Interview: Chrissi Schlicht
 
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Interview mit Chrissi Schlicht

von Ralf Steinberg

 

Chris Schlicht ist nicht nur die Schöpferin des Fantasyguide-Designs und Stammzeichnerin von Saramee, sie ist inzwischen auch eine vielbeachtete Autorin von Steampunk-Romanen geworden. Ziemlich gute Gründe, sie um ein Interview zu bitten:

Fantasyguide: Hallo Chrissi, die meisten Leser des Fantasyguides dürften Dich kennen. Stell Dich trotzdem mal vor!

 

Chris Schlicht: Was muss man unbedingt über mich wissen? Geboren vor 47 Jahren in Frankfurt am Main, verheiratet, zwei Töchter, studierter Landespfleger (noch mit einem Diplomingenieurstitel), wohnhaft immer noch im Rhein-Main-Gebiet (und eigentlich nie darüber hinaus gekommen), Vielleser, Zeichner und mittlerweile sogar Autor. Fehlt noch was?

 

Fantasyguide: Wenn ich in der Saramee-Wiki wühle bin ich immer wieder von Deinen Zeichnungen beeindruckt. Du hast der Serie Deinen Stempel aufgedrückt. Wie bist Du damals zu Saramee gestoßen?

 

Chris Schlicht: Ich hatte für das von Chris Weidler organisierte Internetmagazin Sono eine Kurzgeschichte illustriert. Er fragte mich, ob ich auch diese Buchserie grafisch betreuen wolle und nach der Abstimmung mit dem Atlantis Verlag war ich Teil des Teams.

 

Fantasyguide: Kannst Du Dich erinnern, welche Visualisierungen Dir Probleme bereiteten? Gab es Diskussionen mit den Autoren? Kämpfe?

 

Chris Schlicht: Eigentlich nicht. Natürlich gab es hin und wieder Unstimmigkeiten, wenn sich einer der Autoren eine Person oder eine Örtlichkeit anders vorgestellt hat, als ich sie dann gezeichnet habe. Das war dann aber auch ein Geben und Nehmen, weil in mancherlei Hinsicht diese fehlerhafte Umsetzung dem Autoren auch ein Hinweis darauf gab, dass seine Beschreibungen möglicherweise missverständlich oder unvollständig war. Einen Kampf gab es aber nie, bestenfalls eine lebhafte Diskussion.

An Probleme kann ich mich auch nicht erinnern, nur an viel Arbeit. Denn ich habe mir schließlich die Mühe gemacht, einen kompletten Stadtplan zu entwickeln. Auch und gerade deshalb, damit ich mir selbst nicht widerspreche und auch die Autoren etwas haben, an dem sie sich entlang hangeln können. Damit die Serie auch wirklich eine Serie ist, und nicht eine bloße Abfolge von Einzelgeschichten, die nichts miteinander zu tun haben. Das wollte ich auch in der grafischen Umsetzung weiterführen.

 

Fantasyguide: Du hast auch Deine eigenen Saramee-Geschichten illustriert. Macht es einen Unterschied, die eigene Fantasie zu bebildern?

 

Chris Schlicht: Nicht wirklich. Es ist vielleicht etwas einfacher, denn man hat beim Schreiben ja bereits ein Bild vor Augen, das zu Papier gebracht werden kann. Man muss es nicht erst noch einem Zeichner beschreiben. Gedankenübertragung gibt es ja leider noch nicht.

 

Fantasyguide: Du hast Saramee nicht nur visualisiert, sondern auch mit Deinen Geschichten bereichert. Mit Gerakas hast Du einen Nicknamen von Dir zu einer Figur in Saramee gemacht. Was hat es mit dem Baumeister auf sich? Kannst Du Dich noch erinnern, wie es mit ihm weitergehen sollte?

 

Chris Schlicht: Da habe ich eigentlich nur meinen eigenen Beruf ins Spiel gebracht. Wenn man eine Figur wirklich bildhaft beschreiben will, soll, kann, dann doch am Besten eine, die einen Beruf ausübt, von dem man ein bisschen Ahnung hat. Ich wollte den Airport-Effekt vermeiden (ein Pilot oder sonst jemand, der sich mit Flugzeugen auskennt, wird sich immer über die Handlungen der Filmpiloten amüsieren). Deshalb ist mir Gerakas ans Herz gewachsen. Wie es mit ihm weiter gehen sollte? Nun, sicher hätte er noch das ein oder andere wichtige Bauwerk für Saramee geschaffen und vielleicht hätte er eine ganz bestimmte Dame kennen gelernt …

 

Fantasyguide: Von Dir stammt auch die Söldnerin Aschera Chrestani, Du hast sie schwanger in Saramee zurückgelassen …

 

Chris Schlicht: Eben genau die. Da hatte ich mir schon ein Zusammentreffen mit dem braven Baumeister ausgedacht. Wenn es denn mit Saramee weiter gegangen wäre …

 

Fantasyguide: Welche Saramee-Ideen gefielen Dir am besten?

 

Chris Schlicht: Am Besten fand ich das Konzept, dass es Fantasy ohne Magie sein sollte. So hin und wieder hat sich zwar mal eine Andeutung selbiger eingeschlichen, aber im Grunde wurde es durchgehalten. Fantasy ohne Elfen und ohne Deus ex Machina – Magie, die auch die verzwickteste Situation mit einem Handstreich oder einem Spruch löst. Die Geschichten mussten logisch und nachvollziehbar bleiben, auch ohne Magie. So soll es sein. Und trotzdem ist es High Fantasy geworden, mit fremden Völkern und einer unterschwelligen Bedrohung. Raum genug für Helden und Anti-Helden aller Art.

 

Fantasyguide: Könntest Du Interessierten etwas aus Saramee empfehlen, was sich Deiner Meinung nach zum Kennenlernen anböte?

 

Chris Schlicht: Auf jeden Fall die Anthologien, alle drei, auch die düstere. Da ist für jeden was dabei und man bekommt einen Überblick über alles, was Saramee ausmacht.

 

Fantasyguide: Gibt es noch etwas aus der Saramee-Welt, das Du gerne aufs Papier bringen möchtest, egal ob Wort oder Bild?

 

Chris Schlicht: Wie Du schon festgestellt hast, gibt es da bei meinen Geschichten immer noch lose Enden. Vielleicht schreibe ich sie mal fertig, vielleicht überlasse ich es auch einfach der Fantasie der Leser, wie es aus- und weitergehen soll.

 

Fantasyguide: Als Künstlerin betrachtet man vielleicht ältere Werke kritischer, oder sind alle Deine Bilder gleichliebe Kinder?

 

Chris Schlicht: Beim Ausmisten des Dachbodens ist mir letztens eine Sammelmappe mit Ausdrucken von Bildern in die Hände gefallen, die ich am Computer coloriert habe. Eine ganz schöne Menge. Saramee-Cover, Envoyer-Illustrationen und vieles mehr. Man mag an einzelnen Bildern jüngerer Zeit keine Entwicklung erkennen, aber wenn ich mir ein paar dieser Bilder ansehe, die zum Teil über zehn Jahre alt sind, dann gibt es da doch eine irre Entwicklung zu den heutigen Sachen. Und das finde ich faszinierend. Auf jeden Fall habe ich noch immer sämtliche Originale zuhause rumfliegen – ich würde niemals etwas wegwerfen. Auch die Bilder, bei denen ich heute sagen würde »Oh mein Gott wie gruselig.« Von daher – ja, eigentlich mag ich alle meine Bilder. Jedes Einzelne hatte und hat seinen Reiz.

 

Fantasyguide: Bekamst Du Feedback zu Deinen Zeichnungen? Passen sie heute noch in Dein Portfolio oder hast Du Dich in eine andere Richtung als Grafikerin entwickelt?

 

Chris Schlicht: Saramee ist in gewissem Sinne »meine« Stadt. Von daher werde ich sie immer im Portfolio behalten. Es ist ein Teil meiner Entwicklung, das ich nicht missen möchte.

 

Fantasyguide: Wie gehst Du beim Erstellen Deiner Bilder vor? Welche Werkzeuge nutzt Du?

 

Chris Schlicht: In erster Linie ganz klassisch Bleistift und Zeichenkarton. Manchmal auch Tusche. Am Anfang jedes Bildes steht eine Bleistiftzeichnung (manchmal mit Tuscheoutline), die dann eingescannt wird und am Computer coloriert (Photoshop und Painter). Das ist alles. Hin und wieder wird auch der Aquarellfarbenkasten ausgepackt oder die Polychromos (Buntstifte).

 

Fantasyguide: Hast Du Kontakt zu anderen deutschen IllustratorInnen?

 

Chris Schlicht: Auf Conventions trifft man sich nun mal zwangsläufig, zuletzt hatte ich wieder auf der FeenCon haufenweise interessante Gespräche mit anderen Zeichnern und Zeichnerinnen. Dabei ist immer wieder die riesige Bandbreite der Stile überraschend. Für jeden Topf gibt’s da ’nen Deckel.

 

Fantasyguide: Als Autorin bist Du auch außerhalb von Saramee sehr erfolgreich, schreibst Steampunk-Geschichten. Dein Roman Maschinengeist rockte ja die Szene. Woher kommt Dein Faible für das 19. Jahrhundert?

 

Chris Schlicht: Das ergibt sich aus meinem Beruf und meinem Arbeitsplatz. Sprich, ich bin auch für die Denkmalpflege tätig und bekomme dadurch eine Menge an Anekdoten und Hintergrundwissen mit. Und Wiesbaden ist eine Stadt, die noch heute in erster Linie von Elementen aus der wilhelminischen Zeit geprägt wird, also von der Zeit, die in England die Victorianische war.

 

Fantasyguide: War es naheliegend diese Geschichten in Deiner Heimat spielen zu lassen und ist das einfacher als in der Fremde oder eher schwieriger?

 

Chris Schlicht: Steampunk ist ja normalerweise eher im englischsprachigen Raum beheimatet. Vorzugsweise dem viktorianischen London. Ich für meinen Teil wage zu behaupten, dass es schwierig ist, eine Örtlichkeit, die man nicht kennt, so schlüssig zu beschreiben, dass es beim Leser das Kopfkino einschaltet. Selbst wenn es eine fantastische Variante ebendieser Örtlichkeit ist. Das merke ich gelegentlich auch als Leser anderer Romane und mag es nicht, wenn man beim Lesen spürt, dass der Autor kein schlüssiges »Weltbild« vermitteln kann.

In meinem Roman »Maschinengeist« lasse ich meinen Protagonisten Peter Langendorf sagen »ich brauche von hier (Wiesbaden) bis Fechenheim keinen Stadtplan.« Das geht mir ähnlich. Dementsprechend gut kann ich mich auch beim Schreiben in dieser Gegend orientieren und meinen Leser mitnehmen.

 

Fantasyguide: Im April 2014 erschien mit Maschinenseele eine Fortsetzung von »Maschinengeist«, worum geht es darin und sind die beiden Bände abgeschlossen?

 

Chris Schlicht: Eine Fortsetzung ist es nur in der Hinsicht, dass es zeitlich an »Maschinengeist« anknüpft und die Protagonisten geblieben sind. Beide Romane sind in sich geschlossen und können daher auch unabhängig voneinander gelesen werden. In »Maschinenseele« ist mein Privatdetektiv aus »Maschinengeist« wieder zur Kriminalpolizei zurückgekehrt und darf sich gleich mit einem Serienmörder herumschlagen, der seine Opfer rituell ermordet und einem jeden ein Körperteil entnimmt. Das ist aber noch nicht alles – in den Vorstädten gärt es und die arme Bevölkerung versucht, sich der Unterdrückung entgegen zu setzen. Neu ist, dass ein klitzekleiner Cliffhanger drin ist, der mich quasi dazu zwingt, eine Nummer drei zu schreiben …

 

Fantasyguide: Das Cover stammt aber nicht von Dir?

 

Chris Schlicht: Da es in die Steampunk-Reihe von Feder & Schwert passen sollte und überhaupt in das Programm des Verlages, hat natürlich Oliver Graute das Cover gemacht. Und ich bin sehr zufrieden damit. Natürlich hätte es bei mir ganz anders ausgesehen, aber sicher nicht besser.

 

Fantasyguide: Wird es eine weitere Geschichte der Maschinenserie geben?

 

Chris Schlicht: Ich bin dran …

 

Fantasyguide: Welche Projekte stehen bei Dir demnächst noch an?

 

Chris Schlicht: Neben den diversen Grafik-Aufträgen (Cover, Handouts und Karten für Cthulhu oder Privat Eye) habe ich noch eins zwei Manuskripte in der Pipeline, die ich endlich mal fertig machen, und vor allem an den Verlag bringen sollte …

 

Fantasyguide: Auf Deiner Homepage steht, dass Du von Deiner Kunst nicht leben kannst. Woher nimmst Du Deine Motivation, trotzdem zu schreiben und wunderschöne Bilder zu erschaffen?

 

Chris Schlicht: Ich habe es nie angestrebt, von meiner Kunst oder meiner Schreiberei leben zu können. Ich zeichne und schreibe trotzdem weiter, weil ich einfach die vielen Bilder aus meinem Kopf heraus haben will. Es ist eine schöne Ablenkung und ich erfreue mich an meinem Werk.

Ich gebe mich da keiner Illusion hin. Gerade die letzte Convention hat mir gezeigt, wie viele jüngere Zeichner mich in der Kunst schon lange überholt haben. Und da mich meine Gesundheit leider immer wieder aus dem Sattel schießt und mich in allem zurück wirft, werde ich das niemals wieder aufholen. Ich bin auch einfach nicht mehr schnell und produktiv genug, um mitzuhalten.

Aber vielleicht gelingt mir ja mit einem meiner Manuskripte noch ein kleiner Durchbruch …

Fantasyguide: Zum Schluss noch ein Wort an die Leser!

 

Chris Schlicht: Bewahrt euch die Fantasie, immer, euer Leben lang. Man kann mit ihr einige Härten der Realität abfedern. Volldampf voraus!

 

Fantasyguide: Dankeschön für das Interview!





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Erstellt: 19.07.2015, zuletzt aktualisiert: 11.07.2024 19:06, 14040