Pacific Rim (BR; SF; FSK 16)
 
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Pacific Rim (BR; Science-Fiction; FSK 16)

Filmkritik von Torsten Scheib

 

Rezension:

Echte Männer weinen nicht. Außer, ihnen wurde unlängst der Geldhahn zugedreht, um einen Lebenstraum zu verwirklichen. So geschehen bei Mexikos Kult-Filmemacher Guillermo del Toro. Wir erinnern uns: Sommer 2010. Universal Pictures verkünden öffentlich, dass sie gerade grünes Licht für die Lovecraft-Adaption Berge des Wahnsinns gegeben haben. Selbstredend in 3-D (was Sinn macht, wenn man die Vorlage kennt), mit einem üppigen 150 Mio. Etat, James Cameron als Produzenten und – UND! – in einer R-Rated-Version, in anderen Worten: düster, brutal, episch, FSK 18. Choreographiert von dem Fachmann und Fan del Toro, der allerspätestens seit Hellboy (2004) bewiesen hat, wie brillant und zugleich scheinbar problemlos er Lovecrafts kosmische Horrorphantasmagorien in imposante, kraftvolle, bewegte Bilder umsetzen kann.

Verständlich, dass bei solch einer Aussicht nicht nur Horrorfans Pipi in den Augen und unvermittelte Harninkontinenz verspürten. Verständlich – war die ganze Sache doch zu schön, um wahr zu sein, und wurde wohl deshalb auch prompt gecancelt. Da darf man ruhig zum Taschentuch greifen, auch ein ganzes Wochenende lang, wie bei del Toro geschehen. Aber bereits am darauf folgenden Montag schnappte sich der Mann entschlossen ein Drehbuch von seinem Schreibtisch, machte mit Lovecraft – vorläufig – kurzen Prozess und verkündete stattdessen, dass sein kommendes Projekt riesige Monster und gleichermaßen gigantische Mechas (Riesenroboter) beinhalten würde. Das del Toro im gleichen Atemzug von seinem bislang »unbescheidensten« Film sprach, kann man daher wohl auch instinktiv nachvollziehen. Schließlich treffen sich Monster respektive »Kaiju« (so der japanische Fachbegriff) und Mecha nicht zum Teetrinken oder fröhlichem Singsang. Nein, da soll sich ordentlich gekloppt werden; da sollen Städte platt gewalzt und Skalen gesprengt werden; Basta!

 

Tja, und hier beißt sich die sprichwörtliche Schlange eigentlich in den nicht minder sprichwörtlichen Schwanz, steht der Name del Toro eigentlich für meisterhaft austarierte, zwischen subtil und grob wechselnde Horror-Fantasy mit beinahe ausschließlich vorhandenen visuellen Augenweiden, weniger für plumpe, unübersichtliche und freilich eindimensionale Material-, Haudrauf- und CGI-Schlachten Marke Transformers, Battleship und Konsorten. Oder hat das sympathische Schwergewicht bei seinem Kurzaufenthalt auf dem Hobbit-Set gelernt, wie man seine Seele – und einen Teil des Talents – an Kalkül, Kommerz und Technik verscherbelt?

 

Eins ist gewiss: die Zeiten, in denen sich zwei oder mehrere Akteure in Gummianzügen inmitten einer Merkur-Modelleisenbahnlandschaft in Zeitlupe die Hucke versohlt haben, sind ein für allemal vorbei – zum Glück. Ich für meinen Teil hasste es jedenfalls schon damals, in Zeiten, in denen das ZDF solche Kaiju-Meisterwerke wie Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn (1967) oder King Kong gegen Godzilla (1974) für Primetime-würdig (!!!) empfand, wenn man bei besagten Klopperarien unvermittelt sein eigenes Revell-Kampfflugzeug wieder erkannte (und dieses sogar noch besser zusammengeklebt war). Oder Elemente aus dem Modellkasten. Okay, unser Schwaben-Spielberg Roland Emmerich brachte auch mit modernster Computertechnik das Kunststück fertig, ein potenziell viel versprechendes Franchise wie Godzilla dank seiner Talentfreiheit veritabel gegen die Wand zu klatschen … aber trotzdem: Warum hatte ausgerechnet Guillermo del Toro einen Narren an solch einer Thematik gefressen?

Ist doch ganz simpel: Weil der Mann mit ebensolchen Filmen groß geworden ist und gewiss auch in seinem heimischen Kinderzimmer einstmals seine G.I. Joe-Puppe gegen die Godzilla-Actionfigur hat antreten lassen. Kindliche Unbekümmertheit, die sich der Mann zu seinem und unserem Glück bis heute bewahrt hat – und die man als potenzieller Konsument von Pacific Rim eventuell ebenfalls parat haben respektive wieder entstauben sollte …

 

Langes Vorgeplänkel findet man bei »Pacific Rim« vergeblich. Bereits nach wenigen Sekunden weiß man, was man wissen muss – ein interdimensionales Portal am Grunde des Pazifiks, das Auftauchen kolossaler Kaijumonster – und was man zu erwarten hat. Indem er sich sämtlicher viraler Möglichkeiten bedient, breitet del Toro präzise aber niemals hektisch oder ins Lächerliche abdriftend seine alternative Fassung der Gegenwart aus. In der nun mal riesige Alptraumkreaturen Städte wie San Francisco oder Manila dem Erdboden gleich machen – bevor die Nationen endlich den Ernst ihrer Lage begreifen, alle Ressourcen in einen Topf schmeißen und das so genannte »Jaeger«-Programm starten. Um Monster zu bekämpfen, müssen nun mal eigene Monster erschaffen werden. Oder 10.000 Tonnen schwere Kampfroboter, die mental von zwei Piloten gesteuert werden. Einer von ihnen ist der junge, hitzköpfige Raleigh Beckett (Charlie Hunnam), der zusammen mit seinem älteren, wesentlich geerdeterem Bruder Yancy (Diego Klattenhoff) einen Koloss mit Namen Gypsy Danger steuert. So auch in jener verhängnisvollen Nacht, in der sie sich einem Ungetüm mit dem passenden Namen »Knifehead« stellen müssen. Zwar wird der Kaiju eliminiert, doch dafür auch ein entsprechend hoher Preis gezahlt. So verliert Yancy sein Leben, während ein schwer verletzter Raleigh, der dank der neuronalen Vernetzung mit seinem Bruder dessen finale Momente so intensiv miterlebt, als wäre er das Opfer. Irgendwie gelingt es ihm, den schwer beschädigten Gypsy Danger ans Festland zu schaffen, doch eins steht fest: einen Mecha wird Raleigh in diesem Leben wohl nie mehr manövrieren.

 

Sprung in die Zukunft. Wer dachte, dass man die Angriffe der Kaiju gezielt aufhalten oder sogar stoppen könnte, sieht sich inzwischen einer wesentlich ernüchternden Wahrheit gegenüber. Nicht nur finden die Angriffe der Kaijus in immer kürzeren Abständen statt, werden die Altraumkreaturen immer größer und aggressiver, beschließt man zudem, dass Mechaprogramm einzustampfen und stattdessen einen panpazifischen Schutzwall zu errichten. Ein sinnloses Unterfangen, wie die meisten wissen – doch welche Alternative gibt es noch?

Ebendort hat es auch mittlerweile Raleigh verschlagen. Längst ist aus dem Hitzkopf von damals ein introvertierter, niedergeschlagener Mensch geworden, der äußerlich wie innerlich die Narben seines schmerzlichen Verlustes trägt und sich im Grunde damit abgefunden zu haben scheint, dass die uns bekannte Welt demnächst von riesigen Monstern überrollt wird. Leise und unscheinbar will er nur noch seine ihm noch verbliebene Zeit nutzen und am Bau der Mauer malochen – weniger aus Überzeugung, viel mehr weil auf dem Weg Essen auf den Teller kommt. Bis die Nachricht die Runde macht, dass ein Kaiju den australischen Schutzwall durchbrochen und Sydney beinahe geplättet hätte – wäre da nicht rein zufällig noch ein ausrangierter Mecha gewesen, der dem Treiben ein Einhalt hatte gebieten können. Im Grunde das beste Argument für eine Fortführung der Mecha-Initiative. Dumm nur, dass die Politiker auch im Jahre 2020 noch immer sture Egomanen sind. Davon kann man bei Raleighs früherem Vorgesetzten, Stacker Pentecost (Idris Elba) nicht sprechen. Mit stoischer Geradlinigkeit hat der Mann heimlich, still und leise und unter Anwendung obskurer Finanzquellen sein ganz privates Mechaprogramm aufgezogen, bestehend aus mehreren reaktivierten und auch restaurierten Kampfmaschinen unter denen sich auch ein alter Bekannter befindet – Gypsy Danger. Sein Ziel geht aber über bloße Verteidigung hinaus. Vielmehr plant Pentecost einen Angriff auf den »Breach«, jenen interdimensionalen Tunnel, aus dem Kaijus entschlüpfen – und die Zeit drängt …

 

Effekte-Altmeister Dennis Murren beklagte kürzlich – und sicherlich nicht zu unrecht – dass »Spezialeffekte inzwischen nicht mehr spezial wären.« Man muss ihm beipflichten. Nur noch sehr selten schafft es ein Film, mit magischen Momenten zu glänzen; mit wahren Augenöffnern, die man ein Leben lang nicht vergisst. Oder wenigstens über die Credits hinaus. Der Grund ist relativ simpel: die Effektblase, die alles größer und epischer werden ließ, ist längst unüberschaubar geworden; austauschbar, weniger persönlich, makellos glänzend – aber vor allem: mit weniger Herz fabriziert. Attribute, die ganz klar nicht auf »Pacific Rim« zutreffen. Guillermo del Toro versprach eine »opernhafte Pracht« – und hielt sein Wort. Er erschlägt einen förmlich mit atemberaubenden Bildern und Sequenzen, die neben ihrem unfassbaren Detailreichtum stets eine schmutzige Authentizität versprühen, Altbekanntes und -gewohntes zuweilen komplett umkrempeln und dadurch auf die nächste Stufe hieven. Auch wenn ein nicht gerade unbeachtlicher Teil des Werks aus dem Rechner stammt, so versprühen (nicht nur) die Kampfszenen das magische Flair der besten Werke von Ray Harryhausen oder eben auch Ishiro Honda, denen del Toro im Übrigen den Film gewidmet hat.

Doch neben diesem Gefühl des »absoluten Wahnsinns«, etwa wenn Monster und Maschine gewissenlos eine Metropole wie Shanghai in Grund und Boden stampfen, sind es auch Kleinigkeiten, die diesen Film zu etwas Besonderem machen – etwa, wenn wir einen kurzen Blick ins Reich der »Anderen« werfen dürfen und einem schnell klar wird, wie genial, wie einzigartig, wie opulent eine »Berge des Wahnsinns«-Verfilmung hätte sein können. Da darf man dann auch mal eine Träne hinfort blinzeln. Doch neben der wahrlich episch angelegten Skala weiß auch die gewiss überschaubare Story zu überzeugen, die dank del Toro und seinen exzellent ausgesuchten Darstellern gleichermaßen Klischees umschifft und gelegentlich mit klug dosiertem, aber den actionlastigen Umständen entsprechend, gleichfalls überschaubarer Tiefe zu begeistern weiß. Wer Protagonist Railey beispielsweise als stereotypischen Macho abstempelt, der irrt gewaltig. Selbst wenn er im Zweikampf von einer zierlichen jungen Dame niedergerungen wird, spielt er keineswegs beleidigte Leberwurst, sondern verlangt vehement, sie zu seiner Co-Pilotin zu befördern. Das besagte Dame – sie hört auf den Namen Mako – auch nicht als Objekt oder Betthäschen portraitiert wird, sondern als eigensinniges menschliches Wesen mit tragisch-traumatischem Hintergrund, ist einfach sympathisch weil nicht Hollywoodkonform.

Ohnehin: trotz der Action, trotz der Schlachten, trotz der Zerstörung – del Toro nimmt sich die Zeit, seine Dramatis personae bestmöglich auszuloten; oftmals nur mit Kleinigkeiten oder Andeutungen, gewiss, aber mehr ist auch wirklich nicht nötig. Bestes Beispiel dafür ist Stacker Pentecost, dessen stoisches Naturell und militärischer Tunnelblick zu Beginn wirklich nerven können. Bis die einzelnen Schichten seiner Persönlichkeit nach und nach offenbart werden und man den Blick auf einen Mann erhascht, der tagein, tagaus das Schicksal der Menschheit auf seinen Schultern zu tragen hat; von seinen anderen inneren Dämonen ganz abgesehen. So was kann einen durchaus verändern. Großes Lob an den Briten Idris Elba, der seine Rolle sehr überzeugend vorträgt. Mit Sorgfalt wurden aber auch die anderen Parts besetzt, etwa die oscarnominierte Rinko Kukuchi als Mako, Charlie Day als hibbeliger Wissenschaftler und »Kaiju-Groupie§ (nicht dass, was IHR denkt!), Clifton Collins als Operator oder »alten Bekannten« wie dem Kult-Schauspieler Santiago Segura (Blade II, 2002) und – logo – Ron »Hellboy« Perlman als Schwarzmarkthändler Hannibal Chau. Zocker können sich im Original ferner über Ellen McLains Stimme freuen. Ich sage nur: Portal, GLaDOS. Alles klar?

 

Dank solcher, mal kleinerer, mal größerer Zahnräder, die aber bestens ineinander greifen, begleitet von einem fantastischen Score aus der Feder Ramin Djawadis, der niemals dominant rüberkommt, wird aus »Pacific Rim« ein wahrlich gigantischer Blockbuster, atemberaubend und auch das Kinderherz in uns erweckend. Ohne dabei in patriotische Muster zu verfallen; weit gefehlt. Ein Film, der auf Blu Ray übrigens mit einem überragenden Referenzbild daherkommt und im Grunde ob seines Gigantismus viel zu groß ist für die heimische Flimmerkiste.

 

Fazit:

Guillermo del Toro versprach Großes – und behielt Wort. »Pacific Rim« ist gleichermaßen gigantisch wie visuell opulent, vergisst aber trotzdem auch die intimeren, persönlichen Momente nicht, ohne dass dabei Leerlauf entsteht. Ein Film, der bei Actionfreunden und Kaijufans fraglos Schnappatmung verursachen wird.

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BR:

Pacific Rim

USA, 2013

Regie: Guillermo del Toro

Sprache: Deutsch, Japanisch, Englisch

Untertitel: Deutsch, Japanisch, Englisch

Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1

Umfang: 2 BR

FSK: 16

Warner, 22. November 2013

Spieldauer: 131 Minuten

 

ASIN (Blu Ray): B00DY4RSVI

ASIN (DVD): B00DY4RRRI

 

Erhältlich bei: Amazon

DarstellerInnen:

  • Charlie Hunnam

  • Idris Elba

  • Rinko Kikuchi

  • Charlie Day

  • Clifton Collins, jr.

  • Ron Perlman

  • Burn Gorman

Eintrag in der PhilmDB:

Pacific Rim


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Erstellt: 20.02.2014, zuletzt aktualisiert: 21.12.2023 16:17, 13431