Die Bibliothek der Tränen (Herausgeber: Christian Kathan)
 
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Die Bibliothek der Tränen herausgegeben von Christian Kathan

Anthologie

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Die Autor*innen dieser Kurzgeschichten-Anthologie entführen Sie in phantastische Welten und Zeiten. Ob Science Fiction oder Fantasy, Grusel oder Fantastik – wir haben spannende und faszinierende Stories zusammengestellt, die Sie berühren und unterhalten werden.

 

Rezension:

In seinem Vorwort beschreibt Herausgeber Christian Kathan die Entstehungsgeschichte seiner ersten Anthologie. So stellen die Geschichten aus Die Bibliothek der Tränen nicht nur die besten Geschichten aus zwei anderen Projekten dar, bei einer nachgeschobenen Ausschreibung erhielt er so viele gute Geschichten, dass dies nur einen ersten Band darstellen soll. Mit vierzehn recht unterschiedlichen Geschichten aus fast allen Subgenres der Phantastik ist das Buch auch prall gefüllt.

 

Die Titelgeschichte Die Bibliothek der Tränen von Marius Kuhle eröffnet den Reigen mit einem verstörenden Blick in die Abgründe des Zweiten Weltkrieges.

Joel Brook beschafft Dinge, die ohne Nachfragen unter komplizierten Bedingen zu besorgen sind. Auch diesmal war er erfolgreich und im zerstörten Warschau erwartet ihn seine Auftraggeberin …

Marius Kuhle erreicht seine tiefe Form des Grauens durch einen Kunstgriff, der die Bösartigkeit des Weltkrieges aber umso schärfer beleuchtet. Ein harter Auftakt.

 

Robert Boehms Geschichte Bernsteinfalter entführt in eine dystopische Zukunft.

In einem Hochhausghetto verbringen von Langeweile gelähmte Unsterbliche ihre Tage starr und steif in ihren Stühlen. Doch ein aufgebrachter Mob stürmt das Gebäude und richtet seine Wut gegen die wehrlosen Bewohner. Aber etwas ändert sich in den Statuen gleichenden Menschen …

Das philosophische Ende ist schwer zu verstehen, doch der Text beeindruckt durch eine poetische Sprache.

 

Geplante Obsoleszenz von Nina Horvath entwickelt erst ganz langsam eine beunruhigende Atmosphäre.

Seraphia ist eine junge Frau, zwischen Rollenbildern und Gewalt gefangen. Ein überscharfes Gehör macht ihr zu schaffen, noch schlimmer ist, dass ihr Mann ihr nicht glaubt.

Dabei will sie mit ihm glücklich sein, Kinder haben. Da bekommt sie von einer Nachbarin ein Geschenk …

Der persönliche Horizont öffnet sich plötzlich zu einer noch viel grausameren Perspektive. So mitfühlend geschrieben, dass die physischen Deformationen und Leiden der Protagonistin umso mehr schmerzen.

 

Auch in Vinblossom Manor von Catherine de Cavalaire steht das Glück einer jungen Frau im Zentrum. Nach einigen schwierigen Jobs scheint sie in Vinblossom Manor das Paradies gefunden zu haben …

Die Story baut über einige Rückblenden eine Erwartungshaltung auf, die das Ende komplett zerstört. Trotzdem klingt die Geschichte mit sanfter Melancholie nach.

 

Ein kleines, allegorisches Fantasymärchen ist Das bleierne Grauen von Florian Geiger. Figuren und Weltenblau bleiben blass, eine wirklich spannende Geschichte wird leider auch nicht erzählt.

 

Die Versteinerung der Penelope von Gerhard Huber weist ebenfalls märchenhafte Züge auf.

Penelope ist die Tochter einer Weberin und das schwächste ihrer Kinder. Die Begegnung mit einem jungen Mann hätte ihr Leben ändern können, doch Spinnenweben wehen in ihrem Wesen …

Eine dunkel eingetrübte Lebensgeschichte, die stark auf der Spinnenmetapher aufbaut.

 

Die fatalen Folgen eines Experimentes muss Frank Connor in Achim Köppens Spiegelbilder ausbaden.

Eine typische Parallelweltstory mit zynischem Ende.

 

In Isabel Werkmeisters Rabenschwester flieht Naile mit ihrer Schwester vor der Zerstörung ihres Dorfes. Die Mutter überträgt ihr die Verantwortung über Sanna, doch die Flucht ist lang und ermüdend …

Auch in »Rabenschwester« geht es um eine phantastische Metamorphose, die aus einer Extremsituation herausführen soll. Eher eine lyrische Skizze als eine Geschichte.

 

Knallharte Science Fiction bietet Christian Grahn mit seinem Drei Stunden Krieg. Die solide erzählte Alien-Invasions-Story besticht durch ihren einprägsamen Twist.

 

Das Highlight der Anthologie stellt Ein Lied aus Feuer, Beton und Silberpapier von Martin Rüsch dar.

Edgar ist ein seltsamer Junge, der für seine Andersartigkeit gedemütigt und verfolgt wird. Seine Gedanken schweifen ständig ab, er interessiert sich für Dinge jenseits dessen, was andere sehen. So auch für die vorlaute junge Frau, die plötzlich zwischen den Wasserspeiern auf dem Kirchdach erscheint …

Diese feinfühlig erzählte, mehrschichtige Story bedient sich verschiedener phantastischer Elemente und verbindet sie mit dem berührenden Schicksal eines von Schmerz geprägten Kindes.

 

Warum sollte man nicht Johann Sebastian Bach bitten, bei einem Zeitreise-Experiment zu helfen?

Rita Hausen nutzt in Die Kunst der Fuge die historische Figur für eine kleine und amüsante Variante des klassischen SF-Themas.

 

Christian Künne untersucht in Am Draht die Beständigkeit von Freundschaft. Sandro hat ein besonderes Talent, das seinem Freund Sven bei der Dartweltmeisterschaft zu Gute kommt …

Schnell wird die Richtung klar, in die sich die Geschichte entwickelt. Leider kommt die besondere Fähigkeit von Sandro dabei zu kurz.

 

Tieftraurig ist die Demenzgeschichte Drachenrot von Ava Blum. Ein alter Maler vergisst und erinnert sich …

Ava Blum nähert sich dem ernsten Thema behutsam an und nimmt mit großem Respekt der Krankheit ihre Monstrosität.

 

Herausgeber Christian Kathan beschließt die Anthologie mit einer eigenen Story. Enthemmung ist eine SF-Miniatur, in der ein Monitoring-Spezialist Zeuge einer raffinierten Verhörmethode wird.

Das Verhör dient als Vehikel für Überlegungen, wohin die gesellschaftliche Aufladung mit Hass führen könnte. Der Stoff hätte eine etwas breitere Ausarbeitung verdient.

 

Ein Hingucker ist das Cover von Lothar Bauer. Es mischt phantastische Elemente zu einem explodierenden Sepia-Schwarm und trifft damit nicht nur exakt den Farbton der Anthologie sondern auch ihren Abwechslungsreichtum.

 

Fazit:

»Die Bibliothek der Tränen« bietet eine Reihe schwergewichtiger phantastischer Storys die ihren Fokus vor allem auf Menschen legen, die mit Verletzungen, Verlust oder einem sich radikal ändernden Leben umgehen müssen. Die Bandbreite der Geschichten ist groß und die Sorgfalt der Herausgeberschaft von Christian Kathan stets zu spüren. Eine gelungene phantastische Anthologie.

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Buch:

Die Bibliothek der Tränen

Herausgeber: Christian Kathan

Cover: Lothar Bauer

Beyond Affinity Verlag, November 2016

Taschenbuch, 264 Seiten

 

ISBN-13: 9783945069240

 

Erhältlich bei: Beyond Affinity Verlag

 

Kindle-ASIN: B01MD29QR3

 

Erhältlich bei: Amazon

Inhalt:

  • Marius Kuhle: Die Bibliothek der Tränen

  • Robert Boehm: Bernsteinfalter

  • Nina Horvath: Geplante Obsoleszenz

  • Catherine de Cavalaire: Vinblossom Manor

  • Florian Geiger: Das bleierne Grauen

  • Gerhard Huber: Die Versteinerung der Penelope

  • Achim Köppen: Spiegelbilder

  • Isabel Werkmeister: Rabenschwester

  • Christian Grahn: Drei Stunden Krieg

  • Martin Rüsch: Ein Lied aus Feuer, Beton und Silberpapier

  • Rita Hausen: Die Kunst der Fuge

  • Christian Künne: Am Draht

  • Ava Blum: Drachenrot

  • Christian Kathan: Enthemmung

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403271803009375de9c
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Erstellt: 13.12.2016, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 17:30, 15176