Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Nach New York war alles anders – eine Aussage die (leider) nicht nur auf das wahre Leben, sondern gleichfalls auf das Marvel Cinematic Universe (MCU) zutrifft. Wir erinnern uns: 2012, Avengers. Ihr wisst schon. Dieser bunt zusammen gewürfelte Haufen diverser Superhelden (mehr oder minder), die sich irgendwie zusammenraufen mussten, weil sich Thors mental leicht derangierter Halbbruder Loki in seinem Zorn auf den blonden Hammerschwinger ausgerechnet mit einem ganz bestimmten Unsterblichen vom Planeten Titan verbünden musste, und besagte Gestalt mit dunkelvioletter Hautfarbe dem Irren als Zugabe ausgerechnet die Chitauri ins Eroberungspaket packte; hässliche Aliens mit einer äußerst ausgeprägten Neigung zu kriegerischen Akten.
Tja, wäre da nicht dieser andere Irre (positiv gemeint) gewesen, der sich nach eigenen Aussagen eher als Genie/Milliardär/Playboy/Philanthrop bezeichnen würde (Unzutreffendes bitte streichen). Und einen ziemlich coolen Metallanzug sein Eigen nennen darf. Für alle, die noch immer auf dem Stand von Dark Knight sind, damit ist nicht Bruce Wayne gemeint, sondern die nicht ganz so düstere Westküsten-Version davon: Tony Stark – alias Iron Man.
Ein Mann, ein Held, ein Typ, größer als das Leben, was er in der Schlacht von New York auch beweisen durfte. Selbst der Hulk brachte das Kunststück nicht fertig (Achtung Spoiler!), sich eine abgefeuerte Atomrakete zu schnappen, mittels Wurmloch ans andere Ende der Galaxis zu gelangen und ein paar Tausend hässliche Außerirdische auf radioaktive Aschehäuflein zu reduzieren (Spoiler Ende). Respekt.
Doch danach … war eben – zumindest für Tony Stark – (fast) alles anders, wenngleich er diese Auswirkungen erst mit einiger Verspätung und buchstäblich aus dem Nichts zu spüren bekam: plötzliche Schweißausbrüche, Schwindel, Atemnot, Beklemmung, Alpträume, Angst – oder zusammengefasst spontane posttraumatische Belastungsstörungen. Keine Seltenheit bei Soldaten. Und erfüllte sein metallisches Alter Ego Iron Man nicht ebendiese Funktion? Wobei Stark auch nicht ganz unschuldig an seiner Misere ist. Eine Pause, ein Abschalten, einmal richtig durchschlafen … gut möglich, dass die Dinge danach anders verlaufen wären. Doch stattdessen? Bastelt das wohl extrovertierteste Genie des Planeten weiter an seinen Rüstungen (Mehrzahl; GANZ wichtig!) und betreibt Nanoforschung … an sich selbst. Doch so sehr Tony Stark in seiner eigenen Welt leben mag, die echte dreht sich weiter und hat jede Menge Unschönes parat: Beispielsweise die stärker werdende Aversion seiner Lebensgefährtin und Leiterin von Stark Industries, Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) gegenüber seiner Iron Man-Besessenheit.
Oder das plötzliche Auftauchen des knallhart und gnadenlos auftretenden Terroristen mit dem Namen Mandarin (Ben Kingsley), gekoppelt mit der Rückkehr zweiter Menschen aus Tonys Vergangenheit, dem einstigen Über-Nerd Aldrich Killian (Guy Pearce), der mit seiner Ideenschmiede harte Konkurrenz darstellt und ferner mehr als nur ein Auge auf Pepper geworfen hat. Die Ereignisse überschlagen sich, nachdem Starks einstiger Leibwächter und jetziger Sicherheitschef, Happy Hogan (Jon Favreau) Opfer eines geheimnisvollen Anschlags wird – der in irgendeiner Weise mit dem Mandarin, Killians A.I.M.-Ideenschmiede und dem Auftauchen der brillanten Wissenschaftlerin und früheren Geliebten von Tony, Maya Hansen (Rebecca Hall) in Zusammenhang stehen muss. Bloß wie? Bedauerlich, dass die sensationsgierige Presse Tony keine Pause gönnt und ihn förmlich drängt, in Sachen Mandarin klare Stellung zu beziehen. Was dieser auch tut. Und damit sich selbst und alles was ihm lieb und teuer ist, in allerhöchste Gefahr bringt …
Das issser also. Der erste Post-Avengers-Film der Marvel Studios. Auftakt zu Phase 2, ehe sämtliche Fäden mehr oder minder in Avengers 2 – Age of Ultron (2015) wieder hoffentlich genial zusammengefügt werden. In der heutigen Zeit des cineastischen Sicherheitsdenkens (mit maximaler Ertragsausbeute versteht sich) wäre es ein Leichtes gewesen, einfach den ersten Teil der Iron Man-Saga mehr oder weniger noch einmal abzudrehen. Die meisten hätten dafür sogar sicherlich Verständnis gezeigt, es sogar mit einem breiten Grinsen goutiert. Doch genau dies war eben nicht Marvels Vorstellung von einer Fortsetzung. Offenbar kennt man auch im Haus der Ideen den Spruch »Stillstand ist Rückschritt« und weiß ihn auch entsprechend anzuwenden.
Puh. Der Rezensent zeigt sich erleichtert – und schwer begeistert. Denn die neue Marschroute entpuppt sich praktisch ab Minute 1 (EXKLUSIVE der Eiffel 65-Intromukke, wohlgemerkt!) als Volltreffer. Was auch, aber nicht nur wieder mal an Robert Downey jr.’s über jeden Zweifel erhabenen Performance liegt. Oder spielt der Mann im Grunde nur sich selbst? Ist ja auch egal. Auf jeden Fall kriegt er – nach dem teils versemmelten zweiten Teil – endlich wieder die richtigen Sätze in den Mund gelegt und dank der sehr realistisch portraitierten PTBS-Vorfälle Tiefe, wird nicht nur der Protagonist daran erinnert, dass trotz sämtlicher technischer Spielereien unter der Iron Man-Rüstung noch immer ein Mensch steckt.
Das bis auf minimale Schlenker makellose Drehbuch von Drew Pearce und Regisseur Shane Black führt dem Zuschauer diesen Aspekt immer wieder und gleichfalls sehr glaubhaft vor Augen. Apropos Shane Black: Wer seine Vita halbwegs kennt, der dürfte wissen – Superhelden? Nicht sein Ding. Eher rasante, schneidige Action-Thriller. Und unterm Strich ist »Iron Man 3« genau solch einer geworden. Als hätte der leider unlängst verstorbene Tom Clancy mit dem Comicautor Warren Ellis einen drauf gemacht und die legendäre Extremis-Storyline von letztgenanntem Künstler mal ordentlich durch den Fleischwolf gejagt. Denn Comic- und Iron Man-Puristen werden bestenfalls nur noch Fragmente von der großartigen Vorlage im Film wieder finden. Auch was Iron Mans Erzfeind, den Mandarin, betrifft, sollte man sich auf eine handfeste Überraschung gefasst machen, wenngleich auch diese eine sehr mutige, sehr konsequente und vor allem sehr unerwartete geworden ist. So oder so – eine gelungene Darstellung von Oscarpreisträger Ben Kingsley; gleichermaßen herrlich durchtrieben und wunderbar ambivalent. Da übersehen wir sogar großzügig, dass sich der Mann einstmals sogar von Uwe Boll Befehle hat geben lassen.
Doch auch der Rest des Ensembles braucht sich nicht hinterm Vorhang zu verstecken. So überzeugt Don Cheadle mal wieder als Tonys Kumpel James Rhodes/War Machine (liegt hier die Möglichkeit eines filmisches Soloauftritts in der Luft? Liebend gerne!), beweist der auch hier verboten gut agierende und immer noch verkannte Guy Pearce Mut zu Hässlichkeit und Megalomanie. Einzig Rebecca Halls Part als Maya Hansen (die in der Comic-Vorlage einen eminent größeren Part intus hatte) fällt leider etwas ab bzw. endet etwas zu voreilig. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Autoren sich für den Charakter einfach auf keine Marschroute festlegen konnten (Betthäschen? Geniale Wissenschaftlerin? Böse? Alles zusammen? Häh?).
Da das Budget von »Iron Man 3« mit gut 200 Millionen Dollar ein überaus ansehnliches war, kann, nein, muss man auch die entsprechenden Schauwerte verlangen. Und sie werden auch geliefert: Übergroße Actionszenen, die – von Segmenten des Finales mal abgesehen – eigentlich vollends überzeugen können, seien es die neuen (Mehrzahl! Wichtig!) Anzüge des Titelhelden, mächtige Zerstörungen oder Tony Starks ureigene Version des Spieleklassikers »Affen fassen«. Ja, das »eigentlich« steht nicht grundlos da. Denn, werte Mitarbeiter von WETA Digital, so genial eure Arbeiten auch sein können – wenn ihr es übertreibt, dann mit Schmackes. So gesehen an den viel zu künstlichen, übersteuerten Szenen beim drögen Hobbit. Und eben – aber zum Glück nur ganz kurz – auch bei »Iron Man 3«. Hat euch noch keiner gesagt, dass man die besten Resultate mit einer Mischung aus Echt und Fake zustande bringt?
Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Marke Himalaya, würde ich sagen. Allerspätestens nach 130 Minuten (und einer diesmal doch etwas besch … eidenen Post Credits-Szene) weiß man, warum »Iron Man 3« an fünfter Stelle der erfolgreichsten Filme aller Zeiten rangiert – und warum die Marvel-Studios zurzeit alles richtig machen. Weil sie einerseits auf die richtigen Pferde setzen – und andererseits den Zuschauer nicht als stupiden Konsumenten/Drohne ansehen, die bei mittel- bis schweren Veränderungen ihrer geliebten Superhelden gleich auf die Barrikaden geht, sondern offen ist für neue und frische und vor allem mutige Ideen. Wollen wir hoffen, dass dieser Weg mit Thor – The Dark Kingdom, Guardians of the Galaxy (das wird interessant ...!) und Captain America: The Winter Soldier fortgeführt wird.
Fazit:
Mehr James Bond als Superheldenfilm, mehr Technothriller als Cape und Umhang – »Iron Man 3« schlägt diesmal eine neue, teils unerwartete Richtung ein, die dem Franchise aber sehr gut bekommt, vor allem auch dank des Könnens von Regisseur Shane Black. Trotz aller Coolness und Geschwindigkeit vergaß man aber trotzdem nicht, dem Helden ein paar neue Züge zu verpassen, die Hauptdarsteller Robert Downey Jr. fast schon selbstredend exzellent vorträgt. Der Rezensent jedenfalls wartet schon gespannt darauf, wie es im Marvel Cinematic Universe weitergehen wird!