Schattenspiel (Autor: Hubert Katzmarz; Gesammelte Werke 1)
 
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Schattenspiel hrsg. von Ellen Norten

Des Hubert Katzmarz' gesammelter Werke erster Teil

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Es ist immer wieder erstaunlich, was Tausendsassa Michael Haitel alles im Rahmen seiner Verlegertätigkeit für den SFCD auf die Beine stellt. In der Reihe AndroSF bietet er nun Ellen Norten die Möglichkeit, das literarische Werk ihres Mannes Hubert Katzmarz in einer schönen zweibändigen Edition herauszugeben.

 

Wenn man sich so konzentriert in das literarische Werk eines Mannes einliest, von dem man bisher nichts kannte, bekommt man schnell das Gefühl, in die Persönlichkeit einzutauchen, ja beinahe eine Art des Kennenenlernens zu spüren. Das liegt natürlich auch an der Art und Weise, wie Hubert Katzmarz seine Texte aufbaute. Oft genug beschreibt er Innensichten, legen die Themen direkte autobiografische Bezüge nahe.

Und so gewinnt man nach und nach einen tiefen Eindruck vom Wesen der Weltsicht des Autors.

 

Der erste Band der Gesamtausgabe ist geprägt von zwei großen Themen: Politik und Erkenntnis.

Fast programmatisch ist die Auseinandersetzung mit dem, was einen antreibt, im titelgebenden Schattenspiel. Da droht bereits der Tod. Und auch, wenn der Trotz das Aufstehen und das Sichdagegenstemmen erzwingt, bleibt der Ton düster. Eine Ahnung, dass der Weg kaum heller wird; so wie es schon immer war.

Das erlebt der Urmensch in Das Experiment ebenso, wie die Physikschüler in Der Physiker und die magischen Steine. Katzmarz beschreibt Menschen, denen an Erkenntnis wenig gelegen ist, die auf ihrem tumben Weg durchs Leben nichts lernen.

Diese pessimistische Bitterkeit verbindet sich mit der Beschreibung aktueller Probleme in Politik und Umwelt.

In Die Konferenz der Idioten entwickelt Katzmarz den Weltuntergang als notwendige Folge der globalen menschlichen Dummheit. Dabei nutzt er sehr sensibel und genau beschriebene Figuren, um mit ihnen den letzten Akt zu bebildern. Stets nutzt Katzmarz diese stark subjektive Sicht um sich der Frage zu nähern, warum so vieles schief läuft. Der 1985 verfasste Text atmet den Zeitgeist aus, lässt Nato-Doppelbeschluss und Umweltzerstörung wieder lebendig werden. Es war die Zeit des Waldsterbens und der stinkenden Flüsse unter dem waffenstarrenden Schutz eiskalter Supermächte. Wahrhaft unglaublich, dass die Menschheit das überstanden hat. Wie dicht sich die Menschen selbst am Abgrund fühlten, davon zeugt jeder Text Katzmarz’ aus dieser Zeit. So bekommen nicht nur verantwortungslose Wissenschaftler ihr Fett weg, sondern auch studentische Pseudorevoluzzer, Biedermänner und Terroristenjäger.

Aber stets nähert er sich den Themen durch seine Figuren. Sehr eindringlich etwa in Pläydoyer für einen Mörder zu erleben. Der Mörder wird nicht zum Gutmenschen dadurch, dass wir ihn aus der Innensicht erleben. Vielmehr werden wir Zeuge des Jammerns, seiner Selbstlügen, aber auch der Scheinheiligkeit des Gefängnisseelsorgers.

 

Dieser Text wird eingerahmt von einigen Gedichten, die im Wesentlichen dieselben Themen behandeln, wie die vorhergegangen Texte, entwickeln aber nicht annähernd deren emotionale Tiefe. Sie sind bis auf Die Gedanken sind frei eher Thesen und Merksätze, eher schon Parolen zur Gesamtsituation, fast völlig befreit von lyrischer Bildhaftigkeit.

 

Um so krasser der Wechsel zum vielleicht emotionalsten Teil des Sammelbandes. Die beiden Texte »Sind so kleine Hände …« und Eine kleine menschliche Geste gehören thematisch zusammen und sie offenbaren logischerweise sehr viel von Hubert Katzmarz’ Ethik.

Das Bettina Wegner Zitat steht für eine bitterböse Anklage. Mediziner, die Abtreibungen vornehmen, werden hier sehr pauschal verteufelt. Dem muss man als Leser nicht folgen und es gibt auch keine Hinweise darauf, ob der Autor nähere Gründe für seine Haltung hat, aber er äußert sie deutlich.

Auch in seiner Auseinandersetzung mit dem Erlanger Baby kommen die Ärzte nicht gut weg. Katzmarz stellt sich auf die Seite derer, die damals von Menschenversuchen sprachen und erweitert das Szenario um einen Samenspender und weitere mögliche Schwangerschaften. Kein Text, den man einfach beiseite schieben kann.

 

Es folgen weitere dystopische Texte. Eine Welt ohne Pflanzen Baumschulung und darüber hinaus bis zum allerletzten Menschen in Die letzte Begegnung.

Zeit für etwas Aufmunterung? Doppelte Hochzeit liest sich zunächst wie Satire auf Polizeimethoden entwickelt sich dann aber doch schon fast gewohnt zum Untergangsszenario.

 

Definitiv humoristisch jedoch ist die Quasi-Zeitreise Geschichte zum 60. Geburtstag von Jörg Weigand, gleichzeitig eine Hommage an Stanislaw Lem. Was gar nicht mal unpassend überleitet zu Geschichten über Biedermänner und dem grandiosen Selbstporträt Die Abenteuer des Kleinverlegers H. K. im Dschungel der Literaturszene. Der selbstironische Text zeigt sowohl Humor als auch die Traurigkeit, die sich hinter dem verlegerischen Scheitern verbirgt. Abgerundet wird der erste Band der gesammelten Werke durch kleinere Texte, die weitere Seiten des Literaturbetriebes bissig beleuchten.

 

Im Anhang findet sich eine ausführliche Quellenangabe zu allen Texten, also auch denen des zweiten Bandes.

 

Thomas Franke versah das Buch mit einem umlaufenden Bild, dass eine ins Phantastische erweiterte Begräbnisszene darstellt und klassisch wirkt wie eine Illustration aus dem 19. Jahrhundert. Sie passt zum formvollendeten Schreibstil Katzmarz und betont ganz besonders im zweiten Band die Anleihen an die Autoren jener Zeit.

 

Wenn man etwas kritisieren möchte, so den Karton des Buchdeckels, der sich sehr unschön wellt. Jedoch ist dies der einzige Mangel auf dieser erstaunlichen Entdeckungsreise eines kaum bekannten deutschen Autoren.

 

Fazit:

Im ersten Band der gesammelten Werke von Hubert Katzmarz tauchen wir in eine Welt voller Düsternis und kritischer Beobachtungen ein. Stets feinfühlig durch die Augen seiner Figuren betrachtet, zeigt sich Hubert Katzmarz als ruhiger Kommentator einer aufgeregten Zeit.

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Buch:

Schattenspiel

Des Hubert Katzmarz' gesammelter Werke erster Teil

Herausgeberin: Ellen Norten

Titelbild: Thomas Franke

Taschenbuch, 187 Seiten

p.machinery, Januar 2013

 

ISBN-10: 3942533421

ISBN-13: 978-3942533423

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B00B5LOX38

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329071300fb4589e5
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Erstellt: 07.05.2013, zuletzt aktualisiert: 18.02.2024 09:28, 13051