Der »Vincent Preis« – ein Interview mit Michael Schmidt
geführt von Ralf Steinberg
Seit 2007 wird der Vincent Preis für herausragende Horror-Werke nun schon vergeben. Sein Name erinnert an eine der ganz großen Ikonen des Genres: Vincent Price. Doch hinter dem Projekt stand zu Beginn und auch im Moment wieder Michael Schmidt. Zum Start des »Vincent Preis 2018« stellte er sich unseren Fragen:
Fantasyguide: Hallo Micha, Du hast nach einigen Jahren der Pause im letzten Jahr wieder die Herrschaft über den »Vincent Preis« übernommen. Was ist dieser Preis und was machst Du da jetzt schon wieder?
Michael Schmidt: Hallo Ralf, vielen Dank, das du die Bühne für den »Vincent Preis« bereitest. Horror und unheimliche Phantastik ist das Stiefkind der Phantastik. Jeder gruselt sich gern und hat schon viele Bücher gelesen, aber für die meisten ist es dann doch sowas wie der peinliche Bruder. Um also dem Genre Horror eine Plattform zu geben, habe ich 2007 den »Vincent Preis« ins Leben gerufen. Ab 2014 habe ich das dann in andere Hände geben, aber auch bei meinen Nachfolgern war dann die Luft raus. Verlagsarbeit, Privatleben, die Hindernisse des Alltags sind vielfältig und da muss man irgendwann Prioritäten setzen. Mein Dank gilt Elmar Huber (2009-2017), Eric Hantsch (2013-2017) und Markus Solty (2013-2017) dafür den »Vincent Preis« so toll weitergeführt zu haben. Ich war immer mit den dreien in Kontakt und habe mitansehen können wie die Energie schwand. Im November haben sie dann schweren Herzens die Entscheidung getroffen aufzuhören und ich bin dann kurzerhand eingesprungen. Mal sehen, ob ich in Zukunft wieder jemand finde der das übernimmt.
Aktuell haben wir die Nominierungsphase vollendet und die Nominierungsliste erstellt.
Und die kann sich wie ich finde sehen lassen. Bei den Romanen ist Thomas Finn nominiert, den kennt glaube ich jeder. Susanne Röckel war mit Der Vogelgott sogar für den Deutschen Buchpreis auf der Shortlist und wer sich im Horrorgenre auskennt, kommt an Uwe Voehl und Jörg Kleudgen kaum vorbei.
Schaut euch einfach die Nominierten an und stimmt mit ab, die Regeln zur Abstimmung finden sich hier.
Stichtag ist der 30.4. 2019.
Fantasyguide: Existenznöte verfolgen einige Teile des Phantastik-Fandoms. Will die Horror-Gemeinde diesen Preis überhaupt? Gibt es noch genügend Leserinnen und Leser? Genügend Mitmachbegeisterte?
Michael Schmidt: Auch im Horrorgenre ist viel Aktivität angesagt, aber es ist schwierig den Überblick zu behalten. Allein was alles erscheint, da steht man mit offenem Mund davor. Wir haben gesammelt was uns auffiel, aber ich befürchte, da gibt es noch mehr. Einfach mal stöbern: Horror 2018 – alle Werke.
Ob es genügend Leser gibt? Das können dir nur die entsprechenden Verlage beantworten aber ich denke schon. Horror ist angesagt, allerdings auch ziemlich zersplittert, wie man an den Listen unschwer erkennen kann. Genügend Mitmachbegeisterte beim »Vincent Preis« gibt es allerdings nicht. Ich war bass erstaunt, eine so tolle Nominierungsliste aufzufinden, da sind wirklich tolle Bücher dabei, schaut auch mal bei den Anthologien und Storysammlungen, sehr lesenswert. Aber wir erreichen scheinbar nur einen Teil der Szene und selbst die, die wir erreichen, konnten wir diesmal nur zum Teil mobilisieren. Wir haben das intern mal diskutiert und es stellte sich raus, das die Akzeptanz des »Vincent Preises« doch sehr groß ist, aber scheinbar dachte jeder, es würde auch ohne seine Mitarbeit, sprich seine Stimme, gehen.
Ich überlege gerade, ob wir vielleicht mal ein Jahr aussetzen und dann den »Vincent Preis« 2019/2020 durchführen. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik. Aktuell läuft die Runde ja noch und ich hoffe, es werden sich noch einige beteiligen.
Fantasyguide: Jury- oder Publikumspreis – worin siehst Du die jeweilgen Chancen und Probleme?
Michael Schmidt: Jedes Verfahren hat seine Vor- und Nachteile. Wie gut ist die Jury? Wie groß sind die Interessenskonflikte der Jurymitglieder? Die meisten Aktivisten stehen ja selbst zur Wahl. Bei einem Publikumspreis ist die Schwierigkeit in Zeiten des Internets, bekomme ich da wirklich das Publikum oder sind das reine Freundesabstimmungsgruppen oder stimmt gar immer die gleiche Person mit anderer Email ab?
Der »Vincent Preis« ist eigentlich beides. Da waren bei der Nominierungsrunde ein Viertel Leser und ein Viertel Journalisten und Webseitenbetreiber, die andere Hälfte waren Autoren, Verleger und Zeichner. Also eine gute Mischung und zumeist Leute, die sich gut mit der Materie auskennen.
Fantasyguide: Welcher Aufwand steckt eigentlich hinter diesem Preis? Kommst Du noch dazu, etwas von den Neuerscheinungen zu lesen?
Michael Schmidt: So ein Preis nimmt einen schon gefangen. Ich hatte dieses Jahr eine neue Kategorie eingeführt, musste die ganzen Listen alleine zusammenstellen, zähle die Stimmen aus (Markus Solty hilft mir und überprüft das, damit kein Fehler passiert), besorge Urkunde, die ich drucken lasse, organisiere die Laudatoren, führe die Preisverleihung durch und versuche dem »Vincent Preis« Leben einzuhauchen.
Zum Lesen komme ich trotzdem noch. Im Zug hat man da immer Zeit, allerdings lese ich ziemlich querbeet.
Fantasyguide: In den Kritiken findet sich auch der Hinweis, dass gerade zur Preisverleihung bereits ausverkaufte Mikro-Auflagen oder limitierte Editionen absahnen. Das ist dann wie mit den SF-Radiohörspielen beim KLP, die meist auf ewig in den ARD-Archiven verschwinden. Wozu etwas auszeichnen, dass man dann gar nicht mehr in die Hände bekommen kann?
Michael Schmidt: Die Kritik habe ich selbst mal beim »Vincent Preis« 2008 oder 2009 benannt. Der »Vincent Preis« will ja gerade die versteckten Perlen ins Rampenlicht ziehen und wenn diese dann verschämt in der Ecke bleiben weil die limitiert sind, ist das natürlich kontraproduktiv.
Aber die Geschichte zählt, oder? Warum sollte man tolle Werke ausschließen?
Uwe Voehls Totenmeer hat beim Vincent Preis 2008 den 2. Platz ergattert und dieses Jahr erscheint eine Neuauflage beim Basilisk Verlag. Da kann sich jeder selbst ein Bild von der Geschichte machen.
Fantasyguide: Der »Vincent Preis« besteht aus Ruhm und einer schicken Urkunde. Wie kam es dazu und wer steckt hinter der neuesten?
Ich finde, die Urkunde erinnert ein wenig an James Bond, als Kinoliebhaber finde ich die »Filmstreifen« super und im Hintergrund der angedeutete Splatter.
Fantasyguide: Was denkst Du, wie viele Werke sollte man von den Horror-Neuerscheinungen gelesen haben, um abstimmen zu können? Reicht eine Kurzgeschichte, ein Blick auf ein Cover?
Michael Schmidt: Es gibt tausend Gründe nicht zu nominieren habe ich den Eindruck. Oder sind es Ausreden? Wenn man was liest, egal ob eine einzelne Kurzgeschichte oder einen Roman, ab an die Wahlurne. Und wer wirklich nichts gelesen bekommt, Sonderpreis und Grafik ist auch noch da. Ohne Teilnahme ist kein Preis was wert. Und die jeweiligen Künstler freuen sich über die Aufmerksamkeit. Egal ob es die Großen oder Kleinen sind.
Fantasyguide: Die Verleihung ist fest mit dem Marburg-Con verbunden. Warum und was ist das besondere an diesem Con?
Michael Schmidt: Der wurde früher vom Marburger Horrorverein durchgeführt und da war es naheliegend, dort anzufragen. Wir präsentieren die Ergebnisse dort seit 2008, wer die Anfänge sehen will, hier ist das Video verlinkt.
Der Marburg Con ist ein kleiner, sehr familiärer Con, rund 80 Leute sind dort meistens und so ist es ein richtiger Szenetreff, gerade auch weil dort der Schwerpunkt bei Horror und unheimliche Phantastik liegt. Dieses Jahr hat sich auch eine Abordnung des Professor Zamorra Autorenteams angekündigt.
Fantasyguide: Über die deutschen SF-Preise wird ja hin und wieder gelästert, dass die erfolgreichen Werke nach ein paar Jahren niemand mehr kennt. Siehst Du die Gefahr auch beim »Vincent-Preis«?
Michael Schmidt: Die Gefahr besteht immer. Es gibt aber den Vincent Preis Blog, da bleiben alle Preisträger und Nominierten aufgezeigt und in Zwielicht drucke ich die Ergebnisse und die Horrorlisten ab. Mir persönlich sind aber viele der Werke in Erinnerung geblieben, das gilt allerdings auch für die der SF Preise. Am Ende helfen aber nur Neuauflagen, damit die Bücher präsent bleiben.
Fantasyguide: Deine ganz persönliche Einschätzung des Horror-Jahrgangs von 2018: Was sollte man unbedingt gelesen haben? Was tunlichst ignorieren?
Michael Schmidt: »Der Vogelgott« haben wir ja zusammen gelesen. Den fand ich echt gut. Die Storysammlungen sollte man sich genau anschauen. Julia Annina Jorges Band habe ich ja selbst herausgebracht, Sascha Dinse ist echt eine Wucht und Markus Korb ist ja eigentlich jedes Jahr mit seiner Sammlung dabei.
Ansonsten muss man sagen, ist die Bandbreite von härterem Horror bis atmosphärischem Grusel gegeben, da muss natürlich jeder selbst entscheiden, wo seine Vorlieben liegen.
Fantasyguide: Wenn jetzt jemand Lust bekommen hat, Dir die Arbeit abzunehmen oder eifrig mitzumachen, was soll sie oder er tun und muss mit Blut unterschrieben werden?
Michael Schmidt: Einfach bei mir melden. Wer Lust hat kann ja erstmal am Blog mitarbeiten und schauen, ob es passt und was er oder sie selbst für Vorstellungen hat. Wir können jede helfende Hand gebrauchen.
Fantasyguide: Hast Du eine besondere Vision für die Zukunft des Preises? Was wünschst Du Dir für ihn?
Michael Schmidt: Aktuell stellen wir alles auf den Prüfstand und diskutieren was am besten für den Preis ist. Am liebsten würde ich es wie gewohnt weiterführen, allerdings mit deutlich höherer Beteiligung derer, welche die Szene Horror und unheimliche Phantastik bilden.