Hörspiel
Reihe: Top Secret: Akte 001
Rezension von Oliver Kotowski
Rezension:
Zwei zwielichtige Gestalten tätigen ihre Geschäfte auf einer kleinen Insel. Überraschend stoßen sie dabei auf Erschreckendes. "La sangre y la oscuridad", sagen die Indios, "Das Blut und die Dunkelheit." Sie betreten diesen todbringenden Flecken Erde niemals. Ob den zwei Gaunern ihre Schrotflinte helfen wird? – Ein harter Schnitt: Die attraktive Jade Morgrave boxt, die junge Frau boxt sich den Zorn aus dem Leib. Ob es ihr gelingen wird? Sie weiß nicht, was Mr. Baker weiß: Dass sie eine Top-Agentin der geheimen Regierungsorganisation Trinity ist, deren Gedächtnis gelöscht wurde. Ähnlich geht es Commander W. A. Rawleigh – als Mr. Baker in Diamond Spring's ankommt, liefert sich der Armeeoffizier gerade eine Schießerei mit dem Sheriff und seinen Deputies. Trinity braucht seine beiden Agenten zurück, denn es ist eine Situation eingetreten, die keinerlei Aufschub duldet – und nach den Besten verlangt.
Mit Herz aus Eis startet eine an die Fernsehserie Akte-X angelehnte Hörspielreihe – und das sehr ungewöhnlich, denn statt dem Hörer langsam die Situation und die Figuren vorzustellen, wird er gleich in res medias gestoßen (die beiden Schurken auf der Insel) und bevor er sich akklimatisieren kann, wird er in die nächste res-medias-Szene gestoßen (Morgrave & Rawleigh). Zwar wird auch hier viel zwischen den Figuren herum gesprungen, doch zumindest bleibt man im Handlungsstrang. Zunächst wird ein mysteriöses Beziehungsgeflecht ausgebreitet: Da ist die hochaggressive und attraktive Jade Morgrave; der Special Agent betreibt Sport bis ins Extrem um Aggressionen abzubauen. Die psychologische Konstitution von W. Asthon Rawleigh, einem Commander der US-Army, ist ganz ähnlich, nur lässt er sich leicht provozieren und beginnt dann Schießereien. Beiden wurde das Gedächtnis gelöscht und anscheinend haben sie auch umfassende Gesichtschirurgie hinter sich – ihr wahrer Hintergrund ist unklar. Doch teilweise sollen sie reaktiviert werden – im Hörspiel heißt es stets "reanimiert" – um einen wichtigen Auftrag für die geheime Regierungsorganisation Trinity zu übernehmen. Während Charles Desmond, der Leiter der Organisation, sich kaum aus der Deckung wagt, wird sein Handlanger Mr. Baker etwas weiter charakterisiert: Er ist vor allem lakonisch. Bevor es mit der strenggeheimen Mission losgehen kann – es geht natürlich auf die Insel, auf der die beiden Anfangsfiguren die Gefährlichkeit der Insel demonstrieren durften – sind allerdings noch einige Komplikationen bezüglich der "Reanimation" zu lösen.
An dieser Stelle ein kleiner Einschub zum Realismus bzw. Sprachgebrauch in der Reihe: "Reanimiert" werden üblicherweise klinisch Tote, bei denen noch keine Todeszeichen vorliegen; Agenten werden reaktiviert. "Commander" ist zwar durchaus ein Rang bei den US-Streitkräften, allerdings nur bei der Navy und nicht bei der Army – dort ist es der Titel für den Befehlshaber einer Einheit. Und einer herumzappelnden, sich wehrenden Person eine Spritze ins Rückenmark zu geben ist nicht nur sehr schwierig, sondern wird auch in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle zur Querschnittslähmung führen. Als Desmond Morgrave beschreibt, sagt er, sie habe "die Lizenz zum Töten" – er meint damit nur, dass sie eine tödliche Nahkämpferin ist. Bisweilen werden nicht mehr treffende Sprachbilder gewählt um den überzogenen Pathos darzustellen.
Derartige Detailirritationen finden sich öfters. Diese Unachtsamkeiten greifen auf eine der zentralen Spannungsquellen über: Den Rätselelementen. Oft weiß der Hörer nicht ob eine Unstimmigkeit nun ein Hinweis oder bloß ein Lapsus war. Die andere wichtige Spannungsquelle bleibt davon allerdings weitgehend unberührt: Die rasanten Actionszenen funktionieren auch so gut.
Wo das Script Schwächen aufweist, ist die Besetzung der Rollen sehr stark – es wurden markante, klar unterscheidbare Sprecher ausgewählt, die allesamt ihre Sache routiniert gut machen. Zentral ist Klaus Dieter Klebsch, der den Erzähler spricht. Er dürfte vielen Deutschen als Synchronstimme von Alec Baldwin, Hugh Laurie (Dr. House) und anderen bekannt sein, doch er bringt auch einiges an Hörspielerfahrung mit; so hat er etwa Frankensteins Monster in der Titania Medien-Produktion gegeben, Auftritte in Faith – The Van Helsing Chronicles oder Dorian Hunter gehabt. Ebenso wichtig sind die etwas eigentümlich besetzten Rollen der Top-Agenten, denn Christina Pappert (Morgrave) und Thomas Karallus (Rawleigh) kennen einander nicht nur aus Maritim-Produktionen wie der Sherlock Holmes- oder der Expedition Ikarus-Reihe sowie Produktionen aus anderen Häusern wie die Peter Lundt-Reihe, sondern dürften Comedy-Freunden auch als streitbares Ehepaar aus King of Queens bekannt sein: Pappert synchronisiert Leah Remini (Carrie Hefferman) und Karallus Kevin James (Doug Hefferman). Ihre Leistung wird davon jedoch nicht beeinträchtigt – nur den hartgesottensten Fans von Doug & Carrie dürfte das Paar vor dem inneren Auge erscheinen. Nicht ganz so wichtig, aber ebenfalls wieder auftretende Figuren sind Desmond und Mr. Baker, die beiden Verschwörer. Desmond wird von Wolfgang Condrus gesprochen, den man vielleicht in Emil und die Detektive gesehen, bestimmt aber als Synchronstimme von Hugo Weaving (Elrond in Der Herr der Ringe) gehört hat; Condrus ist ein sehr erfahrener Synchronsprecher und sicherlich auch für die meisten Hörspielfans kein unbekannter – er hatte neben Auftritten in Sherlock Holmes- oder Die drei ??? -Hörspielen einige weitere Sprechrollen. Mr. Baker wird von Andreas Borcherding die Stimme verliehen; der Schauspieler ist in verschiedenen deutschen Filmen wie Die unendliche Geschichte II oder Der Baader Meinhof Komplex zu sehen. In Sachen Hörspiel hat er vor allem Rollen in Maritim-Produktionen wie Dark Trace oder Sherlock Holmes erhalten.
Der Rest der Inszenierung ist ähnlich gut gelungen wie die Sprecherleistungen: Musikalisch lehnt man sich bei der Signaturmelodie eng an die Titelmelodie der Serie Akte-X, sonst wird sehr auf schnelle E-Gitarren-Riffs gesetzt. Der Einsatz der Musikstücke ist gezielt und wird zumeist als Überleitung genutzt. Anders ist der Einsatz der Geräusche: Es sind fast permanent Töne im Hintergrund zu hören, die zur Unterstreichung der Szene oder der Aktionen – bisweilen auch zur Darstellung der Aktionen – zu hören. Die Kombination von Erzähler, Figurenrede und Geräuschen sorgt dafür, dass der Hörer immer weiß, was gerade geschieht, ohne dass der Erzähler andauernd reden oder die Figuren seltsame Kommentare abgeben würden – sehr geschickt.
Fazit:
Auf einer Karibikinsel ereignet sich Unheimliches, doch bevor die Geheimorganisation Trinity sich darum kümmern kann, müssen erst die Top-Agenten Morgrave und Rawleigh "reanimiert" werden, was mit erheblichen Komplikationen verbunden ist. Herz aus Eis ist eine sich eng an die Fernsehserie Akte-X anlehnende Mischung aus Mystery- und Actiongeschichte, doch die Rätselelemente funktionieren aufgrund vieler Unachtsamkeiten im Script und überzogenem Pathos nicht sonderlich gut; gut dagegen sind die Sprecher und die restliche Inszenierung – eine durchwachsene Reihe, die allerdings das Potential hat eine actionreichere Konkurrenz für Gabriel Burns – oder eine paranormale Konkurrenz für John Sinclair zu werden.