Barbara Steele: Miss Dracula forever
 
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Barbara Steele: Miss Dracula forever

Artikel von Karin Reddemann

 

Nie wieder in einem Sarg zu erwachen, herauszuklettern und Angst zu machen … für einen Horror-Darsteller klingt das nach einem irritierend frommen Wunsch. So was wird im Drehbuch ja nun immer mal wieder verlangt, schwierig, da eine anständige Alternative zu finden. Barbara Steele alias (für Fans!) Barbric Steele, ehrfürchtig auch Queen of Terror, Miss Dracula oder The World’s Reigning Horror Queen genannt, verkündete exakt das Anfang der 1970er Jahre in einem Interview:

 

»I swear I’m never going to climb out of another coffin as long as I live.«

 

Sie hielt Wort. Das war und bleibt bedauerlich.

 

Karriere im Sarg

Tatsächlich ist die eigenwillig schöne Britin mit den grünen Katzenaugen und dem rabenschwarzen Haar durch das Erwachen in einer Gruft berühmt geworden. Dieses erste Zucken, dieser Wimpernschlag, dieser einmalige Blick, den sie in gruselige Finsternis wirft … das haftete an, das Bild war gemalt und ging um die Welt: Eine Hexe mit einer auf ihr Gesicht geschlagenen Dornenmaske steigt, versehentlich mit Frischblut erweckt, in dem Film Die Stunde, wenn Dracula kommt (Kinostart: 1960) nach 200-jährigem Pseudo-Schlaf aus ihrem steinernen Grab und hat (natürlich) Finsteres im Sinn: Rache nehmen, ihren getöteten Liebhaber zurück ins Leben holen und eine Verwandte (Doppelrolle für Steele) aussaugen, um sich selbst optimal wieder herzustellen. Zuerst kommt die Eisenmaske runter, Steele sieht (noch!) nicht wirklich gut aus. Dieses Ding mit den spitzen dicken Nägeln in der Innenseite, die klaffende Löcher hinterlassen haben, war für die damalige Zeit eine einzige Furcht-Attacke auf eh schon verschreckte Zuschauer. (M)ein ewig diabolisch grinsender Alptraum aus Kindertagen. Wer das mal im Fernsehen in demolierter Pippi-Langstrumpf-Laune gesehen hat, weiß, was gemeint ist.

So gruselig, so schön

Allzu zimperlich geht der Film grundsätzlich nicht mit Nerven um, die noch nicht so viel Erfahrung mit Überraschungs-Strapazen recht hübsch-fieser Machart haben: Auch, wenn’s heutzutage auf der Leinwand deutlich krasser abgeht … hier durchdringt die durchweg düstere Atmosphäre alles; es ist alt und dunkel und gruselig und doch irgendwie so elegant und künstlerisch gemacht, das verdient einfach großen Respekt. William K. Everson schreibt in Klassiker des Horrorfilms:

 

»Einige Szenen beuten Sadismus und Schmerz in übertriebener Weise aus. Doch ansonsten ist der Film eine visuell phantastische Fingerübung in barockem Horror.«

 

Durchdacht gesagt ist das, und gleichsam auf den einen Punkt genau, nach dem man sucht (und ihn sehr wohl auch findet), bringt es das Lexikon des Internationalen Films: »Die Fotografie orientiert sich an der Ästhetik des Stummfilms.« So ist das richtig. Verteufelt gute Fotos. Und eine teuflisch gute Frau. Die zur Schock-Ikone wurde und das gar nicht so recht wollte. Als sie dann später wirklich nur noch Erinnerung an weiblichen Horror-Wahnsinn in glanzvoll dunkler Nacht war, hat sie vielleicht bedauert, dass es nicht doch weit und weiter nach oben gegangen war. Vorerst aber galt sie als Königin. Und so gänzlich skeptisch, selbst, wenn sie das später gern behauptete, – sie spielte auch unter Fellini und Schlöndorf, das war ein ganz anderer Anspruch, der ihr gefallen hat –, trug sie ihre schwarz lackierte Krone mit Sicherheit nicht.

 

Kultlady des Horrorfilms

Barbara Steele (geb. 1937), die sich zuvor mit bescheidenen Starlet-Auftritten und als Fotomodell durchgeschlagen hatte, wurde mit ihrer Rolle der untoten Asa zur weiblichen Kultfigur des Horror-Films der 1960er Jahre. Keine andere war so unheimlich, so lauernd und fesselnd, so faszinierend, ohne aufdringlich in einer erotischen Unantastbarkeit zu wirken. »Die Stunde, wenn Dracula kommt«, eine italienische Produktion (Originaltitel: La maschera del demono), war für Steele und Regisseur Mario Bara ein Meistertreffer ins Schwarze: Erstaunlich, mag sein, bedauerlich (da kann man nur spekulieren), dass es, obgleich sie beide in den nächsten Jahren noch weitere Horrorfilme in Italien drehten, nach dem gemeinsamen Leinwandgold nie wieder zu einer Zusammenarbeit kam. Steele sagte in einem Interview den oft zitierten Satz:

 

»Wenn Sie über diesen Film schreiben, werde ich Sie ermorden.«

 

Klingt abgenervt, ist freilich auch die Image-Politur eines richtig bösen, aber klugen Mädchens. Als Black Sunday mit neuem Soundtrack versehen, wurde der Film in den USA und in Frankreich zum Kassenknüller. In England war er bis 1968 wegen extremer Gewaltdarstellung verboten, – die englische Presse nannte die Landsmännin frech Faceless Monster –, in anderen Ländern lief er nur in stark gekürzter Version. Die Zensur in Deutschland fiel erstaunlich gnädig aus, man schnitt nur ein bisschen weg; dafür erdachte man sich in gewohnt haarsträubender Manier einen Titel, der (natürlich) nicht hinhaut: Mit Bram Stokers Dracula hat die Geschichte rein gar nichts zu tun, allein, der Name lockt(e).

 

Ähnlich pfiffig machte man es bei Curse of the Crimson Altar (1968) mit Barbara Steele neben den Horror-Ikonen Christopher Lee und Boris Karloff. (Der letzte Auftritt von The Uncanny) Der ging bei uns unbekümmert irritierend als Die Hexe des Grafen Dracula an den Start, lief auch als Schwarze Messe auf blutrotem Altar. Das hört sich hübsch blöd billig an, und das nun wird der britischen Produktion, die auf sehr unterschiedliche Kritiken stieß, nicht wirklich gerecht. Der Film behandelt, großzügig locker betrachtet, eine Erzählung von H. P. Lovecraft, Träume im Hexenhaus (The Dreams in the Witch House); er bleibt leicht verworren, wenn man sich nicht die kleine Mühe gibt, zu entwirren. Spannend ist er zweifellos, wenn auch kein Genre-Highlight.

Göttlich fürchterlich

Direkt nach »Die Stunde, wenn Dracula kommt« drehte Barbara Steele an der Seite von Vincent Price in Hollywood Das Pendel des Todes (1961, Regie: Roger Corman). Als Vorlage diente hier die Kurzgeschichte The pit and the pendulum von Edgar Allan Poe, Steele spielt die Ehefrau eines spanischen Schlossherrn, der sich nach traumatischem Kindheitserlebnis mit dem unguten Gefühl quält, sie nach ihrem Tod?! lebendig begraben zu haben. Ein toller Film, göttlich fürchterlich. Die beiden Hauptdarsteller bilden ein echtes (Alp-)Traumpaar, es knistert(e) böse.

 

In einen Sarg, um wieder aufzustehen, legte sich die Steele freiwillig für nennenswerte Rollen nicht mehr. In Caged Heat (Zuchthaus der verlorenen Seelen, 1974) ist sie als sadistische, im Rollstuhl sitzende Frauenknast-Direktorin zu sehen, in Shivers (Parasitenmörder, 1975) stirbt sie nackt in einer Badewanne. Und bleibt tot. Ihren großen Namen schluckte die Zeit, die neue Welle im Genre spülte sie weg. Die legendären Londoner Produktionsstudios Hammer Films, spezialisiert auf gut gemachten Horror, ignorierten sie, man wollte einen anderen Frauen-Typus, nackt, ungeschmückt, reell, freilich auch austauschbar und ohne wirkliches Markenzeichen: Ingrid Pitt galt Anfang der 1970er als die neue Königin, – Comtesse des Grauens und Gruft der Vampire waren tatsächlich absolute Leinwand-Hits –, aber ihr Stern verblasste sehr schnell. Sie verschwand im Durchschnitts-Land. Dort, wo man Außergewöhnliches nicht findet. Barbara Steele war nie dort, das zeichnet sie bis heute aus. So ganz untergetaucht ist sie nie, hat als Produzentin gearbeitet, in Fernseh-Serien (Dark Shadows, 1991) mitgewirkt und spielte in aktueller Zeit auch wieder in zwei Horror-Filmen tragende Rollen: In Butterfly Room (2012) konserviert sie mit gewissen Hintergedanken Schmetterlinge, Lost River (2014) ist ein düsteres Märchen. Unvergesslich aber machte sie nun mal das alte, ewig junge Blutsauger-Thema, da gehört sie für uns hin, da gehört sie rein, – in Film, Sarg, Leidenschaft, Schönheit, Angst und Gänsehaut –, die extra-schöne Schwarze mit den Extra-Augen, die (Zitat unbekannt) »logical daughter of any union between Christopher Lee and Cyd Charisse«.

 

Musical-Pin-Up liebt Vampir. Heraus kommt: Barbara Steele. Oder vielleicht noch … nein, keine Chance.

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Erstellt: 30.04.2021, zuletzt aktualisiert: 25.11.2023 10:13, 19672