Interview mit William King (August 2005)
 
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Im Gespräch mit William King

Redakteur: Christian Endres

 

Fantasyguide: Hallo Bill. Bücher im Warhammer-Universum erzählen nicht irgendwelche Fantasy-Geschichten in irgendeiner selbst ersonnenen Welt, sondern Geschichten, die in einer der beliebtesten Rollenspielwelten unserer Zeit angesiedelt sind. In wie weit hast du da das Gefühl, dass dir die Fans kritischer auf die Finger schauen, als bei der Arbeit an einem normalen Fantasy-Roman? Und wie groß ist der Einfluss der Warhammer-Kontinuität und generell von Games Workshop auf deine Arbeit?

 

William King: Ich bin sehr glücklich, im Warhammer-Universum arbeiten zu können. Hier fühle ich mich zu Hause – vor allem natürlich, weil ich dabei geholfen habe, diese Welt zu schaffen.

 

Sicher gibt es immer ein paar Fans, die sehr pingelig sind, doch ist das ihr gutes Recht. Ich ärgere mich jedoch immer ein bisschen über den Ton der Überlegenheit, den sie manchmal anschlagen, wenn sie einen Fehler aufdecken und mir damit dann gleich das Gefühl geben, dass sie selbst niemals solch einen Fehler gemacht hätten, wenn sie an meiner Stelle wären.

 

Glaube mir, jeder macht Fehler! Was man sich immer wieder vor Augen halten muss: Die Kontinuität des Warhammer-Universums wurde binnen eines Vierteljahrhunderts aufgebaut und stetig erweitert, und das von einer Hundertschaft verschiedenerer Leute. Manche von denen, die heute dabei sind, waren ja noch nicht einmal geboren, als es anfing – und auch damals war es schon nicht alleine Sache eines einzelnen Autors.

 

Ferner sind Fehler natürlich auch eine Schöpfung der Deadline. Eines Produktes also, das zu einem bestimmten Zeitpunkt das Haus verlassen muss. Das garantiert leider fast schon, dass sich immer mal wieder kleine Flüchtigkeitsfehler einschleichen, Sachen vergessen werden und so weiter.

 

Und das ist alles ... ohne dabei nun auch noch auf die normalen Gedächtnislücken einzugehen, unter denen ein Mann meines fortgeschrittenen Alters nun mal leidet.

 

Fantasyguide: Ich weiß, dass du passionierter Rollenspieler bist. In wie weit inspiriert dich das, und in wie weit helfen dir Charakterbögen, Quellbücher und Co. beim Ausarbeiten eines Plots oder einer bestimmten Szene?

 

William King: Ich denke, die größte Auswirkung der Spiele auf meinen Schreibstil ist, dass ich immer ausführliche Bibeln für jedes Projekt vorbereite, so als würde ich für ein Rollenspiel schreiben. Außerdem neige ich als Schriftsteller gerne dazu, meine Aufmerksamkeit auf die Hauptcharaktere einer Geschichte zu richten, ungefähr so, wie ich mir denke, dass es ein guter Spielleiter machen würde, der sich auf die Spieler konzentriert. Und wenn ich Warhammer-Romane schreibe – die letztlich immer noch auf dem Tabletopspiel basieren – versuche ich immer, dass wenigstens eine große Kampfszene im Buch ist.

 

Fantasyguide: Die Bücher um Gotrek und Felix zeichnen sich für mich durch eine gewogene Mischung aus packender Action und melancholischer Ruhe aus. Da ist Gotrek, der den Tod sucht und sich unbesonnen in jeden Kampf stürzt, und dann ist da Felix, dessen manchmal recht trostlose Gedanken und dessen Zögern ein deutlicher Kontrast zum Slayer sind. Beides spielt sich zudem meist im Schatten von Chaos und Finsternis ab, welche bedrohlich über den beiden aufragen. Ist das deine Auffassung von Allem? Man muss sich Gedanken machen, sich womöglich auch fürchten, aber letztlich dann doch gegen die finsteren Dinge des Lebens kämpfen, egal wie aussichtslos es einem bei genauerem Nachdenken auch erscheinen mag?

 

William King: Ich denke, die Abenteuer von Gotrek und Felix geben meine Weltanschauung in gleicher Weise wieder, wie die meisten Bücher die Weltanschauungen ihrer Autoren widerspiegeln. Im wahren Leben bin ich kein Pessimist, denke ich, und ich wäre es wohl auch nicht, wenn ich permanent in der Alten Welt leben würde. Wenn ich aber Geschichten schreibe, versuche ich mir immer vorzustellen, wie meine Gefühle aussehen würden, wenn ich in eben derselben Situation wäre wie einer unserer Helden gerade. Im Fall von Gotreks und Felix' Welt sind sie normalerweise halt nicht so heiter ...

 

Fantasyguide: Jeder Autor, der eine Serie mit einer Vielzahl beliebter Charaktere geschaffen hat, muss sich dieser Frage stellen: Hast du eine erklärte Lieblingsfigur beim Schreiben? Und wie viel Slayer, wie viel Grauer Prophet und wie viel Felix Jaegar stecken womöglich in dir selbst oder deinem Umfeld?

 

William King: Gotrek und Felix sind meine Favoriten, seit und da ich sie schon so lange schreibe. Grundsätzlich ist in allen Charakteren etwas von mir. Der Graue Prophet Thanquol hat zum Beispiel all meine Angewohnheiten als Wargamer: Wenn ich gewinne, dann wegen meiner Fähigkeiten und meines Genies – wenn ich verliere, dann höchstens aus Mangel an Glück oder einfach nur deshalb, weil meine Truppen Mist sind!

 

Fantasyguide: Wenn wir schon bei deinen Favoriten sind: Schreibst du lieber Fantasy oder Science Fiction?

 

William King: Fantasy war schon immer mein Liebling. Ich hatte einen kurzen Flirt mit Cyberpunk in meiner Jugend, doch Fantasy ist die Sache, die zu schreiben ich am meisten schätze. Ich bin mir nicht sicher, wieso das so ist – es ist einfach der Fall.

 

Fantasyguide: Durch deinen Web-Blog lässt du Leser aus aller Welt an deinem Alltag – und damit auch an deiner Arbeit als Schriftsteller – teilhaben. Ist es für dich wichtig, dich auf diesem Weg mitzuteilen? Immerhin dauert es oft ein bis zwei Jahre, bis ein neues Buch erscheint, und als Autor fehlt einem in dieser Zeit manchmal der Kontakt zu den Lesern oder einfach das Sprachrohr – wenn man nicht gerade einen Blog hat, versteht sich ...

 

William King: Zur Zeit ist der Blog mehr Schikane als sonst etwas, ehrlich gesagt. Ich sagte, dass ich versuchen würde, regelmäßig für meine Website zu schreiben, doch hat es sich als echte, mit viel Aufwand verbundene Anstrengung entpuppt, da wirklich konsequent dran zu bleiben, vor allem wenn ich gerade viel Fiction zu schreiben habe. Es gibt sicherlich Leute, die die Persönlichkeit dazu haben und ihre Blogs dann auch aufregend und interessant gestalten – ich hingegen tendiere mittlerweile dazu, meine Kraft für das Schreiben aufzusparen. Immerhin eine Sache, die meine Rente sichert. Ich habe den Blog deshalb in letzter Zeit leider stark vernachlässigt.

 

Fantasyguide: Man merkt immer wieder, dass du dich für Technik interessierst. Denkst du, dass all das technische Equipment und speziell auch das Internet in den nächsten Jahren mehr an Einfluss auf deine Arbeit und das Publizieren von Büchern im Allgemeinen haben werden?

 

William King: Ich denke, das hat es jetzt schon. Und ja, es wird immer mehr der Fall sein und immer mehr Einfluss nehmen, da hast du Recht. Ich schicke meine Manuskripte ja jetzt schon per eMail, und sie können dann in elektronischer Form editiert werden, was den ganzen Produktionskreislauf erheblich abkürzt. Ich kann mit meinen Fans sprechen und sie mit mir. Seiten wie swordandsorvery.org machen es mir zudem möglich, mit Leuten in Kontakt zu treten, die meine Interessen teilen. Und modernes Desktop Publishing hat – auf einer anderen Ebene zwar, aber trotzdem – zu einer deutlichen Aufwertung der Kleinverlage geführt, die heute viele meiner alten Lieblingsgeschichten – z. B. Karl Edward Wagners Kaine-Stories – wieder auflegen und zurück in den Druck bringen.

 

Fantasyguide: Bleiben wir beim Blog und damit der Technik, insbesondere beim Stichwort »Electric Paper«. Du hast einmal geschrieben, die Korrekturen für eines deiner Bücher auf einem Palm zu machen. Der von uns beiden sehr geschätzte Robert E. Howard hat auf einer Schreibmaschine das Genre gewissermaßen begründet und gilt als Vater der Sword and Sorcery Geschichten. Das ist nun gut siebzig Jahre her. Jetzt sitzt du mit einem Plastikstift da und verschiebst Pixel, Einsen und Nullen auf einem kleinen Display. Muss der Schriftsteller mit der Zeit gehen, oder könntest du dir vorstellen, auf einer Handschreibmaschine zu arbeiten?

 

William King: Tatsächlich habe ich bereits auf einer manuellen Schreibmaschine gearbeitet. Würde ich das immer noch müssen, hätte ich mir schon längst einen anderen Job gesucht. Da gab es so viele Schwierigkeiten! »Copy and Paste« und das Verschieben von Textblöcken hieß meistens, die Seite immer und immer wieder neu schreiben. Ich bewundere Leute wie Howard, die Karrieren zu Stande gebracht haben, während sie sich mit solch höllischen Apparaten herumschlagen mussten, doch ich könnte keiner von ihnen sein.

 

Fantasyguide: Ich halte Schottland ob seiner mythischen Beschaffenheit, seiner Historie und seiner Landschaft für einen hervorragenden Ort, um phantastische Unterhaltungsliteratur zu schreiben. Du bist aber nach Prag umgesiedelt. Sicherlich auch eine geschichtsträchtige, geheimnisvolle Stadt, doch hält sich das mit Schottland die Waagschale. Kurzum: Hat dich das Wetter aus Schottland vertrieben?

 

William King: Ursprünglich wollte ich nur drei Monate in Prag bleiben – dann habe ich einfach vergessen, wieder zurück zu gehen. Einer der Gründe, wieso ich hier geblieben bin, ist sicherlich, dass Prag eine wundervolle Stadt ist. Ich lebte viele Jahre in Edinburgh, weshalb ich glaube, dass das Leben an schönen Orten für mich fast schon zur Gewohnheit geworden ist. Um ehrlich zu sein war das Wetter aber sicherlich mit einer der Gründe, Schottland zu verlassen – oder, um es mit deinen Worten zu sagen: einer der Gründe, die mich aus Schottland vertrieben haben. Zu dumm nur, dass das schottische Wetter sich gerade in diesem Sommer über ganz Europa auszubreiten scheint ...

 

Fantasyguide: Hier in Deutschland hat sich Piper die Rechte an deiner neuen Trilogie gesichert. Deine hiesigen Leser würden sich bestimmt über eine kurze Zusammenfassung der Trilogie im Allgemeinen und des ersten Buches im Besonderen freuen ...

 

William King: Die Reihe ist in einer Fantasy-Welt angesiedelt, in der die Menschheit von einer außerirdischen, elfenähnlichen Rasse unterworfen worden ist. Die Terrarchs sind sehr schön, haben starke magische Kräfte, sind äußerst langlebig und denken, dass es ihre Bestimmung ist, zu herrschen. Sie haben Drachen, Dinosaurier und andere Bestien, die sie Wyrms nennen. Sie verfügen aber auch über ein besonderes Geschick für politische Angelegenheiten, das Herrschen und das Regieren. Menschen sind seit hunderten von Jahren ihre Sklaven.

 

Doch die Technologie hat jüngst große Fortschritte gemacht, und Schießpulver hat seinen Kopf in die Höhe gereckt. Eine neue Welt der großen Armeen mit Musketen und Kanonen ist geboren, und diese Waffen machen es möglich, die bisherigen Vorteile der Terrarchs Stück für Stück zu neutralisieren. Revolution liegt demnach in der Luft. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, erheben sich auch noch ein paar sehr alte, sehr dunkle Götter, die aus der Situation Profit schlagen wollen.

 

Im ersten Buch treffen wir unsere Helden, gewinnsüchtige Söldner im Dienste eines der Terrarch-Regimenter. Während eines Geheimauftrags im Feindgebiet stolpern sie über ein verbotenes Buch von der Sorte »Lovecraft-Style«, das Männer verrückt macht und genutzt wird, um verbotene Dinge zu beschwören. Glücklicherweise können unsere Helden es nicht lesen, so dass sie sich entscheiden, es an den Höchstbietenden zu verkaufen. Womit ihre Schwierigkeiten aber erst so richtig beginnen. Unnötig zu sagen, dass es alles in Tränen und Tod und einer Konfrontation mit den Schergen der alten Götter endet.

 

Der Hauptcharakter des Buches ist ein Halbblut-Terrarch, ein Soldat namens Rik, der eigentlich ein Straßenräuber ist, nun aber nach Höherem strebt.

 

Die Serie liegt irgendwo zwischen Glen Cooks Black Company, Michael Moorcocks Elric und natürlich H. P. Lovecraft. Wenn du eine besonders knappe Zusammenfassung wolltest, dann würde ich sagen: Sharpe trifft den Cthulhu-Mythos.

 

Fantasyguide: Eine Frage zu einem deiner früheren Berufe, die ich auch gleich noch als Einleitung für den obligatorischen Blick in die Zukunft missbrauche. Hast du den Job in der Schokoladenfabrik damals nur angenommen, weil sich exotische Tätigkeiten im Lebenslauf eines Schriftstellers gut machen, oder hast du doch eher eine Schwäche für Süßigkeiten aller Art? Und wenn wir nun schon beim Süßen sind: Spendierst du uns bitte einen kleinen Ausblick in die süße Zukunft und verrätst uns, was uns nach »Dark Angel« aus deiner Feder erwarten wird? Es würde sich übrigens niemand mehr über ein neues Gotrek und Felix Buch freuen, als ich ...

 

William King: Ich habe damals in der Schokoladenfabrik gearbeitet, weil ich zu der Zeit keinen anderen Job finden konnte. Das war in den frühen 80ern, zur Höhe des Thatcherismus, als Arbeit in Großbritannien rar war. Es war ein reiner Nachtschicht-Job und beinhaltete einen zehn Kilometer langen Marsch jeden Abend zur Arbeit, und dementsprechend einen zehn Kilometer langen Rückweg jeden Morgen. Das erklärt möglicherweise, wieso ich in all der Zeit kein einziges Gramm zugenommen habe, obwohl ich so viel Schokolade essen durfte, wie ich wollte. Ich muss aber sagen, dass es ein guter Job war.

 

Ich habe keine Pläne für weitere Gotrek und Felix Bücher in absehbarer Zukunft. Vielmehr plane ich eine große, epische Fantasy-Geschichte im Stile der Abenteuer um den Slayer und seinen Freund, was meint: viele Elfen, viele Zwergen und viele Orks etc. Gotrek und Felix treffen den Herrn der Ringe, nur mit mehr Gewalt, mehr Witz und weniger Streben nach Heldentum.

 

Fantasyguide: Eine Frage zum Thema Warhammer hätte ich noch, Bill, dann bist du erlöst: Ein Redaktionskollege von mir möchte unbedingt wissen, mit was für Armeen du selbst spielst und ob du direkt Einfluss auf Modelle hast?

 

William King: Ich habe eine Dark Angels Armee – das war während der Spare Marine/Epic Geschichte, liegt aber schon einige Jahre zurück. In Warhammer mag ich vor allem die Lichtelfen (schockierend, oder? Gotrek würde mich umbringen, wenn er seine Griffel an mich bekäme). Aber der Grund dafür ist eigentlich recht simpel: Die Elfen sind einfach zu handhaben, haben hochwertige Einheiten und ziemlich vorhersehbare Reaktionen – nicht so eine chaotische Willkür wie bei den Orks oder Skaven. Würde ich dieser Tage Warhammer 40K spielen, so würde ich wohl die Tyrandis oder eine Chaos-Armee spielen – ich mag die bösen Jungs im 40.000er Universum. Ehrlich gesagt merke ich gerade, wie lange es schon wieder her ist, dass ich Tabletop Games gespielt habe. Doch mein Sohn fängt langsam damit an und freundet sich mit den Miniaturen an, so dass ich vermute, dass ich über kurz oder lang Herr der Ringe spielen werde. In diesem Falle werde ich etwas Dunkles wie die Orks nehmen ...

 

Viele meiner letzten Erfahrungen mit Fantasy-Wargames waren auch auf dem Computer – ich mochte die Nachtelfen in Warcraft 3 sehr gern.

Seit ich vor Jahren Studio 12 verlassen habe, habe ich keinen Einfluss mehr auf das Spiel selbst oder irgendwelche Miniaturen.

 

Fantasyguide: Bill, ich danke dir für Dein Interesse an Phase X und wünsche Dir alles gute für zukünftige Projekte und weiterhin viel Erfolg.

 

William King: Es war mir ein Vergnügen.

 

 

Eine Fortsetzung des Gesprächs knapp zwei Jahre später gibt es hier.

 

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Erstellt: 18.06.2007, zuletzt aktualisiert: 25.02.2015 17:23, 4160