Interview: Regina Schleheck
 
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Interview mit Regina Schleheck

Redakteur: Ralf Steinberg

 

Eine Anthologie ist immer auch eine Entdeckungsreise. Man lernt nicht nur neue Geschichten kennen, sondern auch neue Autoren. Und manchmal stellt man erstaunt fest, dass die Autoren gar nicht so unbekannt sind.

So ging es mir, als ich die Rezension zur Ruhrpottanthologie Der Basilikumdrache schrieb. Die Titelgeschichte stammte von einer Regina Schleheck und dieser Name kam mir bekannt vor. Da fügte es sich glücklich, dass die junge Dame sich anbot, mehr über sich zu erzählen:

 

Fantasyguide: Hallo Regina, Du bist ja längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, immerhin konntest Du mit Klappe zu - Balg tot. Bitterböse Kurzgeschichten eine Story-Sammlung beim Wurdack-Verlag unterbringen. Was sollten unsere Leser noch von Dir wissen?

 

Regina Schleheck: Wenn die Frage sich auf »Klappe zu – Balg tot« bezieht, dann dazu vielleicht, dass ich den Band damals nicht untergebracht habe in dem Sinne, dass ich für meine Geschichten einen Verlag gesucht habe, sondern Ernst Wurdack kam auf mich zu und hat aus meinem Fundus etwas zusammengestellt. Ich war bereits mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem im Corona Magazine für »Klappe zu – Balg tot«, woraufhin Ernst mich gefragt hat, ob er einen Band mit meinen Short Storys herausgeben dürfe. Obwohl der Band hervorragend rezensiert wurde, ist er von den Wurdack-Stammlesern allerdings nur mäßig angenommen worden. Der Schwerpunkt des Verlags ist nun mal eher Science Fiction und Phantastik, während ich eher zu bösen Alltagsgeschichten neige. Der Band wird übrigens noch in diesem Monat im Cenarius Verlag neu aufgelegt.



Fantasyguide: Du und Mark Brandis – eine Lovestory? Wie kam es dazu?

 

Regina Schleheck: Auch da wurde ich gefragt und war überrascht, weil ich die Mark Brandis-Reihe nicht kannte und in der Science Fiction überhaupt nicht zu Hause war. Man hatte mich als Hörspielautorin empfohlen. Ich las die ersten Bände und war begeistert. Nikolai von Michalewsky ist ein toller Erzähler, er schafft Spannung auf hohem Niveau durch einen stimmigen Wechsel zwischen handlungsstarken und reflexiven Szenen, die Grundprobleme der Menschheit und des Individuums betreffen. Seine Helden sind facettenreich. Obwohl ich gerade seine Schilderungen sehr liebe, war gleich klar: das musste außen vor bleiben, wenn ich ein Hörspiel daraus machen wollte. Ein Erzähler kam für mich nicht in Frage. Ein Hörspiel ist keine animierte Lesung, sondern sollte die Handlung und natürlich auch die Stimmung rein akustisch-dialogisch vermitteln, um den Hörer ganz ins Geschehen zu ziehen. Ich fand das eine tolle Herausforderung und bin zum Glück offene Türen eingerannt bei dem Regisseur und Produzenten Balthasar von Weymarn und Reinhild von Michalewsky. Jochim Redeker als Koproduzent und Meister des guten Tons hat dem Skript mit einem genialen Sounddesign Leben eingehaucht, und die Schauspieler, allen voran Michael Lott als Mark Brandis, haben es unter Balthasars Regie sehr authentisch umgesetzt. Ja, durchaus eine Lovestory.

 

 

Fantasyguide: Gingen die Fans nett mit dir um, wenn Du etwas ändern musstest?

 

Regina Schleheck: Erstaunlicherweise haben die Fans die wirklich umfänglichen Schnitte am wenigsten gestört. Es hieß sogar, der Text sei großartig erhalten geblieben, man habe die Sätze noch genau im Kopf gehabt, die im Hörspiel dann zu hören gewesen seien. Nun, die wenigen Sätze, die – wenn auch verkürzt – erhalten geblieben sind, müssen wohl diejenigen sein, die den zentralen Nerv getroffen hatten. Viel mehr Unmut erregten die in meinen Augen eher unwesentlichen Änderungen an technischen Details, die bei einem fast vierzig Jahre alten Roman einfach unabdingbar sind. Wer glaubt denn, dass man in hundert Jahren wieder Bordbücher mit Stift und Papier führt? Verblüfft war ich insbesondere, dass das Missfallen über solche Veränderungen teilweise hemmungslos auf der Beziehungsebene kommuniziert wurde. Auf der anderen Seite ein sehr eindrucksvoller Beleg, wie persönlichkeitsprägend die Mark Brandis-Reihe für die Alt-Fans gewesen sein muss. Wir hatten an den Fundamenten der Sozialisation gekratzt.

Als ich im letzten Jahr mit Aktenzeichen: Illegal noch einmal als Skriptautorin einsprang, war sehr deutlich spürbar, dass das Gros der Kritiker die Romanvorlage gar nicht mehr so genau vor Augen hatte. Da wurden eher Dinge moniert, die wir im Vergleich zum Original zwar deutlich verändert hatten, aber die Veränderung hätte offensichtlich noch drastischer ausfallen können. Wiederum ein schönes Zeichen, dass es gelungen ist, mit der Hörspielreihe ein neues Publikum zu erschließen.

 

 

Fantasyguide: In der aktuellen Doppelfolge Sirius-Patrouille wirst Du bei den weiteren Sprechern genannt. Als was kann man Dich da hören?

 

Regina Schleheck: Ich muss gestehen, ich habe mich beim ersten Hören selbst nicht erkannt, obwohl ich den Text ja eingesprochen hatte. Einige völlig beiläufige Sätze beim Sicherheitscheck, nichts Besonderes. Sehr besonders war allerdings das Vergnügen mit Jochim einen Abend in seinem persönlichen Studio zu verbringen. Ein Traum, was da an Synthesizern, Instrumenten und Geräten herumsteht - und zu erleben, wie jemand in diesen akustischen Welten lebt. Man bekommt eine Ahnung davon, was hinter diesem großartigen Mark Brandis-Sound steckt.

 

 

Fantasyguide: Wie ist die Arbeit an einem Hörspiel, anstrengender als das Schreiben mörderischer Geschichten?

 

Regina Schleheck: Anders. Spontan würde ich sagen:nein. Eigentlich ist es einfacher, man muss sich im Grunde nur die Szene vor Augen führen, diese schließen und hinhorchen. Das, was man dann hört, und nur das hält man fest. Man gibt sich nicht mit Erzählweisen, -perspektiven und Formen der Figurenrede ab. Beim Hörspiel gilt eigentlich grundsätzlich: Weniger ist mehr. Allerdings muss man die Szenen sorgfältiger bauen, damit der Hörer bei aller Reduktion kapiert, was abgeht. Das finde ich aber gerade reizvoll, weil man sich so schöne Kniffe einfallen lassen kann. Nichts ist gruseliger, als wenn die Sprecher nicht miteinander agieren, sondern dem Hörer etwas erklären wollen. Allerdings muss man auch sehr auf Regie, Sprecher und Tontechnik vertrauen. Ein tolles Hörspiel ist immer das Ergebnis von vielen herausragenden Leistungen. Daher ist es mir nach wie vor unbegreiflich, wie selbst Sprecher von Nebenrollen mit Hörspielpreisen bedacht werden, aber Skriptautoren nicht.



Fantasyguide: Du bist nicht nur als Autorin unterwegs, sondern auch als Herausgeberin. Welche Herausforderung reizt Dich mehr? Kann man das überhaupt sinnvoll verbinden?

 

Regina Schleheck: Das kann man sogar sehr sinnvoll verbinden, wenn man sein Handwerk nicht nur aus dem Bauch beherrscht, sondern auch über den Tellerrand gucken kann. Ich bin ja Literaturwissenschaftlerin. Als Autorin wie als Lektorin habe ich erleben dürfen, wie fruchtbar die Zusammenarbeit AutorIn-LektorIn sein und wie sehr sie dem Text zugute kommen kann. Beides macht sehr viel Spaß, gerade wenn man mit guten AutorInnen zusammenarbeitet. Als Herausgeberin kann ich mir die ja aussuchen. Als Autorin gefällt mir nicht alles, was neben meinen Geschichten unter einem Buchdeckel steht. Aber es ist auch ganz angenehm die Verantwortung abgeben zu können. Leser haben ja sehr unterschiedliche Erwartungen.

Zuallererst gilt meine Liebe allerdings dem eigenen Schreiben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in meinem Hauptbroterwerbsberuf ohnehin dauernd rot sehe, weil ich ein Riesenpensum an Korrekturen bewältigen muss.

 

 

Fantasyguide: Auf der Homepage steht, Du seist Mentorin des Krimiautorinnen-Netzwerks. Kannst Du etwas über dieses Projekt erzählen?

 

Regina Schleheck: Die Mörderischen Schwestern sind ein Krimiliebhaberinnen-Netzwerk, das sich die Förderung weiblicher Krimiautorinnen auf die Fahnen geschrieben hat. Genau wie im wahren Leben werden Frauen in der (Kriminal-)Literatur nach wie vor weniger wahr- bzw. nicht ernst genommen als Männer. Daher sind die Mörderischen Schwestern im Gegensatz zum Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur, eine offene Gruppe nicht nur für Autorinnen, sondern auch für Frauen, die noch nichts veröffentlicht haben oder sich einfach nur für Krimis interessieren. Es ist ein tolles Netzwerk, in dem viel Know-how ausgetauscht und jede noch so knifflige Frage schnell beantwortet wird, weil bei über 400 Schwestern ein breit gestreutes Wissen zusammenkommt. Außerdem gibt es regelmäßige Treffen in Regionalgruppen, in denen frau nicht nur klönt, sondern ReferentInnen zu verschiedenen Themen eingeladen werden. Jedes Jahr im Herbst gibt es ein mehrtägiges Krimifestival mit vielen Lesungen, Workshops, Begegnungen und ganz viel Spaß. 2012 wird die Frankfurter Region dran glauben müssen.

Das Mentoring-Programm ist nur eine Form der gegenseitigen Unterstützung, daneben gibt es jede Menge Arbeitsgruppen zu spezifischen Themen. Als Mentorin begleite ich ein Jahr lang eine Autorin bei ihrem Schreibprojekt. Im letzten Jahr hatte ich die großartige Sabine Trinkaus als Mentee, die Ende Februar 2012 ihren Erstling Schnapsleiche veröffentlicht hat.

 

 

Fantasyguide: Du berichtest in Deinen News Mitglied im »Syndikat« zu sein und hast es ja auch gerade erwähnt: Warum sollten sich Deiner Meinung nach Autoren organisieren?

 

Regina Schleheck: Neben Netzwerken, Austausch, gegenseitiger Unterstützung und Feiern brauchen AutorInnen eine Lobby, um wahrgenommen zu werden und Interessen durchsetzen zu können. Das ist für das »Syndikat« als Vertetung der Profis natürlich erst recht ein Thema.

Das Bild der einsamen Schreibtischtäter trifft auf das Krimigenre absolut nicht zu. Es ist viel besser organisiert als die Science Fiction und Phantastik, was in der Natur der Dinge liegen mag: organisierte Kriminalität kennt man, aber organisierte Fantasy - ein Widerspruch in sich.

 

 

Fantasyguide: Apropos Homepage. Diese ist quietschbunt. Entspricht farbige Vielfalt Deinem Wesen?

 

Regina Schleheck: Sie ist nicht einfach nur quietschbunt, sondern die Webdesignerin hat hier sehr gezielt bestimmte Farben eingesetzt, um das Charakteristische meiner Themen und Darstellungsweisen zu transportieren. Das Rot steht für Macht und Leidenschaft, das Orange für Extrovertiertheit, Optimismus, Humor, das Grün für Hoffnung und Transformation, das Gelb für Willenskraft, Wissen, aber auch Angst, das Violett für das Spirituelle und das Schwarz für das Okkulte. Das Namenszug-Logo soll genauso die Vielfalt meines Schreibens widerspiegeln. Als Mensch bin ich – so hoffe ich zumindest – eindeutiger gestrickt. Ich muss gestehen, als ich den Entwurf zu meiner Homepage das erste Mal sah, habe ich spontan gesagt: Moment, das bin doch nicht ich. Nein, hat die Webdesignerin gesagt, das sind Ihre Texte. Es ist eine Autorenhomepage, kein Nähkästchen. Das fand ich ziemlich überzeugend.

 

 

Fantasyguide: Gerade konnte ich Deine Geschichte Der Basilikumdrache in der gleichnamigen phantastischen Ruhrpott-Anthologie bestaunen. Was bedeutet Dir Heimat?

 

Regina Schleheck: Viel. Auch wenn und gerade weil ich immer sehr gerne verreist bin, wozu ich heute kaum noch komme. Herkunft prägt viel mehr, als man sich eingestehen mag. Das ist aber auch ein ungeheurer Schatz, wenn man es sich bewusst macht. Den man aus der Entfernung oft besser würdigen kann. Ich selbst bin im Rheinland groß geworden, was meinen Blick auf Besonderheiten anderer Regionen vielleicht sogar schärfen mag. Als ich den »Basilikumdrachen« kürzlich in Gelsenkirchen gelesen habe, war eine Zuhörerin kaum davon abzubringen, dass ich im Ruhrgebiet aufgewachsen sein müsse. In Wirklichkeit kenne ich die Drachenbrücke, um die es in meiner Story geht, nur von Bildern. Ich warte immer noch darauf, dass man mich zu einer Open Air-Leseveranstaltung dorthin einlädt.

 

 

Fantasyguide: Eine wichtige Diskussion in der Buchbranche betrifft derzeit das Urheberrecht und den möglichen Siegeszug des eBooks. Bastelst Du auch schon an digitalen Büchern?

 

Regina Schleheck: Urheberrecht – auch ein ganz wichtiges Thema für AutorInnennetzwerke. Ich sehe das Internet als große Chance für eine – hier insbesondere literarische – Vielfalt, die es im klassischen Verlagswesen niemals gäbe. Umso wichtiger ist der Schutz des geistigen Eigentums und nicht zu verwechseln mit dem Schutz des Profits medialer Konzerne, sofern diese die Künstler nicht angemessen partizipieren lassen. Die Wahrung dieser Balance ist für unser aller Zukunft von großer Bedeutung, nicht nur kulturell, auch politisch.

In Sachen eBooks bin ich eher zurückhaltend, nicht nur weil ich selbst nach wie vor lieber Printausgaben lese, sondern weil ich weder Ahnung, Lust, Zeit noch Not habe. Das überlasse ich gerne meinen Verlegern. Natürlich gibt es einiges von mir als eBook. Aber solange ich vom Schreiben nicht leben muss und will und eher Not habe, den Anfragen nachzukommen, werde ich mich nicht noch in die Veröffentlichung und Vermarktung reinhängen.

 

 

Fantasyguide: Wie sehen Deine aktuellen Pläne aus?

 

Regina Schleheck: Mal schauen. Es gibt ganz viele laufende und anvisierte Projekte, aber ich muss sehen, was passt. Zuallererst habe ich einen Haufen Kinder, die ernährt werden wollen. Das hat Priorität. Dann kommt das Vergnügen. Ich freue mich drauf.

 

Fantasyguide: Vielen Dank für das Interview!

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Buch:

Der Basilikumdrache

Herausgeber: Bartholomäus Figatowski

gebunden, 110 Seiten

Verlag Nicole Schmenk, 6. Dezember 2011

Cover: Michael Hüter

 

ISBN-10: 3943022064

ISBN-13: 978-3943022063

 

Erhältlich bei Amazon

 

Inhalt:

<typolist>

Regina Schleheck: Der Basilikumdrache

Susanne Haberland: Am Baldeneysee

Jörg Weigand: Nadeltanz

Renate Schmidt-V.: Tot oder lebendig im Gut Rocholz

Jutta Kieber: Das Knöllchen

Karla Weigand: Am Kanal

Bettina Forbrich: Ruf aus dem Nebel

Marika Bergmann: Union ›U‹

Benjamin Nemeth: Der Kepkow-Apparat

Rainer Schorm: Teufe

Achim Hiltrop: Glück auf!

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Erstellt: 15.03.2012, zuletzt aktualisiert: 11.07.2024 19:06, 12397