Zoff wegen der Gravitation. Oder: Mein Vater, Stanisław Lem (Autor: Tomasz Lem)
 
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Zoff wegen der Gravitation. Oder: Mein Vater, Stanisław Lem von Tomasz Lem

Rezension von Matthias Hofmann

 

Am 12. September 1921 wurde der polnische Science-Fiction-Autor Stanisław Lem in Lemberg (heute: Lwiw, Ukraine) geboren. Er wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Das brachte dem Ausnahmeschriftsteller, dessen Bücher in mehr als 50 Sprachen übersetzt wurden und der als kluger Visionär galt, im Jahr 2021 einige Beachtung. Gestorben ist er 2006 in Krakau, aber durch seine Werke lebt er weiter, wie zahlreiche Wiederveröffentlichungen zeigen.

 

Zu seinen bekanntesten Romanen zählt Solaris (1961), der mehrfach verfilmt wurde, u. a. von Andrei Tarkowski (1971) und Steven Soderbergh (2002). Er wurde dieses Jahr vom Ullstein Verlag neu aufgelegt. Sein Stammverlag ist jedoch Suhrkamp, wo man auch nicht untätig blieb und ein Leseset von vier Büchern mit einer exklusiven Postkartenset-Beilage neu auflegte.

 

Aus seinem Privatleben machte Lem stets ein Geheimnis. Es war für ihn nicht wichtig. Umso interessanter sind die beiden Sekundärwerke über den Polen, die 2021 erstmals auf Deutsch veröffentlicht wurden.

 

Neben dem Buch Stanisław Lem. Leben in der Zukunft. Philosoph und SF-Autor: die große Lem-Biografie zum 100. Geburtstag. Sein Leben zwischen Opposition und Emigration, zwischen Wissenschaft und Science-Fiction von Alfred Gall (erschienen bei wbg Theiss) ist ein weiteres Buch über den Zukunftsdenker Lem von Interesse. Es erschien etwas abseits der gängigen Veröffentlichungskanäle, im Wissenschaftsverlag Harrassowitz als Band 12 der Reihe Polnische Profile, gefördert aus Mitteln des Polnischen Instituts und des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen.

 

Das Buch mit dem Titel Zoff wegen der Gravitation. Oder: Mein Vater, Stanisław Lem stammt von keinem geringeren als Tomasz Lem. Der 1968 geborene einzige Nachkomme Lems, der als Übersetzer arbeitet, hat eine besondere Biografie seines Vaters geschrieben, die ein sehr persönliches Bild des Schriftstellers aus der Sicht seines Sohnes zeichnet.

 

Sein Text ist das Ergebnis einer Synergie von eigener Erinnerung, zahlreichen Anekdoten über, aber auch Briefen oder sonstigen direkten Zitaten seines Vaters. Er beginnt mit der Besatzungszeit in Lemberg und dem Kennenlernen seiner Eltern und beschreibt in den folgenden Kapiteln den Lebensweg Stanisław Lems in einer anschaulichen und mitunter äußerst unterhaltsamen Art.

 

Legendär scheint die Tatsache zu sein, dass Lem auch mit dem langsamsten Auto ein Raser gewesen sein soll, einem Umstand, dem gleich ein ganzes Kapitel mit dem Titel »Der Kampf mit den Verbrennungsfahrzeugen« gewidmet wurde.

 

Auch die Erlebnisse Lems auf Reisen nach Jugoslawien, Russland, Sylt oder Österreich werden geschildert, ebenso wie der Kauf des ersten eigenen Hauses und der haarsträubenden Probleme, die damit verbunden waren.

 

Das Arbeitszimmer des Vaters hat ebenfalls ein eigenes Kapitel bekommen: »Vaters Arbeitszimmer hatte etwas magisches an sich. Alle Wände waren mit Regalen zugestellt, deren Bretter sich unter der Last der Bücher bogen.«

 

Insgesamt ergibt sich ein komplexer, durchaus reflektiert-kritischer Eindruck vom Leben und Wirken Lems, der als etwas schrulliger, eigenbrötlerischer, menschlich schwieriger, aber intelligenter Mann beschrieben wird, der vor allem das Schreiben liebte. Neben Süßigkeiten und Spielzeug-Gadgets.

 

Über die Romane und Geschichten seines Vaters verliert Tomasz Lem nicht viele Worte. Dafür gibt es andere Sekundärliteratur, die sich ausführlich mit dem Lem-Kanon und dessen Helden wie Ijon Tichy oder Pilot Pirx auseinandersetzt.

 

Ein absolutes Plus sind die zahlreichen Fotos aus dem Familienalbum, die interessante Einblicke in das Privatleben eines der berühmtesten polnischen Schriftsteller bieten.

 

Die Lem-Biografie von Tomasz Lem ist als ergänzende Lektüre für Fans von Stanisław Lem sehr zu empfehlen, aber auch für andere, die an Zeitgeschichte und osteuropäischer Literatur interessiert sind.

 

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Buch:

Zoff wegen der Gravitation. Oder: Mein Vater, Stanisław Lem

Originaltitel: Awantury na tle powszechnego ciążenia, 2009

Autor: Tomasz Lem

Taschenbuch, 158 Seiten

Harrassowitz, 9. Juni 2021

Übersetzung: Peter Oliver Loew

 

ISBN-10: 3447116226

ISBN-13: 978-3447116220

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 02.11.2021, zuletzt aktualisiert: 14.02.2024 17:06, 20271