Uskus Visite (Autor: Doog Dancaw)
 
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Uskus Visite

Autor: Douglas „Doog“ Dancaw

 

Uskus Visite

 

Grundsätzlich war Usku Fulf nicht die Art Sandzwerg, die zweimal an einen Ort zurückkehrt. Im Falle seiner Heimatstadt Cronoth machte er aus Sentimentalität eine Ausnahme. Und bereute sie bitter.

Usku schüttelte sich den Sand aus den Haaren und marschierte über die Meisterdüne hinunter zur Stadt. Wie eine kleine Oase lag sie in der Morawüste.

Der Drachengott Furor hatte die Sandzwerge zum Gaudium der Götter erschaffen. Sie starben nicht im herkömmlichen Sinne, sondern verwandelten sich in ein Windrad, eine Streitaxt oder eine Birke. So transformiert, bereicherten sie das Leben ihrer Artgenossen, bis sie zu Sand zerfielen, nur um eines Tages wieder daraus aufzuerstehen. Es war ein Volk voller Überraschungen und sorgte für Heidenspaß an den Tafeln der Götter, wenn man sie beim Nachtisch wie ein Frühstücksei köpfte.

Und Cronoth bestand aus vielen Generationen von Sandzwergen, denn die Götter liebten lange Dessertgelage.

Das Zentrum der Stadt bestand aus der Familie Kongogl, die Zwillinge Shyradaggil deckten das Dach der Taverne und Großmeister Abalseng war eine einladende Bank im Schatten des Rathauses. Es gab nur einen Nachteil im Leben der Sandzwerge. Sie waren ausschließlich Männer.

Der gedrungene Krieger stapfte über die Hauptstraße ins Herz seines Geburtsortes.

Vorbei an der Schwerthalle der Alten, der Magierhütte und den Statuen der letzten Sieben, schleppte sich Usku in Richtung Taverne. Beherzt trat er die Tür auf.

Gemeinhin waren Zwergentavernen die unmöglichsten gastronomischen Einrichtungen Rôhons. Die Wirte waren ehemalige Verbrecher, das Bier war mit Schnaps gestreckt und die Band kannte nur drei Lieder, von denen jedes einen dreckigen Text, einzig zum Mitgröhlen bestimmte Melodien und in jedem Fall götterlästerliche Überzeugungen transportierte. Somit perfekt geeignet für jeden offiziellen Anlass. Das »Leere Fass« war so gesehen die Archekneipe.

Eckige Gestalten mit gedrungenen Gesichtern hockten an Tischen, den Bart tief ins Bier getaucht, um nur ja nicht die Nase in die Tabakschwaden stecken zu müssen, die unter den dicken Balken der Decke hingen. Wie alle Zwergentavernen verfügte auch das »Leere Fass« über ein Mikrowetter, und wenn die Wolken zu dicht wurden, konnte es durchaus zu einem ordentlichen Regenguss kommen.

Usku schritt durch den Schankraum und knallte seinen Rucksack samt Schwert auf den Tresen.

»Herr Wirt, ein Bier!«

Ein fetter Zwerg humpelte aus dem Hinterzimmer. Mit stechenden Augen fixierte er Usku und raunte: »Wir haben kein Bier für Fremde«. Die Kneipengäste drehten ihre Schädel in Richtung Neuankömmling.

»Ich bin hier nicht fremd, Meister Turuntackel. Ich bin hier geboren und war zehn Jahre lang auf Reisen. Mein Name ist Fulf. Usku Fulf.«

»Ach. Nun, so wie Sie reden, meint man, Sie sind irgendwo aus dem Reich der Riesenkönige«. Der Wirt ergriff einen Holzhumpen und füllte ihn mit Bier aus einem Fass. Finster schob er dem Krieger das schäumende Gebräu unter die Nase.

»Es könnte auch am Bart liegen«.

»Wieso?«

»Richtige Sandzwerge haben einen«.

Usku zuckte mit den Schultern und versenkte den vollen Liter in seinem Magen.

 

Drei Humpen und vier Worte später, machte sich Usku wieder auf den Weg.

Das Haus seines Vaters lag direkt neben der Schmiede. Er atmete ein paarmal tief durch und klopfte an die Tür, die einmal sein Großvater gewesen war. Es polterte, hustete und schnaubte.

Die Tür öffnete sich. Ein drahtiger Zwerg mit kühn gestutztem Backenbart stand ihm gegenüber. Eine Lederrobe hing bis zu seinen Knöcheln und auf seinem Kopf balancierte er verwegen einen Turban, der dreimal so groß war wie Uskus Rucksack.

»Ja, bitte?«

Der überaus freundliche Tonfall ließ den Krieger stutzig werden.

»Vater, ich bin es. Dein Sohn Usku.«

»Ich habe keinen Sohn mit diesem Namen«. Der Magier wollte die Türe wieder schließen, als der Ankömmling seinen Ärmel hochzog und eine Narbe präsentierte.

»Sieh her. Diese Wunde schlug mir mein Bruder im zarten Alter von sechs Jahren beim Ringkampf. Du selbst hast sie vernäht. Hast sogar deine Initialen unter dein Werk geschnitzt, weil du so stolz auf deine Arbeit warst«.

Der Magier blickte mit vorgeschobener Unterlippe auf die beiden Zeichen.

»Na und? T.B. kann doch alles heißen.«

Usku nickte. »Aber nicht Tyrodack Rynbanadoldale«. Damit riss er den Ärmel ab und zeigte ihm seinen Oberarm, in den sein vollständiger Name graviert war.

»Für den Fall, dass keiner glaubt, dass du diese tolle Naht hingelegt hast, laut deinen Worten«. Tyrodacks Mund formte ein tonloses »Oh«.

»Du hast dich sehr verändert, mein Sohn. Dein bartloses Gesicht, dein seltsamer Dialekt. Bist weit rumgekommen, wie?«

Man muss gestehen, dass Usku ein wirklich zurückhaltender Held war, aber in diesem Moment hätte er seinen leiblichen Vater am liebsten in einen Zaunpfahl verwandelt, um ihn unangespitzt in den Boden zu rammen.

Seit seiner Knappenzeit bei Ritter Kloos war er unentwegt im Heldenrang aufgestiegen. Vom gemeinen Drachen töten, über das Prinzessinnen retten, heiraten und halbe Reiche gewinnen, hatte er die fliegenden Zwergenmagier im Reich des Pferdegottes Pata gesehen, das Volk der Mynx umgesiedelt und den Riesenkönigen bei ihrer Suche nach dem großen Strudel geholfen. Taten, deren Ruf ohne Zweifel bis hierher gedrungen waren. Daher antwortete er mit einem ernsten und bestimmten: »Kann schon sein«. Mühsam verkniff er sich ein Grinsen. Sein Vater wackelte mit dem Kopf und schloss die Augen.

»Ich sehe, du hast vieles getan. Gutes, wie Schlechtes. Komm herein. Ich habe noch etwas Braten im Rohr«. Usku lächelte und obwohl er Mully, den Familienhund, hinken sah, freute er sich auf eine warme Mahlzeit.

 

Nach und nach füllte sich die Hütte mit Leben. Der Rat der Alten, die Akademiemeister, die Speergilde, ja auch Meister Turuntackel, kamen mit einem Fass Bier. Bäcker Rahriseng, der seine Zehen gepflückt hatte, knallte würziges Schwarzbrot neben das Fleisch auf den Tisch.

Schluck für Schluck entstand aus dem zwanglosen Vater-Sohn-Gespräch eine Willkommensfeier für den heimgekehrten Helden und Usku fühlte sich seit Jahren wieder zu Hause.

»Seid alle still. Lasst unseren Helden erzählen«. Onkel Shinorath stellte ein leeres Fass auf und schwang sich beherzt darauf.

Usku räusperte sich, blickte gewohnt stoisch über die Runde und legte los.

»Liebe Freunde. Ich freue mich wahrlich unter so wunderbaren Sandzwergen zu weilen und, wie ihr hört, es bedarf nur ein paar Humpen Bieres, damit meine Zunge wieder den wahren Klang unserer Sprache hervorbringt«.

Vater Tyrodack nickte zufrieden und die Anwesenden lächelten.

»Meine Heldentaten sind durch die Reiche sicher auch zu euch vorgedrungen. Ich denke, ich erzähle euch die Geschichte, wie ich den Riesenkönigen bei ihrer Suche nach dem großen Strudel half«. Usku stand auf, ergriff seinen Speer und lehnte sich lässig dagegen.

»Es war vor drei Jahren, als mich der König der Könige, Saros der Himmelspfeiler, an seinen Hof lud. Das mächtige Schloss der Riesenkönige thront im Zentrum unserer Welt auf sieben Bergen. Die Mauern sind aus gewaltigen, roten Felsen geschlagen, die Dächer glänzen morgens silbern und abends golden, die Türme kratzen an den Wolken. Und doch zieht es die Riesen unter die Erde. Sie suchen den großen Strudel Rôhons«. Uskus Worte schwangen bei den letzten Worten symbolgeladen nach. Die Anwesenden füllten aufgeregt ihre Humpen.

»Saros nahm mich auf seine Schultern und wanderte mit mir eine Woche lang hinunter. Tief unter die Erde hinein. Zur Grabungsstätte, wo die Riesen unserer Welt Tag und Nacht Steine aus dem Leib reißen.

Als wir ankamen, betrachtete ich die Grabungslinien ihrer Pläne. Saros kannte meine Fähigkeit, mich durch die engsten Risse quetschten zu können. Die Riesen hatten gerade eine besonders kleine Spalte freigelegt und schickten mich hinein. Zwölf Tage drückte ich mich nach unten. Tiefer und tiefer.« Der Held flüsterte.

»Dunkelheit, Schmutz, Hitze. Mein Körper war zerschunden, doch ich arbeitete mich weiter. Und dann, am dreizehnten Tag brach ich durch loses Erdwerk. Ich sah den großen Strudel. Von einem Horizont zum anderen reichte er. Mein Herz schlug wie verrückt. Seit Urzeiten war ich der erste, der ihn sah. Ein unglaubliches Gefühl. Dieses Wissen trug ich zurück zu Saros, der mich, Usku Fulf, daraufhin zum Ehrenriesen auf Lebenszeit ernannte«.

Ein Raunen rollte durch den Raum. Nur ein nachlässiges Händeklatschen nahm der Erzählung etwas an Glaubwürdigkeit.

»Wir sind stolz auf dich, wie wir hier sind. Doch warum, großer Krieger, Held, ja Ehrenriese, warum ehrst du nicht auch uns?«

Usku drehte sich um und sah einen Zwergenmagier mit schwarzer Lederrobe und einem Turban, der kaum durch die Tür passte. »Was meinst du?«

»Usku Fulf. Dass ich nicht lache. Warum darf das Volk der Sandzwerge, das so vieles erdulden musste, nicht Teil haben an deinem Glanz und deiner Glorie. Schließlich bist du dank unserer Fürsorge hier aufgewachsen«.

»Du weißt genau, dass ich mit meinem richtigen Namen nie ein Held geworden wäre«.

»Was ist falsch an Dumidel Rynbanadoldale?«

»Das weißt du genau, Paserage. Und gerade du solltest dafür Verständnis haben, mein verehrtes Bruderherz. Wurdest du nicht an der Akademie in den Bäumen abgewiesen, wegen deines Namens?«

Die Blicke der beiden Zwerge prallten in der Mitte des Raumes aufeinander. Funken spritzten.

 

Paserage schloss die Augen, murmelte einen Spruch und der Türstock dehnte sich, um ihm Eintritt zu gewähren.

Die Sandzwerge, allen voran Vater Tyrodack standen auf. Sie stellten ihre Humpen zur Seite und verbeugten sich tief.

Der Bart des Meisters der Philosophie der experimentellen Abschwörung, schwang elegant um seine Hüften, als er an seinem Bruder vorbeiflanierte. Mehr noch. Die Bartspitze schien ein Eigenleben zu führen und richtete sich zischend wie eine Kobra gegen Usku auf.

»Paserage. Ich bitte dich. Er ist gerade erst angekommen. Wir haben etwas getrunken und seinen Geschichten gelauscht. Es ist noch nicht einmal Mitternacht«.

Tyrodack spielte peinlich berührt mit der Kordel seines Mantelgürtels. Der Großmagier sah strafend über seinen Vater hinweg.

»Einhundertzwanzig Erneuerungstage ist es her, seit du uns verlassen hast. Dreißig Sonnenfeste, in denen wir das Spielzeug der Götter waren. Zehn harte Jahre, in denen durch die Toten unsers Volks Cronoth zu einer Stadt wurde.« Paserage sah seinen Bruder ernst an. Usku wusste nur zu gut, dass alleine die Schwerthalle aus den Leibern unzähliger Sandzwerge errichtet worden war. Dazu kamen die unbeschreibliche Hitze die immerzu über Cronoth lag und die Boshaftigkeit des Drachengottes, die Zwerge auf Sand zu setzen um sie am Graben zu hindern.

»Deine Gedanken verraten mir, dass du verstehst, was ich meine. Ein Held, der zu seinem Namen und seinem Volk stehen würde. So ein Held wäre es wert, gewürdigt zu werden. Aber du … Was hast du je für uns getan?« Der Großmagier ließ die Worte in den Seelen der Anwesenden verhallen.

»Hör auf, Paserage. Genau aus diesem Grund bin ich doch weggegangen. Immer wolltet ihr euch im Glanz eines anderen sonnen, anstatt selbst anzupacken. Du kannst doch mit deinen Fähigkeiten ebenso in die Welt ziehen und ein Held werden. Mit mir hat nie ein Gott gespielt. Manchmal denke ich, ihr seid gar nicht so unglücklich darüber. Besser eingesperrt und sicher, als auf eigenes Risiko frei!« Usku schnaubte.

»Nein, Herr Bruder. Ich bleibe hier, um meinem Volk beizustehen. Ich habe eine Pflicht zu erfüllen«. Wieder sprühten die Funken zwischen den beiden Zwergen.

»Und ich habe nur ein Leben«, sagte Usku scharf.

Shinorath trat vor. Er klopfte jedem auf die Schulter und sagte: »Ich sehe zwei Möglichkeiten. Entweder geht Usku mit seinem richtigen Namen zurück in die Welt oder er bleibt mit seinem falschen Namen hier«.

Ein zustimmendes Brummen unterstrich die Richtigkeit der Schlussfolgerung.

»Oder …« Alle drehten sich zu Tyrodack um. »Oder ihr kämpft es aus wie früher.«

»Jetzt gleich?«, fragte Usku.

„Das würde dir so passen. Im Morgengrauen, wenn du nüchtern bist. Dann werden wir sehen, wer der wahre Held von uns beiden ist«, fuhr ihm Paserage über den Mund.

Die gemütliche Runde löste sich in Windeseile auf, um alle Vorbereitungen zu treffen. Ohne sich eines weitern Blickes zu würdigen, gingen Paserage und Usku auseinander.

 

Noch bevor die Sonne ihre ersten Strahlen über die Weiten der Morawüste schickte, war der Kampf in vollem Gange. Zwischen den Häusern platzen die Energieblitze in Feuerregen auseinander, klirrten die Schwerter und hallten die Schreie in den Gassen. Bannstrahlen aller Farben, Todesflammen aller Formen, Schwertschwünge aller Meisterklassen prallten aufeinander.

Stundenlang, Hieb um Hieb, Treffer um Treffer, bis es Usku endlich gelang, mit einer Finte, Paserage den Bart samt dahinterliegendem Hals zu zerteilen.

Das Blut floss dick in den Sand vor der Taverne. Keuchend kniete Usku neben seinem Bruder und versprach ihm, fortan als Usku Rynbanadoldale durch Rôhon zu ziehen.

Eine Lösung, an die Bäcker Rahriseng um drei Uhr früh kurz gedacht, aber in Hinblick auf einen spannenden Kampf wieder verworfen hatte.

So dick wie das Blut aus Paserage geflossen war, liefen die Tränen in diesen Stunden über die Wangen der Zwerge, als Usku seine Sachen packte und Cronoth verließ.

Er marschierte den Weg zurück über die Meisterdüne, hinein in seine Heimat, die Welt Rôhon, mit ihren Rätseln und Abenteuern.

Hinter ihm verwandelte sich Paserage in einen Baum und sein Turban in ein mächtiges Blätterdach, das die Stadt vor der Hitze der Sonne und den allzu frechen Blicken der Götter schützte.

Usku trank einen tiefen Schluck aus seiner Feldflasche. In seinem Rucksack rumorte die Bartspitze seines Bruders, die er Spike getauft hatte. Er betrachtete Cronoth und beschloss, dem Drachengott Furor einen letzten, alles klärenden Besuch abzustatten.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042412273568264d1c
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Erstellt: 28.04.2009, zuletzt aktualisiert: 27.09.2016 09:58, 8645