Filmkritik von Christel Scheja
Stephen Moffat und Mark Gatiss haben sich mit ihrer eigenwilligen Neuinterpretation von Sherlock Holmes einen Namen gemacht. Und so ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass sie sich eines anderen Klassikers annehmen, der etwa zur gleichen Zeit wie die Geschichten von Arthur Conan Doyle entstand. Bram Stokers Roman Dracula hat ebenfalls schon viele Interpretationen erlebt, aber nicht eine solche wie in der BBC-Serie aus dem Jahr 2019.
Eigentlich soll es ein Auftrag wie viele andere sein, auch wenn sie ihn aus dem vertrauten England in das verschneite Transsylvanien führt. Aber das ganze entwickelt sich für den jungen Anwalt Jonathan Harker schon bald zu einem Albtraum, ist sein Klient, der geheimnisvolle Graf Dracula doch mehr an ihm interessiert.
Schon bald zieht sich eine blutige Spur durch Europa, die auch der eigenwilligen Nonne Agatha van Helsing nicht verborgen bleibt. Fasziniert vom Okkulten und Geheimnisvollen, selbst auf der Suche nach Gott, lässt sich sich auf ein Spiel mit dem Grafen ein, dass erst ein Jahrhundert später seine Erfüllung finden wird.
Der Aufbau der Serie ist schon recht interessant, greifen die Macher doch nicht unbedingt die Themen auf, die andere in den Mittelpunkt ihrer Verfilmung gestellt haben – nämlich das Wüten in London. Jede Folge spielt nämlich an einem anderen Ort. In der ersten erzählt das, was von Jonathan Harker übrig geblieben ist, wie er in den Bann des Grafen geraten ist und diesem wieder entkommen konnte, in der zweite wird die Überfahrt nach England geschrieben, auf der die beiden Gegenspieler so richtig aufeinander treffen. Und die dritte fällt ganz aus dem Rahmen, gibt es doch einen Zeitsprung von hundert Jahren, der zunächst irritiert, sich aber doch besser in den Rahmen fügt als gedacht.
Lernt man den Grafen im ersten Teil noch als selbstsicher und arrogant, ja sogar als Bestie kennen, zerbröckelt diese Fassade nach und nach durch die Gegenspieler, die ihm langsam aber sicher auf die Schliche kommen und schließlich sein größtes Geheimnis enthüllen.
Allen voran Claes Bang weiß zu überzeugen, er spielt den Blutsauger geschickt zwischen den Extremen und schlägt in den Bann, auch wenn man weiß, dass man ihm nicht trauen sollte. Ihm ebenbürtig ist Agatha Van Helsing, die erst etwas irre erscheint, aber in Wirklichkeit einen sehr klaren und analytischen Verstand hat.
Gerade in der Gegenwartsepisode werden die Ereignisse in London frisch und neu, manchmal auch recht böse interpretiert, so dass es niemals wirklich langweilig wird. Die Spannung jedenfalls entwickelt sich stetig bis zum interessanten Ende.
An Boni gibt es nur ein paar kleine Featurettes, die verschiedene Aspekte der Serie beleuchten, aber immerhin ein paar interessante Informationen enthalten. Bild und Ton sind, wie man sich denken kann, auf der Höhe der Zeit.
Fazit:
Wenn Stephen Moffat und Mark Gatiss einen Klassiker wie »Dracula« bearbeiten, dann kann man davon ausgehen, dass die Geschichte vielleicht Motive der Vorlage benutzt, ansonsten aber auf den Kopf gestellt wird. Wer mit diesen Erwartungen an die dreiteilige Serie geht, der wird nicht enttäuscht, sondern in den Bann geschlagen, atmet die Geschichte trotz der Veränderungen doch immer noch die Tragik des Originals.
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