Artikel: Erster virtueller LiteraturCon vom 20. bis 22.10.2017
 
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Erster Virtueller Literaturcon vom 20. bis 22.10.2017

Bericht von Ralf Steinberg

 

Die Veranstaltungen und Lesungen im Second Life gehören zu den festen Bestandteilen der deutschsprachigen Phantastik-Szene. Da wurde es eigentlich wirklich Zeit für den Ersten Virtuellen Literaturcon.

 

Kaum überraschend, dass SL-Urgestein Thorsten Küper, alias Kueperpunk, das Event organisierte. Mir gelang es leider erst am dritten und letzten Tag dazuzustoßen, doch bot dieser Abend genügend Gelegenheit, spannende Texte und Künstler zu treffen.

 

Um 19 Uhr stellte Marc Späni sein Buch Westlake Haven im Verlauf einer Lesung und einer Talkrunde mit Thorsten Küper vor. Die Lesung fand im Theater der Brennenden Buchstaben statt mit einem Bühnenbild von Miara Lubitsch.

 

Bereits beim eBook-Event der Brennenden Buchstaben 2016 stellte Marc dieses Projekt vor. Inzwischen ist aus dem Kurzgeschichtenband ein Roman geworden, in dem die einzelnen Geschichten, samt fiktiven Zeitungsartikeln, Zeichnungen etc. zu einem großen Storybogen miteinander verwoben wurden.

 

Das Buch ist inzwischen im Selbstverlag erschienen. Wegen der vielen selbstgezeichneten Bilder und Grafiken wählte Marc ein A4-Großformat.

Auf dem Cover sieht man eine Kalinin K-7. Sie war eines der ersten Großraumflugzeuge und spielt in »Westlake Haven« eine Rolle, denn eine der Figuren, Nikolai, steht auf dieses Flugzeug und hat in der virtuellen Version davon sogar sein gesamtes Wohnzimmer untergebracht. Zudem gehörte sein Urgroßonkel zu den den Konstrukteuren der Kalinin K-7. In der virtuellen Welt verkauft Nikolai Suizide.

Second Life diente Marc als Inspiration, er las mehrere Werke zur Kryonik und zu Virtueller Realität. Das Projekt erwies sich Selbstläufer. Am Anfang entstand eine mehrteilige Zeichnung mit einem Mann, der zunächst nur am Rechner die virtuelle Welt besucht, dann Implantate dafür nutzt und der letzte Teil der Zeichnung zeigte das finale Steckerziehen. Dann kam immer mehr dazu.

So gibt es neben Zeichnungen auch Artikel und Nachrichten, mit denen Marc schon früher Bücher, Filme und Hörspiele veredelte.

 

Während die schmucke Hardcoverausgabe ganz normal gekauft werden kann, ist das PDF kostenlos erhältlich. Marc geht es auch gar nicht ums Verkaufen. Dieser Vertriebsweg ist aus der Not entstanden, da es schwer ist, für »Westlake Haven« einen Verlag zu finden.

 

Ihm ist es ein Anliegen und Wunsch, dass »Westlake Haven« überhaupt gelesen wird. Im Impressum steht auch, dass es bearbeitet werden darf. Das Buch soll nicht im Self Publishing hängenbleiben, eine spezielle Version für Second Life ist durchaus denkbar.

 

Gelesen wurde das Teilstück Der einzigartige Dr. Cole, wobei Thorsten Küper Dr. Cole las und Marc die Hauptfigur Roland Kramer.

 

Im zweiten Teil der Lesung hörten wir Der Duft von frisch geschlagenem Tannenholz.

 

Ann-Kathrin Karschnick musste leider ihren Termin absagen, dafür gab es ein Konzert von Torben Asp in Joeys Café.

 

Die sehr tanzbare elektronische Musik gab den jeweiligen Avataren der Zuschauenden Gelegenheit, ihre besten Tanzstile auszupacken oder die dafür bereitgestellten Kugeln zu nutzen, mit denen man sich Tanz-Bewegungen aussuchen konnte.

 

Die Stimmung war ausgelassen, wenn man dem Chat-Verlauf glauben kann. Hat man auf einem Literaturcon auch nicht oft.

 

Ab 21 Uhr präsentierte dann Michael Marrak seinen brandneuen Roman Der Kanon mechanischer Seelen inklusive der 22 Innenillustrationen, die Michael höchstselbst für das Buch anfertigte. Scherzhaft meinte er im Gespräch mit Thorsten Küper, dass er es nach dem 15. Bild gehasst habe.

 

Wir konnten nun alle Bilder als sich bewegende Galerie bewundern. Für die Avatare in Überlebensgröße, entworfen und gebaut von Gastgeber Thorsten Küper.

Michael hat schon einige Teile in Second Life vorgestellt, aber noch nie, seit das Projekt zum kompletten Roman wurde.

 

Der »Kanon« spielt 12.000 Jahre in der Zukunft. Es gibt kaum noch Menschen. Einige von ihnen haben aber die Gabe, Materie beseelen, also Bewusstsein zu verleihen. Maschine, Baum, Mauer – vorwiegend Gebrauchsgeräte. Woher diese Gabe kommt, weiß keiner der Wandler, von denen wir Ninive und Aris bereits kennengelernt haben. Im Buch nun begeben sie sich auf eine Reise um diese Frage zu klären.

 

Wir hörten nun ein Kapitel fast vom Ende des Romans, aus dem zehnten Teil (von insgesamt 11), den Michael bisher noch nirgends vorgelesen hat: Die Mauer.

 

Der »Kanon« entstand seit 2009/2010 aus den Kurzgeschichten Zuhause, so fern … und Aurora, enthalten in den Readers Digest Jugenbüchern 48 und 50, allerdings noch ohne die Figur des Cutter. Da Michael Iwoleit für Nova 20 eine Story mit Cutter anfragte, erweiterte er sie zur gleichnamigen Novelle Der Kanon mechanischer Seelen, verriet Michael.

 

Die Folgenovelle Coen Sloterdykes diametral levitierendes Chronoversum wurde dann bereits mit dem KLP ausgezeichnet. Dann ging’s immer weiter, 2014 erschien schon die vierte Novelle und Michael dachte sich: So kann es nicht weiter gehen, das wird auf Dauer zu schwer für die Leser.

 

Der Kanon ist keine Hard-SF. Erklärt wird alles, aber nicht sofort auf dem Silbertablett. Der »Kanon« stellt einen Befreiungsschlag dar, der sich bereits während der vorhergehenden Arbeit für ein Computerspiel andeutete. Um aus dem engen Korsett herauszukommen, schrieb Michael den »Kanon« als eine Welt, in der alles möglich ist und vor allem sehr bunt.

 

Nach dem Kapitel aus dem »Kanon« präsentierte uns Michael etwas ganz Neues.

 

Vor dem Kanon entstand ein anderer Roman: Der Garten des Uroboros ist bereits seit drei Jahren fertig.

 

Weil jedoch der »Kanon« von so vielen Leserinnen und Lesern angefragt wurde, wollte er erst den »Kanon« bringen. Hätte er gewusst, dass sich der »Kanon« so lange hinzieht, wäre »Uroboros« wohl zuerst erschienen, so nun also kurz hinterher.

 

2012 war das Thema schon als Kurzroman enthalten in der Weltuntergangs-Anthologie 2012 – T minus Null unter dem Titel Das Königreich der Tränen.

 

Der Roman spielt auf drei Kontinenten und zwei Zeitebenen. Alles dreht sich um ein Event und das grundlegende Thema ist Armageddon. Um was für einen Weltuntergang es sich handelt, wird jedoch nicht verraten.

Wir hörten einen Auszug aus dem Afrika-Strang. Der Dogon-Häuptlingssohn Pangalé soll zu einer Reise in eine verbotene Stadt überredet werden.

 

Wir dürfen gespannt auf diesen neuen Marrak-Roman sein, der wohl noch im Frühjahr 2018 erscheint.

 

Den letzten Programmpunkt des Cons bestritt Frank Lauenroth.

 

Auch Frank war mit seiner Trilogie schon im Second Life zu erleben. Nach Boston Run und New York Run stellte er nun Chicago Run vor.

 

Bösewicht Stalin, ehemaliger russischer Oligarch soll mit dem Halligallitruck, einem überlangen UPS-Track in ein Gefängnis überführt werden.

Barlok Barbosa entwarf dafür ein stimmungsvolles Set.

 

Frank selbst ist schon Marathon gelaufen und will nächstes Jahr in NY mit seiner Partnerin antreten.

 

Anschließend wechselten wir die Location, denn für Angriff von Oben bedurfte es eines futuristischen Settings. In der Geschichte ging es um die Abwehr von Aliens mittels Rockmusik und Kitzeln.

 

Ebenda folgte eine weiterer, neuer Text: Laden, Zielen, Feuern – eine megacoole und klasse vorgelesene Groteske. Torpedos waren noch nie so wackelig!

 

Und damit endete leider auch schon der Erste Virtuelle Literaturcon, von Fans auch zärtlich The EViL-Con genannt.

 

Es wäre toll, wenn eine ganze Reihe diesem Ersten folgen würden, denn nur selten kann man solch eine profunde Menge toller Kreativer auf einen Haufen sehen und benötigt wenig mehr als ein gutes Netz, etwas Rechnerkraft und einen gemütlichen Platz daheim. Kaltgetränke immer griffbereit!

 

Dankeschön an alle Beteiligten!

 

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Erster Virtueller LiteraturCon


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Erstellt: 30.10.2017, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 16189