Wolfen von Whitley Strieber
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Es sieht zunächst nach der Tat eines Irren aus, nachdem die grausam zugerichteten Überreste zweier New Yorker Streifenbeamte zwischen vor sich hin rostenden Autowracks in einem Schrottplatz in Brooklyn gefunden worden. Doch handelt es sich auch wirklich um das Werk eines kranken Einzelgängers? Steckt womöglich das organisierte Verbrechen dahinter?
Der griesgrämige Cop Wilson und seine junge Kollegin Becky Neff werden auf den brisanten Fall angesetzt – sehr zum Widerwillen des ernüchterten Einzelgängers Wilson. Dass die bedauernswerten Opfer zudem offenbar gar nicht durch menschliche Hände gestorben sind, sondern vielmehr durch messerscharfe Krallen und tiefe Bisse, macht die Sache auch nicht gerade besser. Zunächst tappen die beiden Ermittler völlig im Dunkeln – und finden ebendort einen wichtigen, unheimlichen Hinweis. In einer aufgegebenen Ruine landen Wilson und Becky in eine für sie ausgelegte Falle, können aber den animalischen Angreifern denkbar knapp entkommen. Aber wer – was – hat dort den beiden aufgelauert? Handelte es sich wirklich um keine menschlichen Kreaturen? Just, als den beiden von einem Wissenschaftler die Augen geöffnet werden, bekommen sie den Fall entzogen. Aber Becky und letztendlich auch ihr Kollege Wilson denken nicht daran, sich mit dieser Entscheidung zufrieden zu geben – besonders jetzt, da klar ist, dass die Straßen der Metropole New York von gnadenlosen, wölfischen Geschöpfen heimgesucht werden! Verständlich, dass das Ermittlerduo mit den – scheinbar – wirren Theorien bei den Vorgesetzten auf taube Ohren stößt. Nur ihr Kollege aus der pathologischen Abteilung, Wilson sowie erwähnter Wissenschaftler können als Verbündete gewonnen werden. Gemeinsam möchte man den Kampf gegen die Wolfen aufnehmen, die ihrerseits Jagd auf den neuen Feind machen …
Wolfen … womöglich kennt der eine oder andere den Titel in einem anderen Zusammenhang, besser gesagt als Film aus dem Jahre 1981 – der nicht zufällig den gleichen Titel hat. Michael Wadleigh verfilmte damals in der Tat die Buchvorlage des, besonders in den 80ern und 90ern immens populären Schriftstellers Whitley Strieber . 1994 veröffentlichte Heyne den Roman unter dem Titel Wolfsblut, der mittlerweile nicht mehr erhältlich ist.
Von daher muss man erneut Verlagschef Frank Festa dankbar sein, dass er nach nunmehr gut 18 Jahren das Buch neu aufgelegt hat – aus mehreren Gründen. Es tut einfach gut, inmitten des immer unüberschaubar werdenden Wulstes aus Vampir- und Zombieromanen endlich mal wieder einen sehr gut geschriebenen Werwolfroman lesen zu dürfen, der ferner durch eine anständige Prise Originalität punkten kann. Zwar kann man die Aussage auf dem Buchrücken – »wahrscheinlich der beste Werwolf-Roman, der jemals geschrieben wurde« – nur bedingt unterschreiben, das Siegertreppchen verfehlt Wolfen aber nur denkbar knapp. Gekonnt, wie sich Strieber glaubhaft zwischen klassischer Krimihandlung und herzhaftem Horror hin und her und bewegt, wenngleich besonders das Tagewerk von Wilson und Neff manchmal ein wenig zu ausufernd, ja geschwätzig anmutet. Als habe der Autor sämtliche Recherchen mit dem Stemmeisen reinstopfen wollen. Im Gegenzug die Bedrohung durch die Werwölfe – die im Grunde gar keine sind. Lange Zeit wird ihr Treiben nur sehr vage angedeutet. Dieses Fehlen von Gewissheit, dieses unbekannte Element gibt dem Roman einige seiner spannendsten und stärksten Passagen. Freilich kann – und darf – Strieber dieses Konzept nicht bis zum Ende durchhalten, doch wenn die Gewissheit kommt, was da Jagd auf Unbescholtene macht, so ist sie mehr als bemerkenswert. Hier werden erstklassig die alten Pfade verlassen und neue Wege beschritten, die dafür sorgen, dass »Wolfen« sogar einen leichten Ökotouch (im positiven Sinne) bekommt, der unter anderem auch die Position des modernen Menschen hinterfragt. Dadurch löst sich Strieber von den Genrekonventionen und sticht aus der bisweilen recht vorhersehbaren, weitaus weniger originellen Konkurrenz heraus – auch nach mehr als drei Jahrzehnten. Ohnehin muss man »Wolfen« attestieren, in Würde gealtert zu sein, wenngleich manche Taten (z. Bsp. das ungehinderte Rauchen in öffentlichen Gebäuden) oder das Fehlen der heutigen Technik (Handys!) umgehend auffallen. Eine neue Übersetzung war demzufolge ebenfalls obsolet, da Joachim Körbers Arbeit schon zu Zeiten der Erstveröffentlichung über jeden Zweifel erhaben war.
Fazit:
Ein spannender, origineller und ungemein flüssig zu lesender Beitrag in Sachen Werwölfe – Whitley Striebers Roman ist weiterhin eines der Referenzwerke, was krallenbewehrtes Grauen angelangt. Neu- und Altleser sollten sich »Wolfen« auf keinen Fall entgehen lassen!
Nach oben