Seit Jahren besticht der Berliner Golkonda Verlag durch qualitativ herausragende und bibliophile Bücher. Dabei lag der Schwerpunkt des Verlages bisher vor allem auf Science-Fiction und Phantastik im Allgemeinen. Mit der Neuausgabe des Gedichtbandes Die Bundesblüthen aus dem Jahre 1806 betritt Verleger Hannes Riffel nun editorisches Neuland.
Fantasyguide: Hallo Hannes, der Golkonda Verlag startet eine Reihe mit Klassiker-Ausgaben. Du scheinst Dir da einen lang gehegten Wunsch erfüllt zu haben – wie kam es zu dem Projekt?
Hannes Riffel: Der Auslöser war das Fehlen einer vernünftigen Ausgabe der Werke von Ludwig Tieck. Als sich dann Jochen Joachimsthaler, ein Germanist, der uns bei unserer Delany-Ausgabe berät, als Tieck-Experte herausstellte, waren die ersten Weichen gestellt.
Fantasyguide: Zum Start der Reihe gibt es mit den Bundesblüthen einen Gedichtband mit eher unbekannten Autoren, birgt das nicht ein großes Risiko in einer Zeit, da Gedichte niemand kaufen mag?
Hannes Riffel: Dieser Band wurde von einem befreundeten Berliner an uns herangetragen und auch finanziert. Die Herausgeber zeichnen auch für die große Ausgabe der Werke von Wilhelm Müller verantwortlich, einem der Lyriker in diesem Band, und damit hatten wir einen schönen »Startschuss« für unsere Reihe. Verkaufszahlen spielen da erst einmal keine Rolle – wir drucken (sehr aufwändig und sehr schön) digital, das läst sich ab 50 Exemplaren kalkulieren.
Fantasyguide: Ihr steckt überhaupt sehr viel Zeit und Geld in die neuen Editionen. Es gibt neben Druckfehlerkorrekturen auch Daten zu den Autoren, wissenschaftliche Beiträge, was ist eure Motivation?
Hannes Riffel: Na ja, das Geld hält sich in Grenzen, und die Zeit findet sich, wenn man Freude an der Arbeit hat. Mich hat auch erstaunt, wie viel Unterstützung wir nicht nur aus dem Berliner SF-Fandom erhielten, und das ermöglicht uns auch die hohe editorische Qualität unserer Editionen. Denn ein Großteil der Arbeit besteht in geduldigem Abgleichen der erfassten Text mit den Vorlagen …
Fantasyguide: Wie sieht die Quellenlage aus, musstet ihr viel recherchieren, um die Werke in guter Qualität neu herausgeben zu können?
Hannes Riffel: Nein, ich kenne mich selbst sehr gut aus mit editorischer Grundlagenarbeit, und dank der zahlreichen Scans von Originalausgaben im Netz ist es sehr leicht geworden, verschiedene Ausgaben miteinander zu vergleichen und sich für die beste zu entscheiden. Außerdem haben wir bei jeder Ausgabe einen Fachmann aus dem universitären Bereich, der uns berät und tatkräftig unterstützt.
Fantasyguide: Können euch Freunde der Reihe irgendwie unterstützen?
Hannes Riffel: Wir suchen immer Leute, die redaktionell mitarbeiten, aber dafür braucht man viel Geduld und einen genauen Blick. Außerdem sind wir bei den Klassikern, im Unterschied zum phantastischen Hauptprogramm, auf Fördergelder angewiesen, projektbezogene Spenden sind also willkommen.
Fantasyguide: Amazon stellt ja diverse Klassiker als teilweise schlechte OCR-Scans als kostenlose eBooks zur Verfügung. Ist das der Grund, warum es auch bei euch kostenlose eBook-Versionen der Klassiker-Ausgaben gibt? Grabt ihr euch damit nicht selbst das Wasser ab?
Hannes Riffel: Wir stellen keine kostenlose E-Book-Ausgaben zur Verfügung, sondern PDFs der Satzdateien, optimiert für den PC oder für Tablets. Da wir anstreben, unsere Ausgaben möglichst aus der öffentlichen Hand oder von Stiftungen fördern zu lassen, halte ich es für selbstverständlich, dass die Texte kostenfrei online frei verfügbar sind. Außerdem ist das eine – sehr bescheidene – Kampfansage an die vielen elenden Textausgaben, die im Netz erhältlich sind.
Fantasyguide: Welche Bedeutung siehst Du im Schaffen von Ludwig Tieck oder Karl August Varnhagen von Enses? Was können heutige Leser daraus schöpfen?
Hannes Riffel: Tieck ist nicht nur der wichtigste Autor der deutschen Romantik, er ist auch in stilistischer Hinsicht sehr modern, und seine Bandbreite ist unglaublich – sie reicht von Gedichten über Dramen, Erzählungen bis zu Romanen. Sein William Lovell ist vielleicht der am meisten unterschätzte Roman der deutschen Literatur. Varnhagen von Ense wiederum ist als Beobachter einer politisch brisanten Zeit und als Bewahrer zahlreicher Briefwechsel von Bedeutung, und seine Denkwürdigkeiten sind nicht nur informativ, sondern auch ein Lesegenuss.
Natürlich werden alle unsere Editionen mit umfangreichen Einleitungen einschlägiger Fachleute versehen, damit auch der sprichwörtliche »interessierte Laie« einen Zugang zu den jeweiligen Texten bekommt. Diese Hintergrundinformationen sind oft vonnöten, um an den Texten selbst Spaß zu haben, und das ist schließlich Sinn des ganzen Unternehmens.
Fantasyguide: Auch zwei Großromane finden sich in der Ankündigung, darunter Victor HugosDer lachende Mann. Wie wird sich das Textverhältnis zwischen reiner Prosa und Texten wie Briefen, Essays, Artikeln und dergleichen innerhalb der Reihe bewegen?
Hannes Riffel: Bei den Übersetzungen (bisher Hugo und Ann Radcliffe) werden es eher Romane sein, bei den deutschsprachigen Autoren eher Erzählungen, Briefe und Memoirenwerke. Aber das kann sich im Verlauf der Zeit auch ändern …
Fantasyguide: Welche Wunschkandidaten für den weiteren Verlauf der Reihe hast Du? Immerhin kenne ich Dich als Wilhelm-Raabe-Fan …
Hannes Riffel: Im Moment haben wir genug Projekte angefangen, und künftig wird es uns vor allem darum gehen, diese Editionen weiter auszubauen.
Fantasyguide: Müssen die Freunde der anderen Sparten Deines Verlages um ihre Lieblingsgenres im Verlagsprogramm fürchten?
Hannes Riffel: Überhaupt nicht. Klassiker und Phantastik stehen nicht zueinander in Konkurrenz, sondern befruchten einander vielmehr. Das zeigen unsere Neuausgaben von Edward Bellamy und William Morris, und auch den Victor Hugo sollte sich kein Fan düsterer Literatur entgehen lassen – nicht umsonst hat Tobias O. Meißner ein Vorwort für Band 1 geschrieben.
Fantasyguide: Wird es begleitende Veranstaltungen zur Reihe geben?
Hannes Riffel: Wir haben unsere Varnhagen-Edition im November in Bonn vorgestellt, und unsere Steffens-Edition werden wir im Sommer 2014, wenn alles nach Plan verläuft, in der Norwegischen Botschaft hier in Berlin präsentieren. Mal sehen, was sich noch so ergibt …
Fantasyguide: Kannst Du schon mehr zu den genauen Terminen der weiteren Veröffentlichungen sagen?
Hannes Riffel: Im Moment bin ich froh, wenn wir die Termine einhalten können, die wir angegeben haben. Im Schnitt werden die Bände einzelner Editionen halbjährlich erscheinen, aber Verzögerungen lassen sich nicht ausschließen – hier geht auf jeden Fall Qualität vor raschem Erscheinen.
Fantasyguide: Vielen Dank und viel Erfolg bei dieser bewundernswerten Edition!
Hannes Riffel: Vielen Dank für Dein Interesse!
Übersicht über die bislang geplante Reihe
soweit bekannt, sind die Erscheinungsdaten genannt