die Figuren sind dabei ähnlich vielschichtig und ausführlich wie die Themen. Selbst die Nebenfiguren werden gekonnt und glaubwürdig dargestellt.

Der Horror wird dabei im Laufe der Handlung immer mystischer. Etwas ungewöhnlich ist, dass Geister heutzutage nicht mehr mit Blut auf Spiegeln schreiben oder per Hexenbrettern kommunizieren, sondern einfach Emails über MSN schreiben. Das ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack und wird Fans des klassischen Horrors eher verschrecken. Auch die Auflösung hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Der Schluss überrascht zwar, lässt jedoch einige Fragen offen und auch eine Fortsetzung wäre theoretisch möglich. Dennoch lohnt sich der Roman. Der französische Autor zeichnet ein erschreckendes Bild von verstörten Kindern und falschen Familienidyllen. Durch einige Querverweise zu reale Ereignisse wie die Hexenverfolgung von Arras oder auch Kinderschänder Marc Dutroux wirkt die Fiktion beängstigend realistisch. Gewalt, Folter und Satanismus sind hier scheinbar an der Tagesordnung.

 

Insgesamt ist „Totendämmerung“ ein spannender und fesselnder Mix aus Thriller und Horror mit übersinnlicher Note. Der französische Autor verwendet zwar die gängige Horrorklischee, aber interpretiert sie etwas anderes und punktet mit Vielschichtigkeit.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425174425bbcc3ee6
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Totendämmerung

Autor: Laurent Botti

Deutsche Erstausgabe 2009

Französische Originalausgabe 2007 „Un jour, des choses terribles…“

Übersetzung Nora Schreiber

Umschlamotiv Wolf Huber

Goldmann Verlag

Taschenbuch, 729 Seiten

ISBN 978-3-442-46735-8

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 11.02.2009, zuletzt aktualisiert: 02.12.2021 18:51, 8226