Lesung: Simon Weinert
 
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Lesung von Simon Weinert

von Ralf Steinberg

 

Am 14. Juli 2015 stand die Berliner Otherland Buchhandlung ganz im Zeichen des Barock-Punk. Mitinhaber und Autor skurriler Phantastik, Simon Weinert, feierte die Buch-Release-Party von Tassilo – Der Mumienabrichter.

Bevor wir die heiligen Räume betreten durften wurde drinnen fleißig maskiert, immerhin gilt es in Tassilos Stadt Elon als äußerst unschicklich, ungeschminkt unter die Leute zu gehen.

 

Begrüßt wurden wir von Wolfgang Tress und Jakob Schmidt, der besonders stolz darauf war, das Buch als erster rezensiert zu haben, im Frühjahr 2010 für Pandora 4, der letzten Ausgabe des leider eingestellten Phantastik-Magazins.

 

»Der Verlag bekam damals kalte Füße, warum, erfahrt ihr wahrscheinlich heute …«

 

Der etwas ältere Stargast hingegen, Simon, war ganz aufgeregt und begeistert, als er aufs Podium stieg: »Ich mal da oben!«. Für die Party gab es extra ein Getränk von Piri aus der Voima-Bar und erst das Ende der Getränke würde den Abend beenden, kündigte der stolze Buchpapa an.

 

Dann ging es bereits los mit dem ersten Kapitel, das uns gleich mitten hinein in ein exklusives Vergnügen der reichen Oberschicht Elons: Ein Hasenfegerspiel. Ähnlich skurril wie Quidditch, nur dass anstelle von Bällen, Hasen umhergeschubbst werden. Tassilo ist acht, zum ersten Mal dabei und darf auch gleich beweisen, dass er ein großer Feigling ist. Etwas ziemlich anstößiges in Elons Elite.

 

»Tassilo ist halt ein Schisser und bekommt das alles nicht so in die Reihe.«, charakterisiert ihn der Autor treffend in aller Kürze.

Mit dem ersten Teil des Buches, beschreibt Simon so ganz nebenbei die ganze Verkommenheit und barocke Dekadenz der Lagunenstadt Elon. Als Lesebühnenprofi fiel es Simon leicht, uns zum Lachen zu bringen.

Ganz besonders im zweiten Teil der Lesung, als Tassilo im achten Kapitel seiner Freundin Ruthild eine Spinne in die Nase kriechen lässt. Sie ist die Tochter eines Prinzen, eines stinkreichen Patriziers und Tassilo kam eher durch Zufall in den Genuss ihrer Freundschaft. Zwei Dinge kann er nämlich ziemlich gut. In Elon bewegen sich alle Reichen Leute auf schwebenden Brettern, die sie mittels eines Stabes durch die Gegend stochern. Tassilo kann das ziemlich gut und ihm gelingt damit auch ein Kunststück als Elon von einem finsteren Hexer erobert wird.

Sein zweites Talent ist Titelstiftend, er kann äußerst gut Mumien abrichten. Wie das geht und was Tassilo daran so toll macht, sollte man unbedingt selbst lesen. Simon hat sich da eine ganze Menge einfallen lassen und erzählt das auch noch ungemein witzig.

 

Simon plauderte im Anschluss über die Veröffentlichungsgeschichte des Buches. 2008 war das Buch fertig und er schickte es umher, bekam Absage, aber auch vages Interesse zweier Verlage.

Kurz vor der Buchmesse 2009 erkundigte er sich bei einem der Interessierten und wurde gleich eingeladen, auf dem Stand über die Veröffentlichung zu quatschen.

 

»Ich war natürlich im siebten Himmel! Ein Verlag will das wirklich machen! Ich fahr dann zu Buchmesse und wollte mal so gucken, was der Verlag so macht. Geh also an den Stand, blättre die Vorschau von diesem Verlag durch und sehe, dass die mein Buch angekündigt haben! Das war irgendwie surreal. Man hat nicht mal einen Vertrag, kein ernsthaftes Gespräch und sieht sein eigenes Buch in der Vorschau angekündigt. Das war schon eigen.«

 

Die Sache platzte dann aber 2010, als schon Jakobs Rezension und ein kleiner Artikel in der Mephisto erschienen war.

Es gab diverse weitere erfolglose Versuche.

 

»Als ich dann mit meinen beiden Freunden hier eine Weile den Buchladen zusammen gemacht hatte, dachte ich: Oh ich hab ja jetzt einen Buchladen, warum machen wir das nicht selber? Und dann haben sich einige Freunde gefunden, die ähnliches vorhatten mit dem Buch und jetzt haben wir es! In einer Form, die so bei keinem Verlag, den ich kenne, möglich gewesen wäre.«

 

Das Buch erschien im Verlag Das Beben, eher bekannt für erstklassige Novellen im eBook-Format. Es ist exklusiv im Otherland erhältlich und kann auch versandkostenfrei telefonisch oder per mail bestellt werden.

 

Cover und Illustrationen stammen von Gustavo Barroni, der auf die Bühne kommen und einige Worte zu seiner Arbeit verlieren durfte. In flüssigem Englisch schwärmte er von der Zusammenarbeit, dem tollen Buch und tat auch sonst alles, sein Werk professionell anzupreisen.

Man merkte ihm an, dass er voll hinter dem Projekt stand und die Herausforderung, sich mit dem Barock und seiner Zeichensprache auseinanderzusetzen, begeisterte ihn sehr.

Von Gustavo stammen auch die »endgeilen« Otherland-Postkarten mit phantastisch aufgewerteten Berlin-Motiven.

 

Das Cover zeigt Tassilo in voller Schminke, mit Perücke, den farbigen Augengläsern und seinem Äffchen. Der Blick ist blasiert, ganz dem typischen Portrait eines barocken Potentaten nachempfunden. Auch die Schnörkel und Verzierungen des Covers verweisen auf barocke Bildkunst.

 

Den Begriff »Barockpunk« verdanken wie übrigens Boris Koch, der den Roman als einer der ersten gelesen hat.

 

»Punk aber nicht im Sinne von Steampunk oder Clockpunk, wo keiner weiß, was daran Punk sein soll, sondern Punk im Sinne von Jugendkultur und: Aua, das tut weh!«

 

Während der erste Teil des Buches, den acht- neunjährigen Tassilo vorstellt und dabei den Hintergrund beleuchtet, gibt es im zweiten Teil einen Sprung von einigen Jahren, Tassilo ist nun 15.

 

»Beim Schreiben war für mich eine große Inspiration das Gefühl als ich so als Jungzwanziger Larry Clarks Film Kids sah. Ich fand den Film großartig aber unheimlich verstörend. Und das sind so Geschichten, die mir in der Fantasy immer gefehlt haben. Ich wollte in der Fantasy mal etwas machen, was sich so anfühlt wie Kids.«

 

Die Gestaltung der Fragerunde übernahm Jasper Nicolaisen.

»Ich weiß jetzt, warum die Leute in Elon alle so schlechte Laune haben. Unter der Perücke und geschminkt, das schwitzt wie der Schwanz des Gewieften im Arsch eines Elefanten.«

 

Jasper war quasi vom Anfang an dabei und hat die Veröffentlichungsodyssee begleitet. Er wies dann auch daraufhin, dass »Tassilo« nicht nur aus netten Stellen bestünde.

 

»Aber es ist tatsächlich nicht nur ein komisches Buch, sondern es ist so ein Buch bei dem man gerne lachen kann, aber auch ein Buch, wo einem immer wieder beklommen wird. Man denkt so: Das kann er doch jetzt nicht wirklich schreiben!«

 

Das Buch entstand übrigens aus der Idee heraus, eine Geschichte für den Wolfgang-Hohlbein-Preis zu schreiben.

 

»Dann habe ich angefangen zu schreiben und im zweiten Kapitel habe ich gemerkt, das mit dem Jugenduch wird nix mehr, also zumindest nicht für den Wolfgang-Hohlbein-Preis. Und dann hat's mich gepackt. Die Jugendkapitel waren immer ein bisschen schwieriger, weil man da so ein bisschen Exposition betreiben musste und ich mich mit dem jungen Tassilo auch nicht so ganz identifizieren konnte. Dann aber, als er dann mal wirklich 15 war und es losging, da lief es eigentlich ziemlich cool. Ich hab insgesamt netto drei Monate gebraucht.«

 

Das Lektorat organisierte damals der Verlag und wurde von Kathleen Weise übernommen.

 

»Ich hab's jetzt, vor der Veröffentlichung im Februar auch noch mal durchgelesen und es gibt ganz viele Stellen, da dachte ich so: uh!

Ich habe seither ja wahnsinnig viel übersetzt für Unterhaltungsverlage und da kriegt man Routine. Man bekommt die Lektorate zurück und weiß dann, wie in der Unterhaltungsliteratur die Sätze gebaut sein müssen. Und ganz oft hatte ich den Impuls: Das muss man doch anders umstellen! Dann hab ich's mir nochmals durchgelesen, wirken lassen und gedacht: Nein, wenn, dann hab ich wieder genau das, was ich in jedem Heyne-Buch, in jedem Blanvalet-Buch usw. drinhab.

Ich hatte damals ein Gefühl beim Schreiben, ein Ton auch im Kopf, eine richtige Stimme. Mit Stimme formuliert man ja grundsätzlich ganz anders, als wenn man schreibt. Das wollte ich bewahren und haben dann auch oft wider besserem Wissen gesagt: So das bleibt jetzt drin!«

 

Jasper bohrte noch tiefer nach und bekam fast alle seine Antworten. Doch dann wurde es Zeit, die Orgie steigen zu lassen.

 

Nach dem ganzen Gerede auf der Tribüne wurde weiter geredet, getrunken, signiert und gekauft. Ganz normaler Otherland-Alltag.

 

Dekadenz, blasierte Unmenschlichkeit und ein Coming of Age – Tassilo, der Mumienabrichter wird wohl eher ein Arschloch als ein sympathischer Held sein. Wir freuen uns drauf!

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Buch:

Tassilo, der Mumienabrichter

Autor: Simon Weinert

Das Beben, Juli 2015

Taschenbuch, 375 Seiten

Cover und Illustrationen: Gustavo Barroni

 

ISBN-13: 9783944855097

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Erstellt: 20.07.2015, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 14042