Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland von Christina Henry
Reihe: Die Dunklen Chroniken Band 4
Rezension von Matthias Hofmann
Peter Pan kennt man. Und Captain Hook ebenfalls. Aber kennen wir auch die »wahre« Geschichte vom bösen Gegenspieler Peter Pans?
Peter ist der Anführer einer Bande von heimatlosen Jungen, den sogenannten »verlorenen Jungs«. Er lebt auf der Insel Nimmerland und er wird nicht erwachsen. Nimmerland ist ein besonderer Ort, denn dort ist alles möglich. Man muss nur an etwas glauben und schon passiert es. Außer Kinder leben dort auch Indianer, Meerjungfrauen, Elfen oder Piraten. Und der Anführer ebenjener Piraten ist Captain Hook, der im Kampf mit Peter seine rechte Hand verloren hat und stattdessen einen Hakenprothese trägt. Er ist der Protagonist des neusten Romans der US-Amerikanerin Christina Henry, die schon drei Bücher mit Neuinterpretationen von Lewis Carrolls Alice im Wunderland geschrieben hat.
Anders als in den Originalgeschichten des Schotten J.M. Barrie, der Peter Pan 1904 erfunden hat, ist der Junge, der nicht erwachsen wird, in Henrys Roman Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland eine durchtriebene, hinterlistige Figur. Damit bleibt sich Henry treu, denn sie hat sich zur Aufgabe gemacht, Kinderbuchhelden wie Alice oder Peter in unheimlich-düstere Settings zu verfrachten, um ihren Abenteuern neue dunkle Facetten abzuringen.
Die Idee, die Geschichte von Peter Pan aus der Sicht von Hook zu erzählen ist schlicht genial. In einer ersten Reaktion hatte ich die Klappentextschreiber verflucht, die Pointe des Buchs auf der Rückseite verraten zu haben. Zu Unrecht, denn der Originaltitel lautet Lost Boy: The True Story of Captain Hook, und somit hat die Autorin selbst das so angelegt. Schade eigentlich, denn der komplette Roman ist so aufgebaut, dass man erst auf den letzten Seiten erfährt, wer Hook wirklich ist.
Eigentlich heißt er Jamie und er ist der erste »Lost Boy«, der von Peter Pan nach Nimmerland gelockt wird. Obwohl die beiden sehr viel Spaß haben und beste Freunde werden, ist das Peter bald nicht genug. Er bringt weitere Jungs auf die Insel und aus Spiel und Spaß werden Prügelei und Kampf. Mitunter geht es um Leben und Tod. Peter erweist sich als fieser, fast schon verrückter Psycho, dem ein hoher Spaßfaktor am wichtigsten zu sein scheint. Eines Tages bringt Peter den kleinen Charlie nach Nimmerland, der eigentlich viel zu jung ist, um bei den harten Spielen der Teenager zu bestehen. Das öffnet Jamie langsam die Augen und bringt ihn dazu, Charlie zu beschützen. Somit wird Jamie zur unbequemen Stimme innerhalb der Gruppe und zur Zielscheibe von bösartigen Aktionen.
Wie auch die Alice-Romane ist Christina Henrys Peter-Pan-Fassung flott zu lesen. Sie ist ebenfalls recht brutal und blutig und damit nichts für Zartbesaitete. Im Vergleich zu den ersten Büchern fällt dieses jedoch etwas ab, da es kaum Charaktere gibt, die mich als Leser abgeholt haben. Die einzige sympathische Figur ist Erzähler Jamie, also der eigentlich böse Captain Hook, und mit Abstrichen noch der kleine Charlie. Und auch zu diesen beiden baute sich keine wirkliche Bindung auf, sodass man mit ihnen mitfieberte, wie es wahrscheinlich von der Autorin beabsichtigt war.
Insgesamt kann ich den Roman dennoch allen Fans düsterer Fantasy-Szenarien empfehlen, alleine schon wegen der originellen Grundidee und dem flüssigen Schreibstil. Auch dieses Buch ist sehr schön produziert, mit Spotlack-Umschlag und bedrucktem Beschnitt.
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