Spezial: Gotrek und Felix - Helden oder nicht Helden? Das ist hier die Frage
 
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Die Abenteuer von Gotrek und Felix

Helden oder nicht Helden? Das ist hier die Frage!

 

Redakteur: Christian Endres

 

Für die erste Ausgabe von Phase X (Atlantis Verlag, 2006) galt es, William Kings Arbeit an der populären Rollenspiel-Welt von Warhammer näher zu beleuchten und sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob Gotrek und Felix nun Helden sind oder nicht. Nun, knapp zwei Jahre sowie z. B. eine Hochzeit zwischen Prag und Schottland, die Veröffentlichung der ersten beiden Bände der Terrarch-Trilogie auf Deutsch sowie der Ankündigung der Fortsetzung der Abenteuer von Gotrek und Felix durch einen anderen Autor später, liegt besagter Artikel in einer aktualisierten und überarbeiteten Fassung vor, ebenso wie das Interview aus dem Sommer 2005 um einige Fragen erweitert worden ist.

 

Die raue Fantasy-Welt von Warhammer scheint der ideale Ort zu sein, um die Geschichte eines Zwerges zu erzählen, der von seinem Volk verstoßen wurde und seit dem, von einem düsteren Ingrimm gegen sich selbst beseelt, den Tod im Kampf sucht. Gotrek Gurnisson ist ein so genannter Slayer – ein Zwerg, der durch die Lande zieht und jedes Monstrum und jede Ausgeburt des Bösen herausfordert, um die Bestie entweder zu töten oder bei dem Versuch eben endlich dem Heldentod zu finden. Denn diesem vermeintlich ehrvollem Ende strebt Gotrek seit seinem Eintritt in den Slayer-Kult entgegen, weshalb sich der Zwerg mit dem zur Sichel geschnittenen feuerroten Haarkamm, den seltsamen Tätowierungen auf den muskulösen Armen und der magischen Runenaxt immer wieder von Neuem ins Abenteuer und ferner die Schlacht und eben den Kampf auf Leben und Tod stürzt.

 

Sein menschlicher Gefährte Felix Jaegar, durch einen unbesonnenen Treueschwur zwischen Alkohol und Ärger an den ruchlosen Slayer gebunden, folgt dem Zwerg trotz einer Vielzahl sinniger Vorbehalte und berechtigter Sorgen, um Gotreks vermeintlich ruhmreiches Ende eines Tages niederzuschreiben und das Schicksal des Slayers der Nachwelt zu erhalten. Ihr Weg führt das ungleiche Gespann dabei mitunter in und unter die alte Stadt Nuln, wo sie es mit Skaven – fiesen Rattenmenschen -, deren Grauen Propheten Tanquol sowie einigen scheußlichen Mutationen durch den Warpstein zu tun bekommen, aber auch per Luftschiff in die dämonenverseuchte Chaoswüste und einen uralten Tempel des Bösen – und natürlich auch direkt vor die Haustür eines gigantischen Drachen und in eine vom Krieg eingeschlossene, belagerte Stadt im eisigen Norden ...

 

A Hero To Save Us?

 

Wenngleich Gotrek auch immer wieder betont, dass er sich nur aus eigener Motivation heraus gegen die Mächte des Bösen stellt, so wird dem Leser mit Lektüre der einzelnen Bücher der Reihe trotzdem recht schnell klar, dass die Alte Welt ein deutlich schlechterer Ort wäre, wenn es den todessehnsüchtigen Slayer und seine blutdurstige Runenaxt nicht gäbe. In seinem Eifer, den Tod zu finden, befreit Gotrek die Alte Welt nämlich nicht nur vom hässlichen Antlitz eines Trolls oder dem Schwefelodem eines Drachen, sondern legt sich auch mit finsteren Dämonen und mächtigen Vampiren an oder hilft den Menschen gar dabei, die belagerte Stadt Kislev gegen die dunklen Horden finsterer Götter aus der verseuchten Chaos Wüste zu verteidigen.

 

Das allein macht Gotrek aber noch lange nicht zum Helden. Denn trotz der Tatsache, dass er allerhand Übel aus der Welt räumt und dabei vielen anderen mitunter sogar – mal aktiv, mal passiv, mal bewusst, mal unbewusst - das Leben rettet, bleibt der Zwerg dennoch ein oftmals schlecht gelaunter, meist ziemlich barscher und maulfauler Haudegen, der auch seinem Freund Felix gegenüber nicht gerade zimperlich ist oder allzu freundlich mit dem Menschen umgeht und eigentlich nur dann am Schicksal der Welt teilnimmt, wenn dieses ihn zu einem verheißungsvoll starken, würdigen Gegner und letzten Kampf führen könnte ...

 

Und auch Felix ist kein Held. Zwar versteht auch er es, sich im Ernstfall seiner Haut zu erwehren, trägt ebenso wie der Slayer eine magische Waffe und wird außerdem von seinem Schwur immer wieder dazu getrieben, sich zumeist wieder besseren Wissens an Gotreks Seite zu stellen und mit dem Zwerg gegen die Schrecken der Finsterns und die Mächte des Chaos zu kämpfen, doch hegt er dabei nicht selten trostlose Gedanken oder gar solche, die ihn mit seinem Schicksal und seinem Treueschwur gegenüber Gotrek hadern lassen. Felix gesteht sich oft genug selbst ein, von den Göttern nicht gerade mit Heldenmut gesegnet worden zu sein – was in den Büchern zuweilen für einen schönen Kontrast zu Gotreks morbidem Wagemut sorgt.

 

Seien wir also ehrlich - sehen so zwei Helden per Definition aus? Wohl kaum. Doch das ist durchaus in Ordnung, denn Gotrek und Felix sind eben auch keine Helden im klassischen Sinne, die in strahlend weißer Rüstung irgendwo auf einer Hügelkuppe auftauchen, die Prinzessin retten, ihr unter Einsatz des eigenen Lebens den Thron zurück erobern und dann lächelnd zur Seite treten, damit die Geschichte bis zum Happy End ohne Narben, Bier und tödliche Schwüre – oder gar die ziemlich unheroische Sehnsucht nach dem eigenen Ableben - auskommt.

 

Nein, Gotrek und Felix sind viel mehr das, was heutzutage den edelmütigen Recken in der Fantasy unlängst, ja mehr denn je abgelöst hat: Sie sind schmutzige Helden – oder einfach Antihelden.

 

Held: Ja oder nein?

 

Der Antiheld [der Literatur] unterscheidet sich deutlich vom althergebrachten, klassischen Heldenbild. Seine Faszination indes liegt zweifelsohne in seinen realistischen, oft sogar nachvollziehbaren Werte- und Moralvorstellungen, die wenig bis gar nichts mit der märchenhaften Bereitschaft zur Selbstaufopferung und all den anderen ehernen Tugenden zu tun haben, wie man sie aus Mythen und Sagen kennt (und die dem Leser eine makellose Figur zeigen sollen, die in der Form einfach nicht existent sein kann). Ein Antiheld ist durchaus auf seinen eigenen Vorteil bedacht und zeichnet sich in der Regel durch ein (dem phantastischen Hintergrund entsprechendes, aber trotzdem) menschlich authentisches Handeln sowie vor allem auch menschliche Gefühle und vor allem Schwächen aus, die den Idealen des Heldentums häufig sogar ausdrücklich widersprechen. Wer echte Helden sehen möchte, der greift zu Parcival, König Arthus und Co. – dort, im klassischen Helden-Epos, sind Antihelden nämlich noch eher Mangelware. Zumindest bist Charaktere wie Hagen im Nibelungenlied auf der Bildfläche erscheinen ...

 

Ein ebenso frühes wie berühmtes (und gelungenes) Beispiel für Antihelden per Definition in der modernen Fantasy Literatur dürften immer noch Fritz Leibers Fafhrd und der Graue Mausling sein, die zwar beide alles andere als eine Sehnsucht nach dem Tod hegen und diesem gegen Ende ihrer Abenteuer sogar mehrfach ein Schnippchen schlagen und ihn als traurig dreinschauenden Henker zurück lassen, doch hat Leiber seine Helden dennoch bereits zu einem frühen Zeitpunkt innerhalb der Entwicklung der phantastischen Genres mit durchaus morbiden Zügen und Eigenschaften ausgestattet, die zumeist lediglich von dem allgegenwärtigen Augenzwinkern und dem schwarzen, sardonischen Humor der Abenteuer von Fafhrd und dem Mausling überdeckt werden. Dennoch, vergleicht man das Gespann Fafhrd/Grauer Mausling und Gotrek/Felix, so fallen einem durchaus Parallelen auf – die nicht mit der ergänzenden und üblichen Kongenialität der beiden Partner enden, wohlgemerkt.

 

Doch zurück zur Frage Held oder Antiheld. Deutlich für die These des Antihelden sprechen im Fall von Gorek und Felix freilich Gotreks Sehnsucht nach dem Tod (was z. B. jedweder westlichen (!) Grundlage religiös fundamentierten Heldentums aufs Schärfste widerspricht und sich eher bei Selbstmord-Attentätern aus dem Nahen Osten wieder findet) sowie Felix’ stetes Zögern, wenn es darum geht, sich für andere einzusetzen und sich dabei selbst in Gefahr zu bringen. In gewisser Weise nehmen die beiden Schicksalsgefährten jedoch auch eine Sonderstellung in dem Bild von weißem Held und schwarzem Antihelden ein, haben sie doch durchaus Anklänge von beiden Schemata. Kings Charaktere bewegen sich darüber hinaus oft genug munter zwischen den Kategorien hin und her, wie es die Situation gerade erfordert. Bedarf es eines ruchlosen Schurken oder gnadenlosen Schlächters, nehmen sie diese Rolle dankbar an, doch scheuen sie sich in der Regel auch nicht, den Retter zu spielen, solange es nur gegen das Chaos und das Böse geht und - in Gotreks Fall - natürlich die Aussicht auf einen möglichst ruhmreichen Heldentod im Kampf besteht ...

 

William King hat mit diesen beiden (Anti-)Helden trotz aller pulpigen Allüren der Abenteuer von Gotrek und Felix jedenfalls zwei facettenreiche, markige Helden der Fantasy Literatur geschaffen und ins Warhammer- Universums integriert, die der dunklen Seite zwar gänzlich abgeneigt sind und sie bekämpfen, wann und wo immer es geht, aber bei Zeiten dennoch nicht minder dunkle oder grimmige oder eben auch nur entschlossene – und dadurch dann wieder grimmige und dunkle oder gar grausame - Züge an den Tag legen als ihre Gegner.

 

Ob er dabei ein schlechtes Gewissen hat, was er von elektrischem Papier und Web Blogs hält und wie süß die Zukunft sein wird, verriet er mir in einem Gespräch kurz nach der Worldcon im August 2005 sowie einem zweiten Dialog im Juni 2007 ...

 

Interviews:

 

August 2005

 

Juni 2007

 

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042410261417e6da4b
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Erstellt: 18.06.2007, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 4159