Der weiße Wolf (Gruselkabinett 49)
 
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Der weiße Wolf von Frederick Marryat

Gruselkabinett 49

Hörspiel

 

Rezension von Oliver Kotowski

 

Rezension:

Krantz ist ein Leibeigener des transsylvanischen Fürsten Istvan. Dabei ist Krantz weder dumm, noch arm – der Fürst hat viele Aufträge für den fähigen Verwalter, die gut entlohnt werden. Kantz' gründliche und besonnene Tatkraft sind allerdings nicht der einzige Grund für die vielen Aufträge – Krantz' Gattin Ludmilla ist eine sehr attraktive Frau und Istvan verbringt gerne einige Zeit alleine mit ihr. Als eines Tages Krantz zu früh zurückkehrt, ertappt er die beiden Ehebrecher und rächt seine beschmutzte Ehre. Nach dem Mord an seinem Herrn flüchtet Krantz mit seinen drei Kindern – Armin, Caesar und Marcella – ins Harzgebirge, wo er eine kleine, abgelegene Hütte und ein wenig Land kauft. Dort lebt die Familie mehr schlecht als recht zusammen; die Winter sind streng, das Wild wird knapp und Krantz lässt die schlechte Laune an Marcella aus, die er zu schlagen beginnt. Auch die Wölfe machen der Familie zuschaffen. Dann jedoch stoßen der Vater und Armin auf zwei Reisende, Wilfried und seine Tochter Kristina. Man nimmt die beiden auf; Armin wärmt die eiskalte und wunderschöne Kristina mit seinem Körper, was sie sich gerne gefallen lässt. Doch in der folgenden Zeit beginnt, das Interesse Krantz' an Kristina zu erwachen.

 

Der weiße Wolf ähnelt in wesentlichen Punkten einer Moritat. Der gute Mann Krantz wird auf die Probe gestellt, als er seine Frau mit seinem Herrn im Bett erwischt. Er ist charakterlich zu schwach und ermordet die beiden. Es bleibt die Flucht in eine ferne Gegend – doch auch dort muss er sich verantworten vor den Hütern der Moral, die die Wölfe als Werkzeuge nutzen. Mit Kristina erhält die Geschichte noch einmal einen kleinen Dreh, der die Fallhöhe hinaufschraubt.

Wie bei einer Moritat üblich, bangt der Zuhörer kaum um das Schicksal der Protagonisten – er kann es meistenteils früh erahnen, nur das der Randfiguren Caesar und Marcella ist einen Augenblick lang offen. Vielmehr zieht die Geschichte ihre Spannung aus zwei anderen Quellen. Da ist einerseits die Frage, was mit Kristina, aber auch ihrem Vater Wilfried ist. Dann ist da andererseits die moralische Befriedigung, die mit moralischer Verunsicherung gekoppelt wird. Schon der erste Plotpunkt macht diese Verknüpfung klar: Ludmilla ist eine eitle und wollüstige Frau, die zusammen mit dem falschen Herrn den guten Krantz hintergeht. Diese Ungerechtigkeit muss bestraft werden. Doch Krantz geht zu weit: Er ermordet die beiden. Der Akt, der die Gerechtigkeit wiederherstellen sollte, bringt sie selbst ins Ungleichgewicht. Es ist diese moralische Spannung, die die Geschichte trägt.

Auch der Plotfluss ist sehr angemessen in seinem gemäßigten Fortgang. Alles in allem ist das Skript als gut gelungen zu bezeichnen.

 

Die Anzahl der Sprecher ist unauffällig, vielleicht etwas kleiner als üblich: Es werden acht aufgezählt. Wichtigste Figur ist Armin, der teilweise die Funktion des Erzählers übernimmt. Gesprochen wird der Junge von Nicolas Artajo, dem Sohn von Iris Artajo. Er hat eine lange Liste von Hörspielen in seinem Oeuvre, die meisten jedoch sind Kinderhörspiele wie Die drei ??? Kids, Die Playmos oder die Titelrolle in Leon Traumgänger. Auch die Geschwister Armins, Caesar und Marcella, sind mit Max Felder bzw. Gabrielle Pietermann jung besetzt. Entsprechend haben sie eher wenige Hörspiele gemacht – beide könnten allerdings aus Die letzten Helden bekannt sein. Felder und Pietermann kennen sich übrigens von den Harry Potter-Filmen – da leihen sie Rupert Grint bzw. Emma Watson ihre Stimmen. Vater Krantz wird von Peter Reinhardt gesprochen. Ihn hat man vielleicht in Point Whitmark schon mal gehört. Vielleicht kennt man auch den Film Tote tragen keine Karos. Die geheimnisvolle Fremde Kristina hat Petra Barthel eingesprochen. Die Hörspielreihe Dirty Dancing, in welcher sie Penny spricht, dürfte Grusel-Freunden eher unbekannt sein – aber auch bei John Sinclair ist sie schon im Todesnebel herumgeirrt. Film-Freunden ist sie vielleicht als Uma Thurmans deutsche Stimme in Erinnerung geblieben. Alex Lutter, den Sprecher von Wilfried, hatte ich gerade in Die Maske des roten Todes erlebt, Bettina Weiß, die ungetreue Ehefrau Ludmilla, als Dr. Lake in Berge des Wahnsinns und Frank Gustavus, der schlechte Herr Istvan, ist natürlich seit Dorian Hunter 7: Amoklauf als Marvin Cohen gut bekannt.

Alles in allem eine tolle Sprecherriege, die eine gediegene Performanz bringt.

 

Die Inszenierung ist gemäßigt modern. Wie erwähnt, gibt es zwar keinen Erzähler im engeren Sinne, doch Armin übernimmt bei zusammenfassenden Szenen dessen Funktion. Die Musik ist zwar im Wesentlichen orchestral, aber sehr vielfältig variiert: Mal dumpf-tiefe Streicher und die Pauke, mal helle Streicher und das Klavier, gelegentlich scheinen mir Bläser bzw. Flöten hineinzuspielen. Verwendet werden die Musiken einerseits, um den Duktus der Szene zu kennzeichnen, und andererseits, um wichtige Momente atmosphärisch herauszustreichen. Die Geräusche stehen stets für sich selbst, treiben aber die Handlung nicht voran; meistenteils unterstreichen sie die Handlung – etwa ein metallisches Klirren bei der Schlüsselübergabe – oder sie unterstreichen die Atmosphäre – etwa durch ein dumpfes Donnergrollen, wenn Krantz die Ehebrecher überrascht. Insgesamt ist die Inszenierung sehr gut geraten, auch wenn die Tonschichten für meinen Geschmack tiefer gestaffelt werden könnten.

 

Fazit:

Nachdem Krantz seine treulose Frau und seinen Herrn ermordete, flüchtete er ins unwirtliche Harzgebirge; doch bloß weil man sich den weltlichen Gerichten durch Flucht entziehen kann, ist man vor Strafe nicht unbedingt sicher. Der weiße Wolf ist eine Art Moritat und damit entsteht Spannung eher aus dem moralischen Ungleichgewicht als aus der physischen Bedrohung der Figuren. Wer sich mit dieser Prämisse anfreunden kann, bekommt ein schönes Hörspiel, das in allen drei Bereichen – Skript, Sprecher und Inszenierung – gleichermaßen zu überzeugen weiß.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240427023145cede828a
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Hörspiel:

Der weiße Wolf

Reihe: Gruselkabinett 49

Vorlagen: Frederick Marryat

Buch: Marc Gruppe

Produzent: Stephan Bosenius & Marc Gruppe

Label: Titania Medien

Erschienen: November 2010

Umfang: 1 CD, ca. 68 min

ASIN: 3785743920

Erhältlich bei: Amazon

 

Sprecher (Auswahl):

Nicholas Artajo

Max Felder

Gabrielle Pietermann

Peter Reinhardt

Petra Barthel

Alex Lutter

Bettina Weiß

Frank Gustavus


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Erstellt: 30.01.2011, zuletzt aktualisiert: 28.12.2023 19:05, 11505