Die Tochter des Doktor Moreau (Autorin: Silvia Moreno-Garcia)
 
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Die Tochter des Doktor Moreau von Silvia Moreno-Garcia

Rezension von Matthias Hofmann

 

H. G. Wells hat viele Klassiker der SF-Literatur geschrieben. Zu den bekanntesten zählen sicherlich Die Zeitmaschine (1895) und Der Krieg der Welten (1898). Aber er verfasste auch eine ganze Reihe anderer Werke, bei deren Nennung es klingeln dürfte. So veröffentlichte er zwischen den beiden eingangs erwähnten, mehrfach verfilmten, weltweiten Bestsellern im Jahr 1896 den Roman Die Insel des Dr. Moreau, eine packende Mischung der beiden Genres Abenteuer und Science Fiction, mit Einflüssen aus dem Horrorbereich.

 

Die 1981 geborene mexikanische Autorin Silvia Moreno-Garcia, die 2004 nach Kanada ausgewandert ist, hat erstmals mit dem Horrorroman Mexican Gothic über die Genregrenzen auf sich aufmerksam gemacht, dessen Schreibstil von der Kritik mit dem von Daphne du Maurier verglichen wurde. Er ist im Oktober 2022 auf Deutsch bei Limes unter dem Titel Der mexikanische Fluch im Hardcoverformat erschienen.

 

In der gleichen Aufmachung folgte 2023 beim gleichen Verlag nun der Roman Die Tochter des Doktor Moreau. Dessen Handlung bedient sich Elementen und Motiven von H. G. Wells. Sie spielt in den 1870er-Jahren. Doktor Moreau, der im Original auf einer einsamen Insel im Südpazifik seine Experimente mit Tieren macht, die er mit Hilfe von Vivisektion in Menschen zu verwandeln versucht, lebt bei Moreno-Gracia in Yaxaktun auf der Halbinsel Yukatan in Mexiko.

 

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive von Carlota, der schönen Tochter von Doktor Moreau, und Montgomery, dem Majordomus des Anwesens, das mitten im Dschungel liegt. Es beginnt, als Carlotta noch ein kleines Mädchen ist und Montgomery vom reichen Besitzer Hernando Lizalde als neuer Verwalter der Örtlichkeiten vorgestellt wird. Montgomery ist ein innerlich zerrissener Mann, der eine unglückliche Liebe hinter sich hat und seinen Kummer gerne mit Alkohol betäubt.

 

Als Carlota zur jungen Frau heranwächst, besucht Eduardo Lizalde mit seinem Freund Isidro Yaxaktun. Eduardo ist der Sohn des Landbesitzers, der viel Geld in die wissenschaftlichen Tier-Mensch-Experimente von Moreau steckt. Die Vision, die hinter dem Erschaffen der Hybriden steckt, sieht billige Arbeitskräfte vor. Eduardo weiß allerdings zunächst nichts von dem Geheimnis der versteckten Labore, in denen fremdartige Wesen gezüchtet werden.

 

Bald entspinnt sich ein Konflikt zwischen Eduardo, der Carlota aus dem Dschungel in die Stadt und in die feine Gesellschaft holen, und Isidro, der das verhindern will. Und natürlich hat Carlota eigene Vorstellungen. Zwar verliebt sie sich ihrerseits in Eduardo, aber für sie sind die Hybriden, mit denen sie aufgewachsen ist, keine Versuchskaninchen, sondern wie eine große Familie. Hinzu kommt, dass Eduardos Vater kein weiteres Geld in Yaxaktun investieren will …

 

Moreno-Garcias Roman ist keine bloße Neuerzählung des Stoffs von H. G. Wells. Er ist vielmehr eine Ergänzung zum Thema, denn er bedient sich lediglich einiger Versatzstücke wie zum Beispiel den von der Welt entrückten Wissenschaftler, der unmenschliche Experimente durchführt, und so erkundet die Autorin mit ihrer Geschichte Aspekte, die Wells nicht verfolgt hat.

 

Der Schreibstil von Moreno-Garcia emuliert den eines Schauerromans aus dem 19. Jahrhundert ziemlich gekonnt. Beim Lesen stellt sich ein Gefühl ein, als goutiere man ein Werk aus jener Zeit. Dadurch hebt sich »Die Tochter des Doktor Moreau« wohltuend ab von den üblichen SF-Horror-Werken, die reißerischer daherkommen. Doch keine Angst: Zwar entwickelt sich die Handlung eher gemächlich, aber sie verzichtet nicht gänzlich auf Action und Schmerzen für die Protagnisten.

 

Ein Manko das Romans ist die fehlende Ausarbeitung der Hybriden, die nur mehr als Staffage im Hintergrund bleiben. Selbst die Wesen, die mit Namen erwähnt und äußerlich beschrieben werden, können keinen bleibenden Eindruck erwecken und sind kaum Teil der eigentlichen Geschichte.

 

Man muss den Originalroman von H. G. Wells nicht gelesen haben, um »Die Tochter des Doktor Moreau« zu verstehen oder zu genießen. Wer Fantastik mit faszinierenden Motiven wie in Mary Shelleys Frankenstein sucht, der wird hier fündig. Es geht um die Manipulation von Körper und Geist, ethische und moralische Fragen, um eine junge Frau, die aus den vorherbestimmten Konventionen auszubrechen versucht, aber es geht in erster Linie auch um Liebe. So bekommt man, wenn man sich darauf einlässt, das ganz große bittersüße, atmosphärisch dichte »Lese-Kino« geboten.

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Buch:

Die Tochter des Doktor Moreau

Original: The Daughter of Doctor Moreau, 2022

Autorin: Silvia Moreno-Garcia

Übersetzung: Frauke Meier

Titelillustration: Tim Green

Gebundene Ausgabe, 448 Seiten

Limes, 24.05.2023

 

ISBN-10: 3809027626

ISBN-13: 978-3809027621

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0BJKLRTWT

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 19.07.2023, zuletzt aktualisiert: 04.05.2024 13:33, 22034