Interview: Thorsten Küper
 
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Interview mit Thorsten Küper

von Ralf Steinberg



Der Autor Thorsten Küper kann seit Jahren Leserinnen und Leser mit phantastischen Geschichten begeistern, jedoch hat er auch eine ganz andere Seite. Als Veteran in den virtuellen Weiten des Second Life kämpft er unermüdlich für künstlerische Freiheit und Kreativität. Wir nahmen diese Fassette seiner Persönlichkeit zum Anlass, ihn zu Wort kommen zu lassen:







Fantasyguide: Hallo Thorsten, neben Deinen schriftstellerischen Aktivitäten bist Du auch in einer fast unbekannten oder vergessenen Parallelwelt unterwegs, dem Second Life. Wie trieb es Dich dahin?

 

Thorsten Küper: Ich habe im Jahr 2007 Hintergrundbilder für eine Cyberpunklesung aufnehmen wollen. Dafür habe ich mich in SecondLife registriert. Und damit begann es dann eigentlich.

 

Fantasyguide: Second Life erschien mir zunächst wie ein schrulliges Relikt der 2000er, inzwischen, nach einigen Lesungsbesuchen, bin ich fasziniert von der Virilität der dort agierenden KünstlerInnen. Wie würdest Du den Zustand von SL beschreiben?

 

Thorsten Küper: Der etwas rückständige Look ist einer der Hauptkritikpunkte, der vor allem von Gamern angeführt wird, die SecondLife im Vergleich mit modernen Spielen nicht ernst nehmen wollen. Allerdings bietet kein Spiel, das ich kenne, derartig freie Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn es um eine frei gestaltbare 3D Plattform geht, die von beliebigen Nutzern überall auf der Welt besucht werden kann, gibt es momentan nichts, was es mit SecondLife aufnehmen könnte. Noch nicht. High Fidelity ist gerade für die Allgemeinheit freigegeben worden und auch SecondLife 2.0 wird in nächster Zeit online gehen.

Mit der entsprechenden Hardware kann SecondLife aber durchaus beeindruckend sein.


Fantasyguide: Du bemühst Dich intensiv, eure Veranstaltungen auch im Fandom bekannt zu machen. Steckt dahinter neben dem Wunsch, mehr ZuhörerInnen zu bekommen auch die Angst, im eigenen Saft zu backen? Wie stark ist der Austausch?

 

Thorsten Küper: Wir bemühen uns, unsere virtuellen Lesungen- die nicht nur in SecondLife sondern auch auf OpenSims stattfinden – möglichst überall bekannt zu machen. Und das funktioniert auch. Wir haben beim Brennende Buchstaben E-Book Event vor wenigen Wochen immer wieder Newbies begrüßen dürfen, die sich eigens für die Lesung eines ganz bestimmten Gastes registriert hatten. Besucher aus dem Fandom haben wir auch, aber es sind nicht so viele, wie man eigentlich erwarten könnte. Liegt wahrscheinlich unter anderem daran, dass SF-Fans auch Gamer sind und die oben erwähnten Vorbehalte sie abhalten.

Fantasyguide: Ihr seid während der Events äußerst hilfsbereit gegenüber Neuankömmlingen im SL, eine Notwendigkeit, wenn man die doch komplexe und nicht immer erwartungskonforme Software betrachtet. Was sind die größten Stolpersteine?

 

Thorsten Küper: Die Zugangshürde ist hoch. Ich muss mich registrieren, dann noch ein Programm installieren und einige fürchten, es könnten plötzlich Kosten auf sie zukommen. Oder sie glauben, ihr Rechner ist den Anforderungen nicht gewachsen. Üblicherweise registrieren sich Interessenten eine halbe Stunde vorher und es gelingt ihnen dann nicht mehr, herauszufinden, warum sie nichts hören. Die Enttäuschung ist dann natürlich groß, obwohl das Problem schnell lösbar wäre, wenn man sich früher darum gekümmert hätte. Oder nicht beharrlich übersehen würde, dass man gerade vom stets hilfsbereiten Kueperpunk angesprochen wird. (grinst) Solche Kandidaten stehen öfter vor mir. Sie bemerken dann leider nicht mal den Local Chat.

Fantasyguide: Wer macht die Planungen für die Events, woher kommen die Ideen dazu?

 

Thorsten Küper: Meine Frau Kirsten (Kirsten Riehl aka Zauselina Rieko – Red.) hat die Brennenden Buchstaben schon 2007 gegründet. Wir planen die Events gemeinsam, häufig moderiert sie auch mit, oder übernimmt eine Rolle bei den Lesungen. Oft entstehen die Ideen sehr spontan – und werden dann zügig per Email oder sozialem Netzwerk auf den Weg gebracht. Wir sagen: Die oder den hätten wir gern und fragen dann man mal nach.

 

Fantasyguide: In den Galerien und Ausstellungen, die ich im SL besuchte, gab es auch immer die Möglichkeit, Kunst zu kaufen. Bei Lesungen gab es Links zu den Büchern, inklusive Shopangebote. Ursprünglich sollte gerade das virtuelle Einkaufen, das nächste große Ding werden. Wie groß ist die Verzahnung von Kunst und Kommerz im SL?

 

Thorsten Küper: Mit SecondLife kann man Geld verdienen. Die SecondLife Künstler gehören allerdings nicht zu den großen Absahnern. Wenn man ein Kunstwerk für, sagen wir mal 500 L$ verkauft, dann sind das grob etwa 2 €. Virtuelles – und dann echtes – Geld wird vor allem mit Modeartikel in gemacht. Ich glaube, Schuhdesigner und bestimmte Modelabels können durchaus ernsthaft Geld verdienen. SL Künstler können damit üblicherweise nicht mal die Miete für ihre Galerien einnehmen.

Wir verdienen mit den Lesungen übrigens gar nix. Wir nehmen weder von den Autoren noch von den Besuchern Geld dafür – dann wäre das auch sehr schnell eine sehr einsame Veranstaltung.

Fantasyguide: Habt ihr Probleme mit Diebstahl, Raubkopien oder ähnlichem oder interessiert euch das nicht?

 

Thorsten Küper: Die Bücher, die wir ausstellen, sind selbstverständlich keine Bücher, sondern nur Links zu den Autorenseiten. Wir haben also in dieser Hinsicht keine Probleme mit Raubkopien.

Kunstwerke, oder sagen wir jede Art geistigen Eigentums unterliegt in SecondLife natürlich denselben Problemen wie in der realen Welt. Ein schönes Beispiel dafür sind Luftschiffe, die hier von einer großartigen Designerin angeboten wurden. Mit Hilfe von Copybots ist es möglich, eigentlich nicht kopierbare Objekte eben doch zu kopieren. Sie danach etwas zu verändern und dann unter dem eigenen Namen zu verkaufen. Sehr tragisch für die Künstler, die so etwas in mühevoller Arbeit entworfen und gebaut haben.

Fantasyguide: Einer der von mir besuchten SL-Orte ist das Kreativdorf. Das klingt nach Kommune und Künstlerkollektiv. Wie gestaltet sich das Zusammenleben und der Austausch im Kreativdorf? Wie wird man Dorfbewohner?

 

Thorsten Küper: Es soll auch nach Kunstkollektiv klingen. (Schmunzelt). Eigentlich besteht Kreativdorf zum großen Teil aus unserem Grundstück. Je nach Platz und Platzbedarf haben sich Bewohner dort angesiedelt und basteln an ihren eigenen Projekten. Normalerweise sind Parzellen in SecondLife sauber eingeteilt. Bei uns läuft das eher so nach Gefühl. »Ja, mach mal, da vorne ist Platz, passt schon!« Bisher hat sich die deutsche Kleingärtnermentalität nur selten bemerkbar gemacht und alle fühlen sich wohl.

Fantasyguide: Gerade auch Ober-Cyberpunker Michael K. Iwoleit ist mit dem SL fest verbunden. Was verbindet Dich mit Michael?

 

Thorsten Küper: Ich kenne Michael, seit ich das erste Mal eine Story für Nova geschrieben habe. So etwa dreizehn Jahre, würde ich sagen. Wir sind gut befreundet und machen immer mal wieder gemeinsame Veranstaltungen. Michael organisiert unter anderen internationale Lesungen, bei denen er klassische und bekannte Kurzgeschichtenautoren vorstellt. Ich bin oft als Stimme dabei.

Fantasyguide: Du hast mir empfohlen, mich mit Barlok Barbosa, einem eurer beliebtesten Bühnenbauer zu unterhalten. Wie wichtig sind Dir seine Arbeiten. Was macht eine gute Gestaltung von Plätzen und Räumen im SL für Dich aus?

 

Thorsten Küper: Originalität, Detailreichtum oder kurz: Es soll cool aussehen.

 

Fantasyguide: Was geht gar nicht?

 

Thorsten Küper: Es soll nicht billig wirken.

 

Thorsten Küper: Es gibt Kaffee im Kafé KrümelKram. In der Tat. Da steht eine Espressomaschine. Allerdings bedarf es einer gewissen Fantasie, um ihn zu genießen.

 

Fantasyguide: Gibt es Orte, deren Verschwinden Du bedauerst? Oder Orte, deren Gründung Du gern erleben würdest?

 

Thorsten Küper: Viele. Darunter das Kunstkollektiv Caerleon, über das ich selbst noch vor ein paar Jahren einen Artikel in telepolis geschrieben habe. Dann bekannte deutschsprachige Kulturstandorte, die einfach zu groß waren, um sie länger finanzieren zu können und viele wunderbar kreativ gestaltete SIMs. Aber es kommen auch immer wieder neue dazu.

 

Fantasyguide: Was hat es mit der SL-Schreibgruppe zusammen?

 

Thorsten Küper: Die Schreibgruppe haben Wilfried Abels und Peter Hakenjos gegründet als Gesprächsrunde für Autoren und solche, die es gerade werden wollen, oder sich einfach nur für das geschriebene Wort interessieren. Die Gruppe trifft sich jetzt seit über einem Jahr einmal im Monat und existiert damit für SecondLife Verhältnisse außergewöhnlich lang. Wir bieten der Schreibgruppe einen Treffpunkt und unterstützen sie beim Organisieren von Veranstaltungen. Aber Wilfried braucht unsere Hilfe natürlich nicht. Er macht das wirklich ganz hervorragend.

 

Fantasyguide: Habt ihr Einfluss auf die Entwickler von SL? Seid ihr irgendwie an technischen Verbesserungen beteiligt?

 

Thorsten Küper: Nein. Das sollen mal schön die Entwickler machen. Davon abgesehen werden sich die großen Innovationen hier nicht mehr abspielen sondern auf Plattformen wie High Fidelity oder SecondLife 2.0, das übrigens eigentlich Sansar heißen wird.

 

Fantasyguide: Wenn Du Dinge im größeren Umfang an der Software ändern könntest, was würdest Du umsetzen?

 

Thorsten Küper: Als erstes würde ich die Einbindung von Soundfiles erheblich verändern. Das wäre für uns eine große Erleichterung Ganz wunderbar wäre es natürlich, wenn der Client in jeden Browser eingebaut wäre. Anklicken und man ist drin.

Fantasyguide: Mir erscheint die Software von SL ziemlich retro und sogar noch altmodischer als Minecraft. Als alter Dampfpunker müsste Dich das doch noch zusätzlich reizen, oder?

 

Thorsten Küper: Ist schon seltsam, bei den dicken Minecraft-Klötzen stört sich nie jemand an der Grafik. Was wir hier momentan sehen, ist die beste Spielzeugversion – und ich betone Spielzeugversion – einer virtuellen Realität, die es momentan gibt. Und im Prinzip gratis nutzbar. Mir gefällt´s zumindest.

Fantasyguide: Hat das SL und Erlebnisse dort auch Einfluss auf Dein eigenes Schreiben?

 

Thorsten Küper: Meine Story Haptisch (in Nova 18 – Anm. d. Red.) ist schon durch SL inspiriert, keine Frage. Ich habe sie dort auch oft gelesen. Wenn ich eine Geschichte schreibe, dann habe ich natürlich auch immer im Hinterkopf, wie sie sich in SL als Live Vortrag oder Theaterstück umsetzen lässt. Die Story Prudences Regiment, die jetzt gerade im Großen Steampanoptikum erschienen ist, werden wir demnächst als Theaterstück in SecondLife aufführen. Das spielte beim Schreiben schon etwas mit rein.

 

Fantasyguide: Wenn man so viel in SL bauen und machen will, muss man wohl auch eine Menge echtes Geld hineinstecken. Geht das noch in Richtung Hobby oder ist das schon Passion?

 

Thorsten Küper: Ja, ich glaube, wir sind schon irgendwie angefixt. Das kann man wohl nicht leugnen. Wenn wir eine Veranstaltung absolviert haben, dann ist die nächste meistens schon geplant.

Fantasyguide: Wieviel Zeit verbringst Du im SL?

 

Thorsten Küper: Ja, das ist der überraschende Teil. Wenig. Im Schnitt 30 Minuten am Tag und die haben dann mit Vorbereitungen für eine Veranstaltung zu tun. SL lockt mich nicht, wenn es nicht um irgendein Projekt geht.

 

Fantasyguide: Du scheinst mir großen Wert auf Stil zu legen, Zeugnis davon legen auch eure grandiosen Hochzeitsfotos ab. Wie wichtig ist Dir die eigene Präsentation im Netz, wo beginnt für Dich Privatsphäre?

 

Thorsten Küper: Ich habe seit 99 als Autor eine Website und seit 2004 ein Blog, das ich mit großer Begeisterung führe. Darin geht auch viel Privates online. Manches offen ausgesprochen anderes zumindest in verschlüsselter – für mich später nachvollziehbarer – Form. Autoren wollen gelesen werden. Das ist ihr Grundbedürfnis und so schreibe ich dort viel und auch sehr offen über Dinge, die mich bewegen. Unsere Hochzeit wollten wir teilen und das haben wir getan. Wir waren natürlich sehr stolz darauf, dass wir unser großes Fest so gestalten konnten, wie wir uns das gewünscht haben. Und es hängt auch alles irgendwie miteinander zusammen. Ich habe meine Frau 2009 bei einer Lesung in SecondLife kennen gelernt. Wir waren innerhalb weniger Wochen ein reales Paar. SecondLife Beziehungen sind nicht unser Ding.

Da wir beide Steampunk mögen, sollte es eine Steampunk Hochzeit sein und über Steampunk bloggt man selbstverständlich …

Fantasyguide: Gibt es auch reale Treffen der SL-Kreativen?

 

Thorsten Küper: Ich bin ganz begeistert, dass eine Kreativdorfbewohnerin und Autorin, nämlich Sabine Schäfers, extra für meine Lesung zum Dortcon gekommen ist. Mit Kollegen, mit denen ich in Secondlife gelesen habe, bin ich auch schon real aufgetreten. Anja Bagus zum Beispiel, oder Michael Iwoleit, oder Bernar LeSton. Mit ihm und Anja Bagus und natürlich meiner Frau lese ich am 30. Mai auf dem Steampunk Picknick an der Bücherkiste in Soest.

Und da wäre dann noch unser Pixelgrillen. Seit 2010 veranstalten wir eine Grillfete, zu der wir Blogger und SecondLifer einladen. Da tummeln sich dann die Avatare in echt in unserem Garten. Ist ne tolle Sache, wenn die Leute dafür aus Leipzig, oder Mannheim, oder Berlin nach Herne kommen.

2012 haben wir in Duisburg das Bücherpicknick veranstaltet dabei haben wir es umgekehrt gemacht und Lesungen von 18 Autoren nach SecondLife übertragen. Die Zuschauer in SL konnte man per Beamer dann gleichzeitig auf der virtuellen Picknickwiese sehen.

Fantasyguide: Welche Projekte aus der Pipeline sollte man in nächster Zeit auf keinen Fall verpassen?

 

Thorsten Küper: Ich mache gerade eine virtuelle Comedy-Tour. Der Angriff des 30 Meter Nerds.

Die Termine und SL-Urls:

<typolist>

Samstag, 6. Juni ab 21 Uhr im Enchant Club

Samstag, 20. Juni ab 21 Uhr in der Yúcale Coffee Gallery

Samstag, 27. Juni ab 21 Uhr auf Burg Stein (SLURL folgt)

</typolist>

Und am Sonntag, den 28. Juni wird dann unser Steampunk Theaterstück »Prudences Regiment« mit gigantischem Bühnenbild Premiere feiern. Als Co-Leser konnte ich Bernhard Giersche (den Autor von Das letzte Sandkorn und Karl) gewinnen. Das Bühnenbild kommt von Barlok Barbosa.

 

Fantasyguide: Vielen Dank für das Interview!

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032906530715bae417
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Lesung:

Buch:

Das große Steampanoptikum

Eine fantastische Reise durch die Welt des deutschen Steampunk

AutorInnen: Clara Lina Wirz und Alex Jahnke

Gebundene Ausgabe, 176 Seiten

Edition Roter Drache, 18. Mai 2015

 

ISBN-10: 3939459887

ISBN-13: 978-3939459880

 

Erhältlich bei: Amazon

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Erstellt: 09.01.2015, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 13806