Anthologie herausgegeben von Nina Horvath, Timo Bader und Bernhard Weißbecker
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Philip K. Dick sagte: »Ich habe immer befürchtet, dass mein eigener Fernseher, mein Bügeleisen oder Toaster, in der Abgeschiedenheit meiner Wohnung, wenn niemand sonst da war mir zu helfen, erklären würden, dass sie die Macht übernommen haben und mir eine Liste mit Regeln präsentierten, die ich zu befolgen habe.«
31 Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz widmen sich in humorvollen, satirischen und bitterbösen Science Fiction-Geschichten diesem Thema.
Rezension:
Der Klappentext und auch das Vorwort geben die Richtung an, in der sich die Geschichten der Anthologie bewegen wollen. Gerade Humor und Satire aber sind in erster Linie Geschmackssache. Worüber jemand lachen kann ist sehr subjektiv und nur selten gelingt es einem Autor einen breiteren Geschmack zu treffen. Allerdings wird man bei jenen Größen sehr schnell finden, dass ihre Pointen das Produkt eines langen Bearbeitungsprozesses sind, dass ein zündender Gag sehr selten von allein und aus dem Nichts anzufliegen beliebt.
Ein noch viel wichtigerer Aspekt ist die Tatsache, dass eine lustige Wendung noch keine Geschichte macht.
Aber schauen wir im Einzelnen, wie sich die Autoren mit diesen Problemen zurechtfanden.
Rainer Innreiter: Mitnehmen verboten!
Eine kleine Urlaubsreise in das antike Rom ist für einen Fußballfreund vielleicht nicht gerade die spannendste Angelegenheit zumal man aus Kausalitätsgründen gar nichts machen darf, doch ein Souvenir sollte doch wohl drin sein ...
Die recht müde erzählte Geschichte bietet eine Schlusspointe auf, der leider nicht viel Politur gegönnt wurde.
Andreas Flögel: Amazon 3
Ein Handelskapitän liefert eine Anekdote zum Thema Praktikanten.
Wenn man den Joke verstanden hat, entfacht die Geschichte ihren eigenen Reiz, allerdings hätte auch sie etwas mehr Leben verdient.
Uwe Hermann: Der Gesundheitswächter
Obwohl Trioniden eigentlich nicht krank werden, muss sich einer von ihnen die Hände des deutschen Gesundheitswesens begeben, wie es in nicht allzu ferner Zukunft durchaus sein könnte.
Sehr bissige und satirische Polemik gegen die Tendenzen in unserer Republik, Maschinen und Computern mehr zu trauen als den Menschen. Zwar insgesamt nicht innovativ, aber gerade wegen der politischen Brisanz und sauberen Erzählweise sticht Uwe Hermann Groteske aus der Sammlung heraus.
Thomas Melerowicz: Rentner Leo Spar und die moderne Physik
Der Blick ins Multiversum während eines schnöden Spaziergangs.
Mehr als eine Idee enthält der Text leider nicht.
Henning Pfeifer: Kamikos bedrohen die Welt
Wenn die letzte Chance gegen eine Alien-Invasion vom Kleingeld abhängt ...
Recht wirre und abgedroschene Story um die an sich lustige Pointe zu präsentieren.
Olaf Trint: Konstruktionsfehler
Was passiert nicht alles, wenn Termindruck die Qualitätssicherung behindert.
Auch hier wurde ein lahmer Plot erfunden und schlecht erzählt, um einen Witz unterzubringen.
Martin Skerhut: Elfriede
Amöben erobern die Welt. Bei Gelegenheit.
Die dritte uninspirierte Geschichte in Folge. Wenn der Rahmen nicht stimmt, nützt die lustigste Pointe nichts.
Werner Vogel: Besuch bei Rabinger
Kontaktversuche beim Wiener Prekariat. Auch Aliens greifen mal daneben.
Die Geschichte lebt vom Lokalkolorit und den herrlichen Dialektflüchen. Zwar ist der Plot banal und tausendfach durchexerziert, aber immerhin hat man seinen Spaß beim Lesen.
Markus Niebios: Einsatz für Zack Hodan
Von Außerirdischen entführt und in eine groteske Lebensweise eingeführt - da wird der Heimatbesuch zum Kulturschock.
Auf lustig getrimmte Nonsens-Story ohne Reiz, dafür mit den wohl unterirdischsten Namensveralberungen in diesem Buch.
Arnold H. Bucher: Fehlfunktion
Überlappende Universen verursachen Ehekrise.
Was man schon immer mal nicht lesen wollte. Idee und Ausführung können leider weder Spannung noch Freude bereiten.
Manuel Bianchi: Aleph Null
Ein intergalaktisches Hotel bietet Zimmer für jeden Gast. Doch was passiert, wenn die Unendlichkeit endet?
Nette Idee ohne allzu sehr das Potential auszuloten. Das Spiel mit dem Paradoxon bietet leider wenig echte Handlung.
Saven van Dorf: Die Erfindungen des Mr. White
Der ominöse Erfinder Mr. White sorgt für immer schnellerere Innovationen und lockt damit Terroristen an.
Rasante Story mit dem Blick auf aktuelle Probleme. Tatsächlich witzig und hinterlistig böse.
Sabine Y. Wolperth: Technik, die begeistert
Was Enkel ihren Großeltern auch immer für neumodisches Zeug vorbeibringen. Doch so schwer kann das alles ja gar nicht sein.
Auch hier zieht die Story ihren grausamen Witz aus unseren Alltagsproblemen. Mit grotesken Wendungen und Sinn für Sprachscherze eskaliert ein Bedienungsfehler. Ziemlich dick aufgetragen, aber am Puls der Zeit.
Angelika Pauly: Erwin, mein Androide
Testbericht über die Anschaffung eines Androiden.
Tja, kurzes Exposé, ohne weiterführende Handlung oder spannenden Inhalt. Vermutlich hätte ein Blick in Asimovs Robotergeschichten verraten, was man zu dem Thema alles schreiben könnte.
Uwe Post: Wotan
Leg Dich nicht mit einem Hacker an.
Martialischer und rabenschwarzer Text. Uwe Post in Höchstform. Mit wenigen Sätzen skizziert er eine ganze Zukunft, die natürlich fies und finster ist. Dazu noch eine bissfeste politische Meinungsäußerung - mein Favorit in der Anthologie.
W. Berner: Nur mein Toaster hat mich lieb!
Das Glück vom Traumhaus verendet in den perfiden Programmen einer Haus-KI.
An sich recht bissige Zukunftsvision die etwas an der unnötigen Rahmenhandlung leidet.
Christian von Aster: Endstation Charybdis III
Nicht immer sind es die kleinen Dinge, die das Leben verändern, manchmal muss es schon etwas göttliches sein.
Van Aster erzählt stilsicher von korrupten Zollbeamten und cleveren Robotern. Die Idee von Religionshandel mag nicht neu sein, wurde aber sehr gekonnt verpackt. Schade nur, dass der Schluss eine Zusammenfassung wurde.
Claudia Hornung: Kurzschluss
Man kann ja nicht überall sein, denkt der gepeinigte Androide und verflucht den Tag, als Gott die Putzfrau erfand.
Auch wenn die Pointe abzusehen ist und an den Haaren herbeigezogen wirkt, überzeugt der spleenige Android.
Melanie Metzenthin: Kostengünstig
Die Erde als Opfer von illegalen Sklavenjägern - wenn das keine Chance ist!
Ein böser Blick auf die Gedanken von Politkern. Allerdings ohne der Idee eine interessante Handlung mitzugeben.
Eiko Lajcsak: Retro
Ich war schon immer hier - aus den Aufzeichnungen eines Laborputzers.
Skurril, verschroben und gemein. Ein Rundumschlag in Richtung Jugend, Retrowelle und Ego-Shooter. Macht großen Spaß beim Lesen und Eiko Lajcsak gelingt das zweite Highlight dieser Kurzgeschichtensammlung.
Timo Bader: Mambo ist verliebt
Auch Monster brauchen Liebe, doch wie immer ist der erste Schritt der schwerste.
Im Vordergrund steht das pointierte Gespräch zweier Freunde über Frauen, Liebe und den ganzen Rest. Das regt zum Schmunzeln an und könnte fast zu einer Geschichte werden. Leider endet die Kneipenszene vorher.
Ralf Noetzel: Die Goliath SX Sache
Der Verlust von geliebten Menschen kann traumatisch sein. Manchmal kommt Hilfe von unerwarteter Seite.
Das Erstaunliche dieser Geschichte ist die eigenwillige Mischung aus Bürokratie-Satire und menschlichem Drama. Wenn die Handlung etwas weniger verworren und die Hilflosigkeit deutlicher herausgearbeitet worden wäre, hätte diese Geschichte durchaus beeindruckender sein können.
Christian Künne: Wir wollen nach ERCP/7139!
Eigentlich hätte es ja niemals Probleme mit der Kolonialisierung von Alienplaneten geben dürfen. Aber wegen der Aliens geht immer alles schief.
Fremdenhass im Weltall. Schon auf Babylon 5 ein Problem. Es braucht nur etwas Hetze und schon könnte es los gegen. Doch nicht immer verhält sich die kritische Masse so, wie es der Hetzer will.
Wenn auch die ganze Geschichte hin und wieder ihre lustigen Seiten offenbart, ist die Hintergrundgeschichte arg durcheinander, sodass man nicht so recht weiß wohin mit seiner Belustigung.
Andreas Gruber: Holotec Services
Jaja, die Frau zum Selberbasteln ist ein schöner Traum doch jeder wird es ahnen: Die Realität schlägt fies zurück.
Herrlich böse Geschichte um zwei altersschwache Looser und ihre Träume und Alpträume.
David Kerper: Blechschaden
Schnell einen Roboter gekauft gegen die Einsamkeit. Doch was machen, wenn einem der perfekte Angeber nicht gefällt?
Zwar weiß die Geschichte durch einige nette Details zu begeistern, dennoch ist sie insgesamt recht bieder und ohne wirklich spannende Neuerungen zum Thema Roboter.
Niklas Peinecke: Toaster aus dem Weltraum
Mitglied in einer Studentenvereinigung zu werden kann durchaus mit einigen Mühen verbunden sein, Erst recht, wenn man als Alien vor Menschen erscheinen muss.
Die abgefahrene Story spielt mit den bekannten Klischees und serviert ihren Humor in der richtigen Dosis, auch wenn über die Mutprobe hinaus eigentlich nichts passiert.
Thomas Backus: Der perfekte Mensch
Aus den Genen von Nobelpreisträgern sollte sich doch etwas machen lassen!
Leider reicht die simple Idee nicht für eine spannende Geschichte. Im Gegenteil kommt der moralische Fingerzeig zum Schluss noch per Holzhammer. Weder stilistisch noch sonst irgendwie interessant.
Heidrun Jänchen: Invasion
Ein Generationenraumschiff ist durch eine Fehlberechnung wesentlich länger unterwegs als gedacht. Könnte die Erde die Lösung aller Probleme sein?
Wenn der Schlussgag nicht wäre, könnte man die kleine Historie durchaus als witzige Parodie auf Spaceoperas mit Generationenschiffen lesen. Doch leider zerstört der Schluss den Ansatz.
Nina Horvath: Darwins Schildkröte
Weil Außerirdische auch nur Menschen sind und Translatoren in den unpassendsten Momenten versagen, wird Darwins Schildkröte entführt.
Zwar beruht der Plot auf einem arg hanebüchenen Missverständnis und entwickelt sich danach auch recht sparsam weiter, aber ohne Zweifel ist die kleine Geschichte um Darwins Schildkröte bis zu ihrer Entführung sehr interessant. Historische Persönlichkeiten aus der Sicht eines Tieres, das hat schon einiges an Potential.
Bernhard Weißbecker: Kreise im Kornfeld
Nicht immer müssen merkwürdige Erklärungen von seltsamen Phänomenen falsch sein.
Mit den Deerdanern kommt endlich einmal eine Alienrasse zu Wort, die nicht nach dem üblichen Einheitsmuster entworfen wurde. Natürlich ist die Geschichte in erster Linie Satire und nimmt sich selbst nicht allzu ernst, aber gerade das ganz besondere Setting hat seinen eigenen Reiz.
Frank Hebben: Fromme Küchengeräte
Lobpreiset den Hausmann!
Zum Schluss dann doch noch eine durch und durch munter-witzige Parabel, die von einer ziemlich haarigen Prämisse ausgeht, diese aber gekonnt und vor allem lustig umsetzt. Feine Dialoge, passende Symbolik und ein gnadenloses Ende - Frank Hebben setzt einen grandiosen Schlusspunkt.
Im Anschluss an die Geschichten finden sich noch die Biografien der Autoren und Fabylon gönnte dem Band noch einige Innenillustrationen, die jedoch nicht weiter auffielen und eher wenig Eindruck hinterließen.
Fazit:
Die Anthologie versammelt leider zum großen Teil eher schwache und unausgereifte Texte. Allerdings gibt es auch einige sehr gelungene und vor allem bissige Geschichten, deren Lesen sich wirklich lohnt.
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