Interview: Andreas Gruber
 
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Interview mit dem Autoren Andreas Gruber

(das Interview wurde im Dezember 08 per eMail geführt)

Redakteur: Carina Schöning

 

Der Autor wurde 1968 in Wien geboren und lebt verheiratet in Grillenberg in Niederösterreich. Seine Kurzgeschichten erschienen in zahlreichen Magazinen und Anthologien, liegen bisher als Hörspielfassung oder als Übersetzung in polnischer, slowakischer, finnischer, litauischer und italienischer Sprache vor.

Dreifacher Gewinner des Deutschen Phantastik Preises, zuletzt mit dem Roman „Der Judas-Schrein“ aus dem Festa Verlag. Arbeitsstipendium Literatur 2006 und 2008, österreichisches Bundeskanzleramt.

 

Anlässlich seines Roman "Die Engelsmühle" sprach der Fantasyguide mit dem Autoren.

 

 

Fantasyguide: Hallo Herr Gruber, erstmal möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen im Namen von Fantasyguide.de und unseren Lesern für Ihre Zeit bedanken. Bitte stellen Sie sich vorab ab kurz vor. Was muss man über Sie wissen?

 

Andreas Gruber: Also ich bin Jahrgang 1968, verheiratet, habe einen Sohn und lebe in Niederösterreich, in einem kleinen, aber umso entzückenderen Nest. Unser Haus steht am Waldrand in einer Sackgasse, und dahinter geht’s gleich in die Berge. Perfekt für einen Schreiberling. Meine Hobbies? Kino, Lesen, chinesisches Essen, und Hard Rock CDs sammeln. Je härter, desto besser.

 

Fantasyguide: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

 

Andreas Gruber: Manche Jungs träumen davon, Astronaut zu werden, manche Mädchen wollen Tierärztin oder Turnierreiterin werden. Ich wollte Autor werden. Wahrscheinlich deshalb, weil mein Kopf immer voller Ideen ist. Ich musste schon als Junge alles zu Papier bringen. Leider besitze ich nichts mehr davon – es wäre sicher witzig zu sehen, was ich als Zehnjähriger so alles über Roboter, Raumschiffe und Detektive zusammengekleistert habe. Nach ein paar missglückten Schreibversuchen, die stets mit Verlagsablehnungen endeten, ging es dann 1997 so richtig los, als ich die ersten Schreibworkshops besuchte, ernsthaft am Text zu feilen begann und die ersten Stories in Magazinen wie Fantasia, Solar-X, Andromeda und Alien Contact unterbringen konnte. Damals gab es ja weder Internet noch Foren, sondern nur gedruckte Fanzines. Die Stories wurden per Diskette auf dem Postweg versandt. Unvorstellbar heute.

 

Fantasyguide: Was lesen Sie privat? Gibt es einen bestimmten Autor oder Zyklus, der Sie in Ihrem Leben besonders inspiriert hat?

 

Andreas Gruber: Ich lese ziemlich viel, in jeder freien Minute – sogar, wenn ich von der U-Bahn- zur Schnellbahnstation gehe. Eines Tages wird mich sicher ein Autobus überrollen, aber dieses Risiko gehe ich ein. In meiner Jugend habe weniger die John Sinclair Heftromane gelesen, die waren mir zu aalglatt, sondern eher Larry Brent, weil der etwas rauer war. Ich habe die Weltraumpartisanen-Reihe von Mark Brandis verschlungen. Besonders beeinflusst haben mich später die Thriller von Dennis Lehane, David Morrell, Joe R. Lansdale. Das sind Autoren, die einfach wunderbare Geschichten mit lebendigen Charakteren erzählen können. Im Moment befinde ich mich in einer merkwürdigen Phase meines Lebens: Ich lese die Kurzgeschichten von Charles Bukowski und kann einfach nicht genug davon bekommen. Es ist nichts Literarisches, nichts Anspruchsvolles, nichts Weltbewegendes, nichts tief Intellektuelles – es ist so knapp und einfach – und vielleicht gerade deswegen so wundervoll.

 

Fantasyguide: Wie steht es mit aktuellen, deutschsprachigen Autoren?

 

Andreas Gruber: Ich mag die Kurzgeschichten von Malte S. Sembten, Frank Hebben und Torsten Sträter. In der Thrillerszene gibt es im Moment einen Hype um die Romane von Sebastian Fitzek, der alle Rekorde sprengt. Fitzeks Debutroman „Die Therapie“ habe ich von der ersten bis zur letzten Seite verschlungen, und das ist wirklich ein sensationell rasanter und spannender Psychothriller, der den Leser durch die Kapitel peitscht.

 

Fantasyguide: Schreiben Sie lieber Kurzgeschichten, oder doch eher längere Romane?

 

Andreas Gruber: Ich schreibe generell gern – egal in welcher Länge. Um einen abendfüllenden Roman zu schreiben, musste ich aber zuerst einmal wissen, wie die Mechanismen des Plots, der Charakterentwicklung und Spannungsbögen funktionieren. Soll heißen, ich habe mit Kurzgeschichten begonnen und später Novellen geschrieben, bevor ich mich an den ersten Roman „Der Judas-Schrein“ gewagt habe. Den Lesern hat es gefallen, das Buch bekam einen Preis, und ich wollte den Weg fortsetzen. Weitere Romane folgten, bei denen ich versucht habe, mich ständig zu verbessern, d.h. komplexere und spannendere Plots zu entwickeln, bessere und dichtere Charaktere zu zeichnen. Zwischendurch habe ich stets Ideen für Stories, und dann juckt es gewaltig in den Fingern. Die Arbeit an einem Roman verschlingt natürlich viel Zeit, aber zwischendurch gönne ich mir die Freude, ein oder zwei neue Shortstories zu schreiben.

 

Fantasyguide: Welches Genre bevorzugen Sie? Käme vielleicht auch mal Fantasy in Frage?

 

Andreas Gruber: Eher nicht. Meines Erachtens ist die Form der Fantasy, mehr als bei allen anderen Genres, der Roman und nicht die Kurzgeschichte – und zwar dicke Romane mit 700 Seiten, in denen ganze Welten erschaffen werden. Um in diese Richtung vorzudringen, dafür bin ich viel zu sehr im Genre der Phantastik und des düsteren Thrillers verwurzelt. Es gibt von mir je eine Sammlung mit Horror-, SF- und Phantastikkrimi-Stories, sowie zwei Horror- und zwei Thriller-Romane. Wenn ich schreibe, brauche ich Abwechslung, und in der Bandbreite von Krimi bis Phantastik fühle ich mich wohl wie ein kleiner Fisch im Wasser.

 

Fantasyguide: Lesen Sie Fantasy?

 

Andreas Gruber: Beispielsweise hat mir die Ronin-Trilogie von Eric van Lustbader sehr gefallen, aber Herr der Ringe habe ich in der Hälfte des dritten Bandes aufgegeben. Von mir aus steinigt mich – aber ich fand Tolkien langweilig.

 

Fantasyguide: „Die Engelsmühle“ ist nach „Der Judas Schrein“ und „Schwarze Dame“ die dritte Veröffentlichung im Festa Verlag. Wie war die Zusammenarbeit mit Frank Festa?

 

Andreas Gruber: Es ist in der Szene bekannt, dass Frank Festa ein sturer Hund ist, der kompromisslos seinen Weg geht, nur das macht, wovon er überzeugt ist und sich rasch von falschen Freunden trennt. Das ist eine Eigenschaft, die ich an ihm schätze. So lange man kein eigenes Süppchen hinter seinem Rücken kocht, kann man mit Frank wunderbar zusammenarbeiten. Gelegentlich telefonieren wir miteinander, und meist werden das Marathon-Telefonate, in denen wir uns über die Szene unterhalten. Ich merke dann immer rasch, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Zum Glück zahlt er die Telefonrechnung!

 

Fantasyguide: Sind weitere Festa-Titel geplant?

 

Andreas Gruber: Nein, das wäre noch zu früh. Jetzt muss mal abgewartet werden, wie sich die Peter Hogart Krimis „Schwarze Dame“ und „Die Engelsmühle“ am Markt etablieren und ob die Krimileser darauf aufmerksam werden.

 

Fantasyguide: Nach Science Fiction und Cthulhu-Horror, nun die beiden Krimis um den markanten Privatdetektiv Peter Hogart. Was hat Sie genau zu den verschiedenen Romanen inspiriert?

 

Andreas Gruber: Es begann jeweils mit einer kleinen, spontanen Idee, die mir irgendwann einmal durch den Kopf geschossen ist. Was wäre wenn …? Ich kann jetzt nicht verraten, worum es geht, weil genau das die Schlusspointen der Romane sind. Aber es gab konkrete Initialzündungen: Bei „Der Judas-Schrein“ war es beispielsweise die Katastrophe des so genannten Jahrhundert-Hochwassers, das ein Kripo-Ermittlerteam in einem Dorf von der Außenwelt abschneidet, bei „Das Eulentor“ die Abbildung in einer Zeitung vom Querschnitt der Erde, bei „Schwarze Dame“ ein Film mit Christopher Lambert und bei „Die Engelsmühle“ die Testfahrt im Rollstuhl eines befreundeten Literaturkritikers … da machte es jeweils Plopp, und die Grundidee war da. Früher hielt ich das für ausgemachten Blödsinn, wenn Autoren darüber sprachen, aber mittlerweile glaube ich ein bisschen daran: Die Ideen sind einfach da, sie existieren, und sie fliegen einem zu. Wenn sie mir nicht zufliegen, dann eben jemand anders.

 

Fantasyguide: In einem anderen Interview habe ich gelesen, dass Sie für den ersten Teil „Schwarze Dame“ zuerst nur in Büchern die Schauplätze recherchiert hatten. Erst nach dem Geschenk Ihrer Frau sind Sie nach Prag gereist und konnten alles noch einmal überprüfen.

 

Andreas Gruber: Für den Thriller „Schwarze Dame“, der in Prag spielt, hatte ich mir sämtliche Reiseführer aus den Bibliotheken geliehen und wochenlang studiert. Als zwei Drittel des Romans in der Rohfassung getippt waren und meine Frau und ich in Prag waren, wo wir die Schauplätze der Handlung abschritten, hat mich beinahe der Schlag getroffen. Viele Dinge sahen anders aus, als in den Reiseführern beschrieben. Oft dachte ich, als wir in die nächste Gasse einbogen, „Scheiße, Scheiße, Scheiße …!“ Da die Schauplätze Prags und das Stadtbild einen engen Bezug zur Handlung haben, musste ich einiges umschreiben. Aber in der Endfassung war dann alles stimmig. Seitdem weiß ich, wie wichtig Recherchen vor Ort sind.

 

Fantasyguide: Bei dem zweiten Roman hatten Sie diesmal als geborener Wiener quasi Heimvorteil. Ging die Recherche zu dem Roman schneller vonstatten?

 

Andreas Gruber: Ja, um einiges. Beim Schauplatz Wien in „Die Engelsmühle“ hatte ich tatsächlich Heimvorteil, aber auch hier fuhr ich tagelang herum, besuchte die Innenstadt, die Katakomben, die Wiener Vororte an der Donau und den Kahlenberg, auf dem die fiktive Engelsmühle steht, fotografierte eifrig und lud mir die Fotos als Hintergrundbild auf den Desktop, wenn ich die entsprechenden Szenen schrieb.

 

Fantasyguide: Besonders Peter Hogart sticht bei den Figuren hervor. Gab es vielleicht ein reales Vorbild für ihn und seine schrulligen Macken? Wie viel ist Fiktion?

 

Andreas Gruber: Das freut mich, dass Peter Hogart als markante Figur in Erinnerung bleibt. Ich habe viel Arbeit in diesen Charakter mit alle seinen Marotten, Spleens, Stärken, Schwächen und zahlreichen Interessen investiert. Im Prinzip ist nichts Fiktion. Allerdings ist Peter Hogart einerseits eine Kombination aus autobiografischen Details, und andererseits aus Eigenschaften und Geschichten, die ich von Freunden und Verwandten kenne. Beispielsweise haben Peter Hogart und ich kein einziges Hobby gemeinsam, aber ich wollte einmal über jemanden schreiben, der mit Jazzsingles auf Flohmärkten handelt und Autogramme und Filmplakate von Schauspielern aus den 50er Jahren sammelt … das hat dann auch indirekt immer etwas mit der Romanhandlung zu tun.

 

Fantasyguide: In den Romanen ist es mittlerweile so etwas wie ein Running-Gag geworden, dass Peter, nachdem ihn seine Exfreundin für den Geschäftsführer von Coca Cola verlassen hat, ausschließlich nur noch Pepsi trinkt? Wie kam es dazu, und welches Erfrischungsgetränk bevorzugen Sie privat?

 

Andreas Gruber: Was für eine Fangfrage! Ich hasse Cola, warum? Nein, ehrlich gesagt schmecke ich nicht einmal den Unterschied zwischen Pepsi und Cola, ich glaube aber, Pepsi ist weniger aggressiv. Wie kam es dazu? Nun, die einzelnen kleinen Geschichten über Hogart sind mir im Lauf des Schreibens eingefallen. Je nachdem, wo es im Roman und der Handlung gerade passte, habe ich ein paar Details eingestreut. Die Figuren sind während des Schreibens gewachsen. Manchmal reden sie in meinen Träumen mit mir, aber mein Psychiater sagt, das ist okay.

 

Fantasyguide: Besonders auffällig ist der Kunstbezug in den Romanen. Interessieren Sie sich stark dafür? Inwiefern hat Ihnen dabei Frank Festa geholfen?

 

Andreas Gruber: Da es Peter Hogarts Job ist, als Versicherungsdetektiv Betrüger aufzudecken, haben seine Aufträge manchmal etwas mit Kunst, wie beispielsweise Gemälden, zu tun. Ursprünglich wollte ich bei dem Thriller „Die Engelsmühle“ aus den beiden weiblichen Hauptcharakteren Linda und Madeleine Bohmann Schriftstellerinnen machen. Aber Frank fand das Thema abgedroschen – jeder zweite Protagonist in einem Stephen King Roman ist Schriftsteller, womit er zweifelsfrei Recht hat. Er schlug Malerinnen vor – aber bis auf ein paar Acrylgemälde, die ich fabriziert habe, wusste ich nichts über Malerei. Umso mehr faszinierte mich die Idee. Da ich gern über neue Dinge schreibe, worüber ich keine Ahnung habe, und gern recherchiere, habe ich die Idee aufgegriffen. Mittlerweile glaube ich, dass der Unterschied zwischen einem Maler und einem Schriftsteller nicht besonders groß ist. Beide sind kreativ, bringen etwas aus ihrer Phantasie aufs Papier und erschaffen etwas, das es vorher noch nicht gab.

 

Fantasyguide:Eine weitere Vorliebe von Ihnen scheinen Sagen und Legenden zu sein. Besonders der düstere „Narrenturm“ in Wien klingt interessant. Ist er einen Besuch wert? Welche Sehenswürdigkeiten können Sie persönlich Touristen empfehlen?

 

Andreas Gruber: Eine Schifffahrt auf der schönen, blauen Donau, die mittlerweile gar nicht mehr so schön und blau ist. Eine Tour durch die Kanalisation Wiens ist bestimmt genauso gruselig, ein Besuch zu den mumifizierten Toten in den Holzsärgen im Michaelerkeller, oder in die Katakomben unter dem Stephansdom. Der Tiergarten Schönbrunn ist sehenswert, ebenso ein Besuch im Prater – der ist zwar etwas abgefuckt, aber wer die Wiener Atmosphäre einmal live erleben möchte, sollte einen Nachmittag im Prater verbringen und mit ein paar Budenbesitzern plaudern. Die erzählen dir Stories, dass dir Hören und Sehen vergehen.

 

Fantasyguide:Am Schluss von „Die Engelsmühle“ sagt Peter Hogart, dass dies sein letzter Fall bei Medeen & Lloyd wäre. Sind weitere Romane mit ihm geplant? Welche Stadt wird es diesmal werden?

 

Andreas Gruber: Peter Hogart ist Freelancer, er kann sich seine Auftraggeber aussuchen – aber er wird zwischendurch immer Jobs für Medeen & Lloyd annehmen – die zahlen einfach zu gut. Und darüber werde ich dann schreiben. Ich mag die Running-Gags, die sich aus der konfliktgeladenen Zusammenarbeit mit Medeen & Lloyd ergeben. Es wäre schade, das nicht weiter auszubauen. Zurzeit ist kein weiterer Roman geplant. Aber es existiert eine kleine, böse Idee in meinem Kopf, die Peter Hogart in die Toskana führt. In Florenz, Pisa und den Olivenhainen war ich schon mal, und dort würde ich gern eine Handlung platzieren.

 

Fantasyguide:Woran arbeiten Sie zurzeit? Können Sie uns vielleicht schon einen kleinen Vorgeschmack geben?

 

Andreas Gruber: Ich arbeite an einer neuen komplexen Thrilleridee, mit der ich mich an eine Literaturagentur wenden möchte. Zurzeit brüte ich noch am Expose und der Leseprobe. Die Schauplätze sind Wien, Leipzig, Cuxhaven und Sylt. Man wird sehen, wohin diese Reise führt.

 

Fantasyguide:Vielen Dank für Ihre Zeit und viel Glück für Ihre nächsten Veröffentlichungen.

 

Andreas Gruber: Ich sage danke, das Beantworten der Fragen hat Spaß gemacht.

 

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Die Engelsmühle

Autor: Andreas Gruber

Taschenbuch: 272 Seiten

Verlag: Festa Verlag; Auflage: 1 (26. November 2008)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3865520804

ISBN-13: 978-3865520807

Erhältlich bei: Amazon

 

Unsere Rezension zu dem Buch: Die Engelsmühle


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Erstellt: 18.12.2008, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 7998