Horrorgami (Autor: Marc Hagan-Guirey)
 
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Horrorgami - 20 gruselige Szenen zum Schneiden und Falten von Marc Hagan-Guirey

Rezension von Ellen Norten

 

Bizarre Architektur aus Papier

Horrorgami ist vermutlich die Wortschöpfung von Marc Hagan-Guirey, alias Paper Dandy, dem Autor des Buches und sie trifft die Sache auf den Punkt. Es geht um gruselige Objekte in der Papierkunst. Die Endung »– gami« kommt von Origami. Hier entstehen aus einem Blatt Papier dreidimensionale Gebilde unter den geschickten Händen des Künstlers. Werden bei dieser Technik auch Schnitte eingesetzt, so handelt es sich um Pop Ups oder Kirigami. Auf diese Arte und Weise schneidet und faltet der Akteur anspruchsvolle architektonische Modelle.

 

Nun gibt es in diesem Buch kein Empire State Building, noch einen anderer prominenten Wolkenkratzer. Der Name Horrorgami ist Programm und steht für 20 ausgetüftelte Modelle, deren Originale Marc Hagan-Guirey in unterschiedlichen Gruselfilmen und Büchern gesucht hat.

 

»Horrorgami vereint Dinge, an denen mein Herz hängt: Horror, Basteln und Architektur» (S. 4).

 

So drückt es der Autor in seinem Vorwort aus und beschreibt seinen Weg zu dieser besonderen Kunstform. Seine Faszination von Horrorfilmen, die so weit reicht, das er die echten Kulissen besucht; wie etwa das Ennis House, das im Film Blade Runner und in dem 1959 gedrehten Horrorfilm Das Haus am Geisterhügel eine wichtig Rolle spielt. Für jedes Modell wird der literarische Hintergrund geliefert, sei es Der Untergang des Hauses Usher, Dr. Frankensteins Labor, das Rocky-Horror-Schloss oder das von Graf Dracula, um nur einige zu nennen. Von jedem Modell gibt es eine kunstvoll ausgeleuchtete Abbildung, die Arbeitsvorlage auf dünnem Karton, sowie die entsprechende Schneide - und Faltanleitung.

Es kann also losgehen und meine Wahl fällt auf den »Untergang des Hauses Usher«, was als leichter Schwierigkeitsgrad angegeben wird.

Geschnitten wird mit einem Cuttermesser, eine Art Skalpell, das im Bastelgeschäft erhältlich ist. Auf den Kauf einer selbstheilenden Schneidematte, wie empfohlen, habe ich verzichtet und benutze als Unterlage ein hölzernes Frühstücksbrett. Das funktioniert. Da ich das mit Stahlkante bewehrte Lineal auch nicht besitze, benutze ich eines aus Plastik und schneide mir prompt ins Material. Nach einigen Versuchen lasse ich das Lineal ganz weg und erzeuge mit ruhiger Hand die Schnitte auch so. Diese Entscheidung sollte jeder für sich selbst treffen, bei mir hat es so funktioniert. Beim Anritzen der Falzkanten kann auf das Lineal allerdings nicht mehr verzichtet werden, doch da der Druck aufs Papier diesmal längst nicht so hoch ist(am besten wird jetzt die stumpfe Rückseite des Messers verwendet), bleibt das Lineal diesmal unversehrt.

 

Nun geht es ans Falten, für mich der schwierigste Teil der Operation. Was wird nach oben heraus, was nach unten gefaltet? Die Faltanleitung gibt den Weg vor, allein ich kann mir das Ganze nicht so recht vorstellen. Also kneife und zupfe ich hier und da, falte und drücke so lange bis das Objekt in all seiner Pracht vor mir steht. Und das ist der wirklich faszinierende Moment: Aus einem flachen Blatt Karton ist nun ein formschönes, dreidimensionales Haus entstanden, inklusive der Risse, die den nahen Untergang des Gebäudes ankündigen, schließlich geht es um Horror.

Die Schwierigkeitsgrade der Modelle orientieren sich hauptsächlich an der Komplexität der Schnittvorlagen. Das Falten an sich stuft der Autor eher als unkompliziert ein. Mir geht es dabei umgekehrt. Das dreidimensionale Gebilde aus dem geschnittenen Blatt Karton heraus zu bekommen ist ein Akt, der schon manchen Knoten im Kopf erzeugen kann. So habe ich es beim zweiten Modell tatsächlich geschafft, das Szenario seitenverkehrt zu falten. Das tut der Schönheit der Entführung durch Außerirdische keinen Abbruch, zeigt aber wie kompliziert der Umgang mit Berg- und Talfalten ist, vor allen Dingen, da die Sache laut Anleitung von der Rückseite angegangen wird. Da stellt sich die Frage ob der direkte Vorgang von Vorne nicht einfacher wäre.

Das Buch liefert tolle Vorlagen, der Didaktik zu folgen ist an manchen Stellen etwas schwierig. Immerhin räumt der Autor ein, dass es beim Falten nicht den alleinigen Königsweg gibt, sondern das jeder für sich herausfinden - um nicht zu sagen raus fummeln muss - wie er die Sache am besten angeht. Nach getaner Arbeit gilt es das Objekt optimal zu platzieren, eine vielleicht sogar bunte Lichtquelle hinter dem Gebilde kann ungeahnte - möglicherweise unheimliche - Effekte erzielen. Auch lässt sich das weiße Papier originell bemalen, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wer alle 20 Modelle erfolgreich ausführt, dürfte damit auch inspiriert sein, eigene Modelle zu schaffen - vielleicht sogar das des eigenen Wohnhauses, was hoffentlich dann keinen Horror hervorrufen mag.

 

Das Buch richtet sich zwar eher an Erwachsene, kann aber auch von Kindern als Herausforderung angenommen werden. Und damit das Szenario Blutbad im Kinderzimmer nicht real werden kann, sollten Kinder die Entwürfe nur unter Anleitung eines Erwachsenen ausschneiden. Der Autor hat seine Liebe zum Objekt jedenfalls schon als Kind entwickelt.

 

»Eigentlich ist alles wie früher - ich bin noch immer das verträumte Kind, das das Klopapier abrollt, um an die Pappröhre zu kommen, und Cornflakes in Plastikdosen umfüllt, um die Schachtel stillvergnügt in eine Kartonfestung zu verwandeln. Der einzige Unterschied ist, das ich diese Leidenschaft heute mit Ihnen teilen darf.« S. 6

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Buch:

Horrorgami

20 gruselige Szenen zum Schneiden und Falten

Autor: Mark Hagan-Guirey

Übersetzerin: Birgit Lamerz-Beckschäfer

Haupt Verlag, September 2015

Taschenbuch, 128 Seiten

 

ISBN-10: 3258601380

ISBN-13: 978-3258601380

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 29.11.2015, zuletzt aktualisiert: 05.08.2023 15:12, 14204